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WeinLetter #101: Die große Gert-Aldinger-Story, Teil 2

Liebe Weinfreund:in,

Du liest den WeinLetter #101. Heute gibt’s: Die Fortsetzung des großen Interviews mit Gert Aldinger - und Matthias Aldinger, der bei unserem Besuch in Fellbach dazukam. Zunächst: Wer den ersten Teil des Interviews von WeinLetter-Autor Franz Untersteller und mir im Jubiläums-WeinLetter #100 verpasst hat, der kann den hier zum Einstieg oder zur Auffrischung nachlesen (Si apre in una nuova finestra). Es war eine ehrliche und offene Analyse der großen Krise der deutschen Weinbranche - zum Beispiel was Genossenschaften falsch machen. Es ging aber auch um Gert Aldingers eigenen Generationenwechsel, als er den Betrieb von seinem Vater übernahm: Er spricht vom “Kampf der Generationen”. Im zweiten Teil des Interviews mit Gert Aldinger und Matthias Aldinger geht’s jetzt darum, wie permanente Innovation seit den 70er Jahren zum Motor für das Weingut wurde und es an die Spitze Deutschlands, Württembergs sowieso, gebracht hat. Und Matthias Aldinger erzählt, wie sie den High-End-Markt bespielen - und ob es bei ihm und seinem Vater auch zum Kampf der Generationen kam. Viel Spaß beim Lesen!

Und weil es auch im WeinLetter #101 viel um Innovation geht, stelle ich noch kurz ein Projekt von WeinLetter-Expertin Laura Ehm vom Weincampus in Neustand vor, das Unterstützung braucht. Es geht um Blockchain in der Weinbranche.

Und jetzt empfehlt (und shared) diesen WeinLetter bitte. Unterstützt den WeinLetter gerne auch finanziell und werdet aktives Mitglied! (Si apre in una nuova finestra) Aber vor allem:

Trinkt friedlich!

Euer Thilo

“Müssen der Konkurrenz Anteile abluchsen”: Matthias, Gert und Hansjörg Aldinger (v. l.) FOTO: KLAUS GAMBER

Interview mit Gert und Matthias Aldinger: “Du musst offen, experimentierfreudig und hungrig bleiben”

Interview Franz Untersteller und Thilo Knott

WeinLetter: Herr Aldinger, was waren die wichtigsten Innovationen, um die Aldingers von einem Literflaschen-Betrieb in ein Fünf-Trauben-Weingut zu transformieren?

Gert Aldinger: Ich glaube, es waren zwei wichtige Schritte: Hohe Qualität mit einer trockenen Weinstilistik und die extreme Abkehr von der Masse. Wir waren ein Fünf-Hektar-Betrieb und wollten wachsen. Uns wurde eine neuneinhalb Hektar-Fläche angeboten, die Lage Untertürkheimer Gips. Das ist heute quasi eine Monopollage. Im Kaufvertrag hat der Verkäufer reinschreiben lassen: Die Weine dürfen nur trocken ausgebaut werden – weil er das auch so gemacht hat. Für uns ein Zufall und ein Segen zugleich. Denn hast du ein Stück Fellbacher Lämmler gekauft? Dann hat es den damals von Weingütern und Genossenschaften, einmal halbtrocken oder trocken gegeben. Die Lage Gips? Da hieß es dann plötzlich: Der ist vom Aldinger, der ist trocken. Die Übernahme des Untertürkheimer Gips hat schlussendlich die Marke Aldinger begründet.

Hier geht’s zum WeinLetter #100 und Teil 1 des Gert-Aldinger-Interviews! (Si apre in una nuova finestra)

WeinLetter: Das hätten Sie aber nicht mit trockenen Literflaschen geschafft.

Gert Aldinger: Das war der zweite große Schritt. Man kann sich das gar nicht mehr vorstellen: Mitte der 80er Jahre haben wir noch 150.000 bis 200.000 Literflaschen produziert. Nach der Abfüllung im März und April standen die Leute Schlange, in den beiden Monaten hatten wir 40 Prozent unseres Jahresumsatzes gemacht. Ein Trick waren Koppelungsgeschäfte: Wenn du einen Weißen brauchst, musst du noch so und so viele Rote abnehmen. Ein Wahnsinn! Ich habe aber damals gemerkt: Die Kunden wurden immer älter und die Jungen sind weggebrochen. Der Weinkonsum wurde immer internationaler. Das ging rasend schnell. Ich wusste: Wir mussten die Toskana-Fraktion und die Primitivo-Liebhaber wieder zurückgewinnen. Das waren ja allesamt Konsumenten trockener Weine. Aber eben von Weinen aus Italien, Frankreich oder Spanien. Das hätten wir mit den Trollinger-Literflaschen nicht mehr zurückgeholt.

“Gert Aldinger: Du gewinnst das nicht mit den Nobel-Karossen des VDP”

WeinLetter: Das ist jetzt die Situation, vor der die Weinbranche steht: Die Deutschen trinken immer weniger deutsche Weine – sondern zu 60 Prozent Weine aus Frankreich, Spanien, Italien. Primitivo statt Pinot Noir?

