„Und doch geh ich nicht…“
„Im Land der Schatten, da werd’ ich geborgen sein…“
(aus: „Trauriger Sonntag“ – deutsche Version von „Gloomy Sunday“ / Musik: Rezső Seress, dt. Textfassung aus dem Film „Ein Lied von Liebe und Tod – Gloomy Sunday“)
Manchmal ist es eine trügerische Einladung die so süß klingt, dass sie uns an einen Ort mitnimmt, wo wir allein sind, wo wir uns zurückziehen – und leider manche dort auch den Weg finden, der sie fort von allem bringt.
Das Land der Schatten.
Wie oft standen wir schon vor seinen Toren und dachten: Geh’ ich durch? Schließe ich die Augen? Wage ich den Schritt in das Unbekannte?
In ein Leben, das nicht mehr von dieser Welt ist.
Ein Leben, das außerhalb dessen liegt, was mein Herz verschleiern ließ.
Ein Leben, das nur noch Drogen aufrichten konnten, das Alkohol nur noch betäuben ließ.
Das dich entfernte von den inneren Schreien des Herzens, das angekettet in deinem inneren liegt…
Jeder, der im Leben schon einmal an diesem Punkt gestanden hat, weiß, dass es ein schmaler Grat ist – zwischen Wirklichkeit und Fantasie – nicht zu fallen.
Jeder hat auf seine Art und Weise seinen Weg dorthin gefunden:
Manche den harten Weg, andere einen sanften. Und wieder andere verirren sich dorthin, weil das Leben sie vergessen oder niedergetrampelt hat.

Das Tor zur Schattenwelt…
Aber was ist dieses Tor, das so einladend erscheint?
Ein Ort, an dem ich Ruhe finde.
Ein Ort, an dem ich nur noch ein verblassender Rauch einer Zigarette bin.
Dieser Ort, der mir so viel Freiheit und Geborgenheit verspricht, dass ich ihn nur noch erreichen möchte.
Aber es ist ein Ort der Dunkelheit. Der Endgültigkeit.
Der letzten Stufe der Einsamkeit in deinem nun beendeten Leben.
Der Tod ist der Preis, den du am Eingang bezahlst.
Es gibt keinen Austritt. Es gibt keine Rückkehr mehr. Endgültig.
Dein Licht verschwindet für immer im Land der Schatten,
und übrig bleibt ein letzter Rauch, der im Dunst verschwindet – und es ist zu Ende.
Stille. Ewige Stille.
Ich höre nicht das Weinen der anderen, das Klagen und die Trauer vor der Tür,
wo mein Name kurz aufflackert
und dann in der Erinnerung der Herzen übrig bleibt –
bis ich vergessen bin in den Annalen der Gedanken
und gänzlich im Land der Schatten verschwunden bin.
Dieser Punkt ist der schlimmste, den man im Leben erreichen kann.
Und wir alle waren auf die eine oder andere Weise schon einmal dort.
Wenn du dort angekommen bist, ist es erst einmal nicht mehr wichtig, warum –
sondern nur, dass du diesen Ort verlässt.
Lebend.
Lebendig.
Das Leichteste ist es, seine Seele an der Tür abzugeben.
Den finalen Schritt, Schnitt, Piks oder Schuss zu tätigen –
und du bist Teil dieser wundervollen, grausamen Welt hinter der Tür.
Aber der schwerste Weg ist es, der Verführung dieser Tür zu widerstehen.
Einen Schritt zurück zu machen.
Zurückzugehen – dorthin, wo der Schrecken war, vor dem du geflohen bist.
Das ist die mutigste Tat deines Lebens.
Und sie ist still.
Unbemerkt.
So leise, dass sie nur die sehen, die wirklich hinschauen.
Die achtsam sind.
Die verstehen – und begleiten können.

Es braucht keine Selbstachtung.
Und auch keinen Lebenswillen, um eine Entscheidung gegen diese Tür zu treffen.
Was es braucht, ist der letzte Rest an Mut –
in deinem Herzen, deinem Körper, deinem Geist –
dich von dieser Tür zu entfernen
und wieder zurückzugehen.
Aber – und das verspreche ich dir –
das ist kein Weg zurück in die Hölle.
Es ist der erste Schritt hinaus aus der Hölle.
Aus persönlicher Erfahrung weiß ich:
Jeder Schritt, sei er noch so klein, noch so zaghaft,
muss zuerst allein getan werden.
Denn dann –
dann hast du den Respekt vor dir selbst wieder aufflackern sehen.
Und bemerkt,
dass dein Licht – so klein und unbedeutend es scheint –
wieder zu leuchten beginnt.
Wenn du diesen Schritt geschafft hast,
mein Freund, mein Kind, mein Bruder, meine Schwester –
dann ist dies der Tag,
an dem die Welt dein Leben feiert.
Denn du hast dich für den harten Weg entschieden.
Ich verspreche dir:
Die ersten Schritte sind orientierungslos.
Zaghaft.
Aber mit der Zeit wird daraus ein fester Lauf.
Ein Ziel.
Eine Reise.
Und beachte, wer sich deinem Weg nach und nach anschließt:
Deine Familie (sofern vorhanden),
neue oder alte Freunde,
und Menschen,
die dein Leben füllen –
einfach nur, weil du gesagt hast: Ja. Ich brauche Hilfe.

