Saltar para o conteúdo principal

#10: Weibliche Verfügbarkeit, künstliche Weiblichkeit, natürliche Auslese

Das hetero Dating steckt in der Krise. Ist ja auch irgendwie nichts Neues. Klar, eine Partnerschaft zum Gründen einer Familie zu finden, war wahrscheinlich noch nie einfach. Aber heute ist es für viele Menschen schwieriger als noch zu Zeiten der arrangierten Ehen. Besonders für Männer. Und der Feminismus soll Schuld daran sein.

Diese Bewegung - oder besser gesagt, ihr Einsatz für reproduktive Selbstbestimmung und finanzielle Unabhängigkeit von Frauen - hat Teilen der Weltbevölkerung nämlich ein Konzept zurückgebracht, das den meisten anderen Spezies auf dieser Erde nie abhandengekommen ist: Female Choice. Die Damenwahl bei der Fortpflanzung.

Cleophonie

Mit dem Abschluss einer Steady-Mitgliedschaft unterstützt du nicht nur meine Arbeit, sondern erhälst auch Zugriff auf alle Folgen meines Podcasts “Cleophonie” auf Spotify und Steady!

Blog

Die Tatsache, dass wir ein Wort für den Teil eines Tanzabends haben, zu dem ausnahmsweise die Dame ihren nächsten Tanzpartner aussuchen darf, markiert die Besonderheit dieses Vorgehens. “Herrenwahl” brauchen wir nicht abgrenzend zu sagen, ist ja eh normal.

Aber eigentlich sind wir mit der Herrenwahl ziemlich allein auf weiter Flur, was die von Traditionalisten oft heraufbeschworene “natürliche Ordnung der Dinge” angeht. Die überwiegende Mehrheit der beobachteten Spezies auf unserer schönen Erde hält es nämlich schon lange so, dass das Weibchen entscheidet, mit wem es sich fortpflanzen wird. 

Das Austragen und Versorgen von Nachwuchs kostet nämlich viele Ressourcen und vor allem Zeit, weshalb die Qualität stimmen muss, um sich in die nächste Generation herüber zu retten. Das Zeugen hingegen geht deutlich schneller und häufiger. Weshalb es für die Weitergabe der eigenen Gene des Erzeugers auch nicht so wichtig ist, unbedingt immer das beste Weibchen auszuwählen. Stattdessen lieber Quantität über Qualität.

Jetzt kann man sich zurecht fragen, was das heute alles noch mit modernen Menschen zu tun hat. Klar, unsere Biologie beeinflusst uns. Allerdings können wir uns dieser Mechanismen bewusst werden und sie sogar teilweise manipulieren. Zum Beispiel durch Schwangerschaftsverhütung, die sexuelles Vergnügen für alle Menschen zum ersten Mal von reproduktiven Konsequenzen abgekoppelt hat. 

Aber beim Dating geht es ja nicht nur um Sex. Vielen Leuten geht es darum, eine Familie zu gründen, sprich, in Sachen Verhütung mal Fünfe gerade sein zu lassen. Und auf die Wahl des Partners oder der Partnerin für die Umsetzung des Kinderwunschs, wirken besonders ökonomische Aspekte ein.

Aber mindestens über diese eine Sache hat die Biologie in feministisch-progressiven Gesellschaften ihre Macht wieder zurück erobert: Die Person, die das Kind in ihrem Körper zusammensetzt, sucht jetzt wieder aus, wer es erzeugen soll. Auf einen heteronormativen Rahmen gespannt: Die Damenwahl ist zurück und Frauen bestimmen in weiten Teilen, mit welchem Mann sie Kinder haben wollen.

Manchmal entscheiden sie sich sogar ganz gegen einen Mann und für Solo-Mutterschaft durch Samenspende. Einen Umstand, den die Menschen, die diesen Samen produzieren, ihnen so schnell nicht nachmachen können. Und das führt momentan zu einem Massenaussterben genau der Männer, die keine Frau reproduzieren möchte. Das soll sogar auf die Mehrheit der aktuell zwischen 15 und 50 Jährigen Männer zutreffen, zumindest nach der Ansicht von Dr. Alok Kanojia (aka Dr. K von Healthy Gamer), Psychiater mit Spezialisierung auf (online) Sucht- und Verhaltensforschung. 