Gert Aldinger: Jeder Betrieb muss der Konkurrenz wieder Anteile abluchsen. Aldinger-Weine bekommst du heute zum Beispiel in vielen italienischen Restaurants. Das war hart erkämpft. Du gewinnst das auch nicht nur mit den Luxus-Weinen, den Großen Gewächsen, den Nobel-Karossen des VDP. Um mal nicht wieder auf die Genossenschaften loszugehen.

WeinLetter: Sondern?

Gert Aldinger: Du gewinnst es im zehn bis 15 Euro Bereich. Da macht der VDP gerade eine Nummer, die nicht gutgehen kann. Sie setzen alles auf die großen Lagen, die Großen Gewächse. Die verlieren aber die Basis und das geht auf Dauer nicht gut. Ich bin auch im VDP, stand jahrelang beim VDP Württemberg an der Spitze. Aber ich weiß auch, wieviel Wein ich nach Stuttgart reinbaggere. Wir beliefern zum Beispiel die Staatsoper und das Staatstheater. Da kannst du nicht knochentrockene, säurebetonte Rieslinge anbieten. Da musst du Kompromisse machen. Nicht was die Qualität, aber was das Geschmacksbild angeht. Du musst auch die Basis bedienen können – nicht nur die Großen Gewächse. Und dann musst du immer mal wieder ein großes Ding drehen. Du musst immer mal was Verrücktes machen. Einen Trollinger Rosé für 100 Euro. Das war der Knaller!

Matthias Aldinger betritt die Probierstube. Mit seinem Bruder Hansjörg hat er den Betrieb übernommen. Trollinger Rosé war ihre Idee.

Matthias Aldinger: “Es muss die Krise geben, damit sich die Weinbranche wieder bewegt”

Matthias Aldinger: Grüß Gott!

Gert Aldinger: Jetzt kannst du dich hier einklinken, Chef! Wo geht der Wein hin? Wie machen wir den Konsum wieder flott?

Matthias Aldinger: Das Problem ist der 5- bis 10-Euro-Bereich. Nicht unser Luxus-Segment. Es wird prinzipiell weniger Wein getrunken. Und es wird doppelt so viel Wein konsumiert in Deutschland als hier produziert wird. Da musst du ansetzen: Die Deutschen müssen wieder Wein aus der Region trinken. Und eigentlich ist die Entwicklung gar nicht schlecht!

WeinLetter: Wie meinen Sie das?

Matthias Aldinger: Vielleicht muss es diese Krise geben, damit sich die Weinbranche wieder bewegt. Jahrelang hat es an der Kreativität gefehlt, es ist gelaufen – und gut war’s. Dies führte in die Krise, aus der man nur mit Kreativität rauskommen kann. Und wir sind ja nicht die einzigen Jungen, die hier Lust darauf haben, sich immer weiterzuentwickeln. Den Trollinger Rosé habt ihr schon erwähnt?

Gert Aldinger: Ja.

Gert Aldinger: “Wir ernten heute früher, die Trauben müssen noch Biss haben”

Matthias Aldinger: Unsere Aufgabe ist es, ständig Neues für den High-End-Markt zu entwickeln.

Matthias Aldinger geht kurz in den Keller und kommt mit zwei Weinflaschen wieder. Einmal rot, einmal weiß. „MARCÈNE“ steht drauf. Und: „Wein aus französischen Trauben“. MARCÈNE ist abgeleitet von Marsanney, einem Anbaugebiet im Norden der Cote de Nuits.

Matthias Aldinger: Das ist ein Fantasiename. Wir haben uns immer gefragt: Was bedeutet denn: Schmeckt burgundisch. Burgundisches Vorbild. Burgundisch ausgebaut. Wie schmeckt eigentlich burgundisches Terroir mit eigener, schwäbischer Handschrift?

WeinLetter: Sie machen jetzt Aldinger-Weine im Burgund?

Matthias Aldinger: Nein. Wir machen die Burgunder in Fellbach. Wir haben einen bio-dynamischen Winzer gefunden, der uns Trauben verkauft. Wir fahren am Abend hin, lesen die Trauben um 6 Uhr, verladen sie in den Kühltransporter, um 10 Uhr war ich schon wieder auf der Autobahn. In Fellbach angekommen haben wir die Trauben sofort verarbeitet. Ein Barrique weiß, ein Barrique rot. 400 Liter Chardonnay, 400 Liter Spätburgunder.

WeinLetter: Die Flasche kostet…

Matthias Aldinger: …120 Euro.

WeinLetter: Das ist mehr als ein Werbegag?

Matthias Aldinger: Es geht darum, dass du offen für Neues, experimentierfreudig, hungrig bleibst. Wenn wir das auf Champagne, Rhone, Bordeaux ausweiten, dann nennen wir die Linie Tour de France.

WeinLetter: Ihr Vater hat vom Kampf der Generationen gesprochen, als er über das Verhältnis zu seinem Vater sprach. Wie schwer hatten sie es?