Gib dich niemals auf.
Niemals.
Dein Leben ist so wertvoll –
auch wenn niemand da ist, der es gerade bemerkt.
Ich will dir sagen:
Ich sehe dich.
Mitten in dein Herz.
Bitte bleib.
Halte inne –
für einen kurzen Moment.
Konzentriere dich auf dein Herz
und such das kleine Licht,
das in der Düsternis deines Innersten verloren gegangen ist.
Was will ich sagen?
Es gibt keine Worte,
die beschreiben, wie schnell man an dieser Tür steht.
Aber ich will dich darauf aufmerksam machen,
wie schwer es ist, dieser Tür den Rücken zu kehren.
Und das ist der mutigste Schritt deines Lebens.
Denn nichts und niemand hat das Recht, dich kleinzumachen.
Und wenn es dein Herz ist, das dich selbst zerstört –
dann ist selbst das nicht deine Schuld.
Geh zurück in dein Herz
und erfasse das Leben –
so grausam es auch erschienen sein mag –
an einem kleinen Zipfel
und lass dich führen, wohin es geht.
Ich will dir sagen:
Du bist nicht allein.
Niemals.
Pass auf dich auf.
Du bist zu wertvoll, als dass wir dich verlieren –
im Land der Schatten.
Sondern wir –
im Licht eines anderen Herzens –
sehen dich.
Und wir lernen gemeinsam wieder,
ein Feuer zu entfachen,
das das Leben erträglich macht –
und vielleicht sogar verbessert.
☎️ Wenn du Hilfe brauchst: Du bist nicht allein.
Wenn du gerade an einem Punkt bist, an dem es dunkel wird –
wenn du das Gefühl hast, niemand hört dich oder versteht dich –
dann ist es kein Zeichen von Schwäche, Hilfe zu holen.
Es ist ein Zeichen von Leben.
📞 Telefonseelsorge (kostenfrei & anonym):
0800 / 111 0 111 oder 0800 / 111 0 222
🌐 www.telefonseelsorge.de (Opens in a new window)
24 Stunden erreichbar. Jeden Tag.
Egal, wo du gerade stehst – du musst diesen Weg nicht alleine gehen.
📌 Urheberrechtlicher Hinweis zur Liedzeile
„Im Land der Schatten, da werd’ ich geborgen sein…“
stammt aus dem Lied „Trauriger Sonntag“, der deutschen Version von „Gloomy Sunday“
Musik: Rezső Seress
Deutscher Text: bekannt aus dem Film „Ein Lied von Liebe und Tod – Gloomy Sunday“
Regie: Rolf Schübel · Drehbuch: Ruth Toma · Musik: Detlef Friedrich Petersen
Dieses Zitat wird ausschließlich im Rahmen einer künstlerischen Auseinandersetzung verwendet.
Die Monetarisierung dieses Blogs bezieht sich ausschließlich auf eigene Inhalte des Autors.
Die Zeile dient der emotional-literarischen Kontextualisierung – nicht der kommerziellen Nutzung des Liedtextes.
🎧 Playlist beim Schreiben & Nachdenken:
Gloomy Sunday – Original Soundtrack
Der gesamte Text entstand im Hörfluss des folgenden Soundtracks:
Intro from Gloomy Sunday – Budapest Concert Orchestra Foundation
Gloomy Sunday – Budapest Concert Orchestra Foundation
Gloomy Sunday – Heather Nova
András spielt – Piano Thema
András und Ilona – Orchestra Version
Ilona’s Lied – Budapest Concert Orchestra Foundation
Gloomy Sunday – Marianne Faithfull
Gloomy Sunday – Vasárnap, Szomorú
Dreisamkeit – Budapest Concert Orchestra Foundation
Gloomy Sunday – Erika Marozsán
Abschied – Budapest Concert Orchestra Foundation
Immer nur trinken – Selmeczy, György
Gloomy Sunday – Elvis Costello
László in Gefahr – Budapest Concert Orchestra Foundation
Ilona’s Gelöbnis – B. C. O. Foundation, Boros & Schmitt
Down in Budapest – Erika Marozsán & Dag Lauveland
Das Lied vom Traurigen Sonntag – Ben Becker