So läuft’s gerade beim Flaneur – ein Blick hinter die Kulissen
Letzte Woche gab es keinen Newsletter – und das hatte einen guten Grund: Ich war in Hamburg, beim Internationalen Sommerfestival am Kampnagel. Dort durfte ich den Wiener Flaneur vorstellen, über Wien sprechen und über die Idee, Journalismus einmal anders zu denken. Dass der Flaneur auch außerhalb Wiens auf Interesse stößt, freut mich sehr – und ich nehme diesen Rückenwind mit zurück. Bevor wir zum eigentlichen Newsletter kommen …
… ein Blick hinter die Kulissen: Der Flaneur lebt von zwei Dingen – deinem Interesse an Wien und deiner Unterstützung unserer Arbeit. Im Moment sind wir 43 Abonnent*innen, die das Projekt finanziell tragen. Das ergibt rund 365 Euro im Monat. Genug, um diesen Newsletter Woche für Woche zu schreiben. Aber zu wenig, um das volle Potenzial auszuschöpfen.
Mein Ziel bleibt: ein wöchentlicher, informativer Newsletter – als Pendant zu dem, was es in Wien an kostenlosen Medien gibt. Die Printausgabe des Wiener Flaneur ist bisher zwei Mal herausgekommen. 115.000 Haushalte damit zu erreichen, ist der Anspruch: die Wirkung von anders gedachtem Lokaljournalismus zu zeigen, der nicht nur Schlagzeilen wiedergibt, sondern hinter die Kulissen schaut, nachfragt, einordnet.
Diese Printexemplare werden zusätzlich von Werbekooperationen getragen – doch um diese akquirieren zu können, brauche ich Ressourcen. Ich bemühe mich, alles unter einen Hut zu bekommen, das lässt sich mit einem 30-Stunden-Job manchmal nicht ganz reibungslos vereinbaren.
Über 800 Menschen lesen den Newsletter bereits regelmäßig. Für viele bleibt er kostenlos, weil Journalismus, der Demokratie erlebbar macht, nicht am Geld scheitern darf. Möglich wird das durch jene, die ein Abo abschließen und damit auch alle anderen mittragen.
Was steckt in so einem Newsletter? Ich gehe in die Bezirke, dorthin, wo die Politik oft klein wirkt – und wo sie gleichzeitig am direktesten ins Leben eingreift. Ich lese Protokolle, kuratiere Informationen und frage mich: Wie viele Wiener*innen betrifft dieses Thema? Warum entzündet sich daran Streit? Wer stellt die Anträge – und was geschieht mit ihnen? Demokratie beginnt nicht im Parlament, sondern vor deiner Haustür. Und genau dort will der Flaneur ansetzen.
Warum ich das erzähle? Weil der Flaneur nur so funktioniert: gemeinsam getragen. Jede Weiterempfehlung, jedes Abo, jedes „Schau mal, das könnte dich interessieren“ macht den Unterschied. Es ist ein Projekt im Werden – und du bist Teil davon.
Erinnern im Gemeindebau – Stadtrundgänge gegen das Vergessen
Vor vierzehn Tagen hissten Vertreter*innen aller Religionsgemeinschaften die Fahne der Jüdischen Gemeinde am Campus der Religionen. Zuvor war sie von Unbekannten heruntergerissen und beschädigt worden. Bürgermeister Michael Ludwig sagte: „Wir lassen uns nicht auseinanderdividieren.“ Worte, die im 80. Jahr nach der Befreiung Wiens schwerer wiegen als sonst. Sie erinnern daran, dass Erinnerung nicht abstrakt ist, sondern Orte und Menschen hat.
Genau dort setzen die Stadtrundgänge durch Wiens Gemeindebauten an. Sie erzählen vom Leben jüdischer Bewohner*innen, die delogiert wurden, und vom Widerstand, der in den Häusern geleistet wurde. 400 Wiener*innen haben bereits teilgenommen, nun geht es nach der Sommerpause weiter.
Termine für die kommende Woche im Überblick:
Fr., 29. August 2025 – 17:30 Uhr (1. Bezirk)
Spaziergang durch die Innenstadt, beginnend bei einem Gemeindebau aus der NS-Zeit. Thematisiert werden u. a. Delogierungen jüdischer Wiener*innen und die Widerstandskämpferin Irene Harand.Sa., 30. August 2025 – 10:00 Uhr (7. & 8. Bezirk)
Rundgang durch Josefstadt und Neubau, mit Geschichten u. a. über den jungen Erich Lessing und seine Mutter Margit, die aus einem Gemeindebau delogiert wurden.Sa., 30. August 2025 – 14:00 Uhr (5. Bezirk, Margareten)
Start in der Brandmayergasse 27. Erzählt wird vom kommunalen Wohnbau im NS-Wien, vom Widerstand im Bezirk und den Delogierungen jüdischer Bewohner*innen.