In einer ziemlich empfehlenswerten Folge des Podcasts “Diary of a CEO” spricht Kanojia mit Steven Bartlett (Abre numa nova janela) über das Phänomen der “mass extinction of men” und in welcher Weise er das mit der Verfügbarkeit von Pornografie und KI-Chatbots sowie durch unser nach Corona weitgehend digital mögliches Leben in Verbindung bringt.

Ich sehe seine unausweichlich klingende Verschmelzung von Masturbation mit Pornokonsum kritisch und denke, dass in diesem Interview einige Dinge als miteinander verknüpft vorausgesetzt werden, die nicht erklärt und differenziert werden. Trotzdem sind die Tipps und Perspektiven von Dr. K auf online Suchtverhalten mindestens spannend, wenn nicht sogar praktisch hilfreich, weswegen ich die Folge with a grain of salt empfehle. Nicht zuletzt, weil sie mich zu diesem Newsletter inspiriert hat.

Als ganz besonders interessant empfand ich zwei Aussagen Kanojias, die sich beide auf das Verhalten und die Wünsche heterosexueller Single-Männer auf der Suche nach einer Partnerin beziehen. 

Die erste war: “The solutions that work for successful people don’t work for unsuccessful people” und bezog sich auf Dating-Ratschläge, die sich Männer von anderen “erfolgreichen” Männern holten. Das heißt, männliche Singles, die dringend nach einer Partnerin suchen, von Männern, die in einer hetero Partnerschaft leben und eventuell auch Kinder mit ihrer Partnerin haben. 

Er veranschaulicht diese Dynamik sehr schön, indem er den “romantisch erfolgreichen” Moderator, Steven Bartlett, um Tipps bittet, die er einem Teenager-Jungen geben würde, um ebenfalls romantisch erfolgreich zu werden. Bartletts darauf folgende Ratschläge ließen sich alle gut unter "Arbeite an deinem Erscheinungsbild und deinem Intellekt, um dich attraktiv zu machen” zusammenfassen. Aber auf die Nachfrage hin, was zu tun sei, wenn dieses Vorgehen auf Dauer nicht helfen würde, hieß es: "Arbeite härter an dir”. Was in anderen Worten so viel heißen könnte wie: "Mach noch mehr von dem, was dir jetzt schon nicht hilft.”

Dass damit das Konzept vieler Manosphere-Dating-Coaches ziemlich gut auf den Punkt gebracht wurde (minus vielleicht der Misogynie), ließ mich kurz innehalten. Manchen mag es schon bewusst gewesen sein. Aber ich hatte bisher weder die Einsicht gehabt, dass Coaching dieser Art der breiten Masse gar nicht helfen soll, sondern eher gegen die Interessen seiner Kundschaft arbeitet, die die Schuld dann bei sich selbst sucht.

Noch hatte ich die Parallele zum Prinzip vieler Dating Plattformen gesehen, die sich ja auch eher ungern durch erfolgreiche Verkuppelung ihrer eigenen Nutzer*innenbasis berauben.

Jedenfalls schienen Coaching-Angebote und Ratgeber dieser Art eher zu Frustration zu führen, was die Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den Geschlechtern wahrscheinlich nochmal verschlimmert. Ist ja auch nachvollziehbar. Da macht mann schon alles, rennt täglich ins Gym, hat kein Leben neben dem Job, weil six figure income sein soll und die Alte will einen trotzdem nicht, weil man keine Bücher liest. Wann soll das denn bitte noch passieren??

Ich glaube, es wird klar, was ich meine.

