Jeder Atemzug ist ein To-do
Wie unsere Zeit wieder uns gehören kann
Wir alle kennen diesen Trend:
»Na? Wer möchte noch auf eine kleine Farm ziehen? Hühner halten, Bohnen anbauen und mit Freunden Holz zusägen? Ein kleines italienisches Dörfchen für einen Euro kaufen und dann sanieren? Oder einfach mal mit den Besties die Beine in den Baggersee halten, wenn draußen die Sonne scheint?«
Ist das nicht komisch, das keiner von uns Zeit dafür zu haben scheint?
Warum ist das ein Trend?
Weil wir keine Zeit mehr haben.
Warum haben wir keine Zeit? Weil wir uns ständig selbst optimieren.
Im Kampf gegen die Zeitfresser
Mich beschäftigt diese Frage nach der verlorenen Zeit schon länger.
Viele Dinge gelten heutzutage ja als Zeitfresser: Schlaf. Freundschaften. Erholung.
Unproduktive Zeiträume wie der Schlaf müssen jetzt aktiv genutzt werden. Überall sehe ich Rotlichtmasken gegen Falten und magnetische Nasenpflaster, die dafür sorgen sollen, dass ich perfekt atmen kann.
Warum ist das so? Weil wir alle so viel arbeiten (müssen), dass die wenige verbliebene Freizeit fast zwanghaft optimiert werden muss – genauso wie unsere Erholung und unsere Körper.
Ich will aber gar nicht das Optimum aus meinem Körper herausholen. Ich will nicht die letzten Reste meines Gehirnschmalzes zusammenkratzen und in einen Mixer werfen, in der Hoffnung, dass da am Ende noch was Verwertbares dabei herauskommt.
Dem online empfundenen Gruppendruck widerstehe ich nur schwer. Es macht etwas mit mir, wenn ich sehe, wie jeder einen Waschbrettbauch hat, eine auf die persönliche Darmflora abgestimmte Ernährung und zukünftig vermutlich auch noch eine digitale Version, die online nach dem eigenen Tod weiterlebt.
All diese Dinge sind extrem verlockend. Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass ich nicht gerne einen muskelbepackten Körper hätte.
Aber: Letztlich bringt mich das nirgendwo hin. Dieser Zwang zur Selbstoptimierung. Vor allem spart es mir keine Zeit ein.
Denn ich denke, es ist genau umgekehrt: Zeitfresser sind die Dinge, die aus jedem Atemzug eine To-do machen. Nicht die kleinen, wiederkehrenden Momente, in denen scheinbar nichts passiert.
Widerstand ist zwecklos
Was wir vergessen: Unsere Zeit gehört uns. Sie ist die eine Sache, mit der wir reichlich ausgestattet auf die Welt kommen. Wir müssen nur die richtigen Zeitfresser loswerden.
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