Anmeldung & Teilnahme:
Kostenlos, aber verpflichtend
Maximal 20 Personen pro Spaziergang
Telefonisch bei Wiener Wohnen: 05 75 75 75
Oder per Mail: wrw_veranstaltungen@viennacommunications.com (Si apre in una nuova finestra)
Alle Termine findest du hier:
https://nievergessen.wienerwohnen.at/stadtfuehrungen (Si apre in una nuova finestra)Lange Nacht der Wiener Märkte
Am Freitag, den 29. August, öffnen Wiens Märkte bis 23 Uhr. 17 städtische Märkte und zwei Wochenmärkte laden zur 4. Langen Nacht der Märkte – mit Musik, Flohmärkten, Gewinnspielen. Märkte sind Orte, an denen Wien noch atmet. Hier treffen sich die Nachbar*innen, hier wird gefeilscht, gelacht, gestritten.
Unsere Tipps:
Meidlinger Markt (12. Bezirk): Alex Miksch & Friends im Fladenladen (20–21:30 Uhr), DJ-Night bei Vintage Vinyl Vienna (19:30–22 Uhr).
Johann-Nepomuk-Vogl-Markt (18. Bezirk): Ein fast unentdeckter Platz, gemütlich, mit Grätzl-Flohmarkt.
Programm: Lange Nacht der Märkte (Si apre in una nuova finestra)
Wusstest du, dass du Events kostenlos in unseren digitalen Kalender eintragen kannst? Wenn du Veranstalter*in bist oder Events kennst, die unbedingt besucht werden sollten, trage sie gerne hier kostenlos ein (Si apre in una nuova finestra). Klicke dazu rechts oben auf “Termin mitteilen”.
Wenn Tradition auf den Klimawandel trifft – die Fiaker-Studie
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Ein Fiaker in der Wiener Innenstadt wirkt wie ein Relikt aus einer anderen Zeit. Doch die Diskussion um seine Zukunft ist hochaktuell. Tierschutzorganisationen kritisieren seit Jahren die Arbeitsbedingungen bei Hitze und Regen. Nun läuft eine wissenschaftliche Studie: Zwölf Pferde werden ein Jahr lang begleitet, Blut- und Speichelproben genommen, Körpertemperaturen gemessen, GPS-Daten ausgewertet. Eine Tierärztin ist bei jeder Fahrt dabei.
Ziel: belastbare Fakten, ob und wie Pferde in Zeiten des Klimawandels noch eingesetzt werden können. Die Ergebnisse sollen nicht nur für Fiaker gelten, sondern auch für Sportpferde. Für Wien geht es damit um mehr als Nostalgie – um die Frage, wie Tradition und Verantwortung zusammenfinden.
Pier 22 – ein Ort, der Fragen aufwirft
27 Millionen Euro investiert die Stadt in die Neugestaltung der ehemaligen Sunken City. Auf den Plänen klingt alles verheißungsvoll: ein „architektonisch unverwechselbarer Ort“ mit barrierefreiem Zugang zum Wasser. Doch beim näheren Hinsehen bleibt von echter Barrierefreiheit wenig übrig: Rampen und Flächen sind nicht so gestaltet, dass Menschen mit Behinderung sie selbstbestimmt nutzen können.
Meine Kollegin Sarah Marie Piskur (sie schreibt für Mein Bezirk) weist darauf hin: Barrierearmut ist nicht Barrierefreiheit. Die Frage dahinter: Genügt es, ein Projekt „modern“ zu nennen – oder müssen wir endlich konsequent barrierefrei denken?
https://www.meinbezirk.at/wien/c-lokales/in-wien-fehlen-barrierefreie-gratis-wasserzugaenge_a7471183 (Si apre in una nuova finestra)Neues im Kuratorium Theater, Tanz, Performance
Ab der nächsten Einreichfrist am 15. September 2025 arbeitet das Kuratorium in neuer Konstellation. Neu dabei ist Melika Ramić. Sie löst Kathrin Bieligk nach viereinhalb Jahren ab. Johanna Figl betreut noch den Herbsttermin und übergibt Anfang 2026 an Martin Thomas Pesl. Weiterhin bleibt Sandra Umathum im Gremium.