Matthias Aldinger: Mein Vater hat es schwer gehabt. Bei uns hingegen gab’s überhaupt keine Probleme. Er hat sich für unseren Geschmack fast zu viel rausgezogen. 2007 wurde ich Kellermeister, wir probieren aber immer noch alles zusammen. Du musst einerseits deine Marke, deine Linie halten: Wir machen keinen alkoholfreien Wein oder alkoholfreien Sekt, das passt nicht zur Marke und würde sie vielleicht sogar kaputt machen. Du musst dich andererseits aber auch verändern – was das Geschmacksbild angeht.

Gert Aldinger: Die größte Veränderung durch meine Jungs, so um 2012 war das, war die Umstellung des Erntezeitpunkts. Wir ernten heute viel früher, die Trauben müssen noch Biss haben.

Matthias Aldinger: “Dann nennen wir es künftig Remstal Valley”

Matthias Aldinger: Sie müssen al dente sein wie Spaghetti. Jetzt haben wir frische Große Gewächse mit 12 oder 12,5 Volumenprozent Alkohol. Ohne Restzucker. Früher waren das 14-Prozent-Kaliber. Dieses Geschmacksbild setzt sich auch international durch.

Gert Aldinger: Es hat sich international herumgesprochen, dass die Deutschen sehr gute Pinot Noirs und Chardonnays machen, allerdings nur ein Drittel der teuren Burgunder kosten. Bei gleicher Qualität.

WeinLetter: Die Qualität deutscher Weine war in der Spitze noch nie so gut. Das macht Hoffnung?

Matthias Aldinger: Ja, das braucht vielleicht sogar nochmal eine Generation, bis sich das durchsetzt. In Württemberg zeigt sich zudem, wie viel Potenzial noch vorhanden ist.

WeinLetter: Sie meinen nach oben wegen des ewig schlechten Trollinger-Images?

Matthias Aldinger: Ja, wir haben keine guten Voraussetzungen. Württemberg ist mit Sachsen und vielleicht Franken das vielleicht unbeliebteste, auf jeden Fall unterschätzteste Weinanbaugebiet Deutschlands. Dann müssen wir eben anfangen, in kleineren Einheiten vermarkten. Wenn die Marke nicht mehr Württemberg ist, dann nennen wir es künftig Remstal Valley.

Hier geht’s zum WeinLetter #100: Die Gert-Aldinger-Story, Teil 1 (Si apre in una nuova finestra)

“Ich weiß, wieviel Wein ich nach Stuttgart reinbaggere”: Gert und Sonja Aldinger FOTO: KLAUS GAMBER

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Nachhaltiger, transparenter, fairer durch Blockchain? Laura Ehm, Professorin am Weincampus in Neustadt, will das genau wissen FOTO: WEINCAMPUS NEUSTADT

Was macht eigentlich WeinLetter-Expertin Laura Ehm? Crowdfunden für ein Blockchain-Wein-Projekt – speziell für Weinbetriebe

Laura Ehm ist Marketing-Professorin am Weincampus in Neustadt a. d. Weinstraße. Und eines ihrer Themen ist die Frage, ob Digitalisierung der Weinbranche hilft, besser durch die Krise zu kommen. Sie hat im WeinLetter schon häufiger die Marktsituation in Deutschland und Special-Wein-Themen analysiert (zum Beispiel hier zu Sommerweinen (Si apre in una nuova finestra)oder hier zur digitalen Transformation der Weinbranche (Si apre in una nuova finestra)). Jetzt hat sie ein Forschungsprojekt initiiert, für das sie vom Land Rheinland-Pfalz schon 200.000 Euro zugesichert bekommen hat, aber noch 100.000 Euro aufbringen muss – und zwar vor allem von Weinbetrieben, die direkt am Forschungs-Projekt teilnehmen und die Erkenntnisse direkt nutzen können.

Um was geht’s? Es soll untersucht werden, wie Blockchain-Technologie den Weinhandel nachhaltiger, transparenter und fairer machen kann. Blockchain soll helfen, die Herkunft, Lagerbedingungen und Echtheit von Weinen fälschungssicher nachzuweisen – zum Nutzen der Konsumenten. Es geht auch um nachhaltige Zertifizierung der Weine, was für Verbraucher ein Kaufargument sein könnte. Und schließlich könnte es sein, dass Blockchain den Handel digitalisiert, ohne den Wein ständig in der Gegend herumfahren zu müssen. Schließlich sind Logistikkosten ein ökonomischer Faktor in den Budgets von Weingütern und Weinhändlern – der ökologische Faktor ist hier genauso wichtig.

Wer mehr über das spannende Projekt wissen will? Hier kannst Du das Blockchain-Projekt unterstützen und als Weinbetrieb von innovativen Technologien profitieren. (Si apre in una nuova finestra)

Oder nimm‘ direkt Kontakt mit Laura Ehm auf: laura.ehm@hwg-lu.de (Si apre in una nuova finestra)

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