Was gefördert wird:
Einzelförderungen (Projekte): Unterstützung für einzelne Produktionen in allen Bereichen der Darstellenden Künste. Gefördert werden produktionsgebundene Sach- und Personalkosten inkl. Aufführungskosten. Förderhöchstsumme: 70.000 €. Mehr Infos (Si apre in una nuova finestra)
1-jährige Gesamtförderung: Für Projektreihen oder große Einzelprojekte mit längerem Vorlauf und höherem Aufwand. Förderbar sind Produktions- und Aufführungskosten sowie allgemeine Ausgaben für den Jahresbetrieb. Mehr Infos (Si apre in una nuova finestra)
2-jährige Gesamtförderung: Für Künstler*innen mit nachgewiesener Kontinuität und mindestens einer bereits erhaltenen Projektförderung. Voraussetzung: pro Jahr mindestens eine neue Produktion in Wien. Gefördert werden Produktions- und Aufführungskosten sowie Kosten für den laufenden Betrieb. Mehr Infos (Si apre in una nuova finestra)
Frist: 15. September 2025
Für Projekte im 2. Halbjahr 2026
Für 1-jährige Förderung im Jahr 2027
Für 2-jährige Förderung (2027/28)
Aus den Bezirken – Juni-Sitzungen
Es tut sich was! Die ersten Protokolle und Anträge aus den Juni-Sitzungen werden nach und nach online gestellt. Während in der großen Politik oft über Schlagzeilen gestritten wird, fallen in den Bezirken die Entscheidungen, die unser tägliches Leben spürbar machen. Die Sitzungen im Juni zeigen: Klimaschutz vereint, Ideologie spaltet.
Ein erster Auszug:
Hitzeinseln im Visier
In Margareten brachte die SPÖ gleich acht Anträge ein, um die drückende Sommerhitze abzufedern. Sprühnebel-Anlagen sollen an Orten wie dem Siebenbrunnenplatz oder dem Margaretenplatz für Abkühlung sorgen. Bemerkenswert: Alle Anträge wurden einstimmig beschlossen – ein seltener Moment parteiübergreifender Einigkeit.
Protokoll Margareten 25.6.2025 (Si apre in una nuova finestra)
Touristenbusse contra Wohnqualität
Die Ramperstorffergasse wurde zuletzt von Reisebussen blockiert, die Tourist*innen zu einem Duty-Free-Shop brachten. Für die Anrainer*innen hieß das: Lärm, Abgase und Chaos. SPÖ und KPÖ-LINKS setzten durch, dass ein Alternativkonzept erarbeitet wird. Busse sollten dabei künftig an einer offiziellen Haltestelle außerhalb der Wohnstraße halten müssen – beschlossen mit breiter Zustimmung ( zum Antrag (Si apre in una nuova finestra)).
Gender-Debatte um den „Walk of Fem“
Die NEOS wollten nach Linzer Vorbild Frauen sichtbar machen, die für LGBTIQ-Rechte und Emanzipation stehen. SPÖ, Grüne und KPÖ-LINKS stimmten zu, FPÖ und ÖVP dagegen. Das Thema ist brisant: Vorgeschlagen sind: Smaragda Berg, Helga Pankratz, Ines Rieder, Margarete Schütte-Lihotzky oder Helene Kafka. Als Ort wird der Fußgänger*innenweg entlang des Wientals angedacht. (zum Antrag (Si apre in una nuova finestra))

Ein Platz für Trude Fleischmann
In der Leopoldstadt geschah Seltenes: Alle sechs Parteien beantragten gemeinsam die Benennung eines Platzes nach der Fotografin Trude Fleischmann – ein Zeichen, dass Kultur politische Gräben überbrücken kann (Protokoll Leopoldstadt 17.6.2025 (Si apre in una nuova finestra)).
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Weißt du, in welcher Besatzungszone, du vor 80 Jahren gelandet wärst?
Bei mir wären es die Franzosen geworden. Das habe ich in der Ausstellung im Wien Museum erfahren. Ich muss gestehen, dass ich nur in das Museum gegangen bin, weil ich der Hitze in Wien entfliehen wollte. Umso mehr war ich positiv von der Sonderausstellung im Wien Museum überrascht und möchte sie dir an dieser Stelle nochmal empfehlen.
„Kontrollierte Freiheit – Die Alliierten in Wien“: über Besatzung, Kulturpolitik und den Beginn der Entnazifizierung.
Für Architektur-Liebhaber*innen empfehle ich zusätzlich:
„Eisenbeton – Anatomie einer Metropole“: Wie Wiens Prachtbauten durch eine neue Bauweise möglich wurden.
Ein großes Danke, dass du jede Woche mitliest, dass du deine Gedanken zurückspielst, dass du diesen Newsletter teilst. Danke an alle 43 Abonnent*innen, die den Wiener Flaneur bereits unterstützen – ihr macht es möglich, dass wir Woche für Woche weiter recherchieren, erzählen und hinter die Kulissen schauen können.
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Ich freue mich, wenn du mit diesem Newsletter ein paar Inspirationen für die kommende Woche mitnehmen konntest. Wenn es etwas gibt, was dringend in den nächsten Newsletter gehört, lass es mich wissen. Und: Ich freue mich immer über dein Feedback, deine Anregungen und Verbesserungsvorschläge.
Bis nächste Woche wünsche ich dir eine gute Zeit!
Alexandra Folwarski
Herausgeberin, Wiener Flaneur