Was Alok Kanojia schlussfolgert, ist, dass ein Großteil der Männer überhaupt nicht gelernt hätte, Liebe in zwischenmenschlichen Beziehungen zu empfangen und zu geben: “I was loved as a child in a way that taught me how to love and receive love. A third of the men I meet don’t know how to do that.” Dr. K führt weiter aus, dass das für die meisten ihrer potentiellen Partnerinnen mittelfristig mächtig viel Beziehungsarbeit und unerfüllte Bedürfnisse bedeute, weswegen Frauen lieber die Männer zu den Vätern ihrer Kids machten, die grundlegend liebesfähig und caring wären. 

Bedeutet das also, alle einsamen hetero Männer müssen sich grundlegend ändern? Nein. Aber sie müssen sich eventuell mit dem Gedanken anfreunden, nie auf dem klassischen Wege Kinder zu zeugen oder Vater zu sein. Oder überhaupt in einer langfristigen romantischen Partnerschaft zu leben. 

Aber irgendwie scheint das nicht so eine echte Option zu sein? Letztens stand ich bei Dussmann vor einem ganzen Regal voller Bücher, die sich an Single-Frauen in ihren Zwanzigern bis Vierzigern richten und erklären, wie man Liebe, Familie und Gemeinschaft auch abseits der heteronormativen Partnerschaft gestalten kann. Aber wo ist die entsprechende Ratgeberliteratur, die Männern erklärt, wie man über 30 und Single ist?

Bzw. wieso ist besagte Literatur so tendenziös bis eindeutig weiblich gegendert? Wäre es so abwegig auch unter Männern einen Markt für solche Literatur, also auch ein Interesse an platonischen Beziehungen oder alternativen Familienmodellen zu vermuten? Können (hetero) Männer keine Gemeinschaft? Ich dachte, sie seien so viel besser im Networking, Friedrich? 😈

Events

Ich freue mich schon sehr auf meine Lesung und Besprechung von “Gleichstellung” im Liosalon in Kreuzberg! Am 22.07. geht’s los um 19 Uhr. Meldet euch per Nachricht bei mir oder Lio Brix (Abre numa nova janela), wenn ihr euch anmelden möchtet!

Statt sich einander zuwendender Männer, die Alternativen zur Nuklearfamilie formen, um dort Liebe und Elternschaft zu erfahren, beobachtet Dr. Kanoija etwas anderes: ein verstärktes Hinwenden zu Technologie und digitalen Medien, um eben diese Bedürfnisse ansatzweise zu befriedigen. Dabei erwähnt er nicht nur Pornografie, sondern auch die mittlerweile oft medial besprochene Zuneigung, die Männer (wie auch Frauen) für KI-Chatbots entwickeln. 

Der misogyne Traum von der automatisierten Freundin, die auf Bestellung erscheint und zu jeder Zeit verfügbar ist, um jegliche Nähebedürfnisse und Bestätigungsdefizite zu (er)füllen. Der Traum ist zum Greifen nah und wird sicherlich in irgendeiner Form bald Gestalt annehmen. Der Großteil der benötigten Technologie scheint vorhanden zu sein; jetzt müssen sie nur noch herausfinden, wie man die lebensechten Sexpuppen mit ChatGPT kombiniert. Natürlich erfüllt das dann immer noch keinen biologischen Kinderwunsch, aber hey, die Babyborn gab’s auch schon als ich noch klein war. 

Jedenfalls trifft Dr. K in besagtem Podcast-Interview noch eine zweite spannende Aussage, die vor allem daher rührt, dass sein Forschungsschwerpunkt das menschliche Suchtverhalten ist. Er prognostiziert, dass die zweite Generation der KI-Partnerinnen ihrem Besitzer nicht einfach nur ständig nach dem Mund reden und alles amazing finden wird, was er will. 

Er sagt eine künstlich-intelligente Freundin voraus, die ab und zu aus unerfindlichen Gründen sauer auf ihren menschlichen Freund wird: “An “AI girlfriend loop box”. Once a month she must get mad at you because random rewards reinforce addictive behaviour. Which means that it will make your AI partner more irresistible to you. And since this is what AI was designed to do - find ways to keep you engaged with it - it will “evolve” to withdraw from you to keep you hooked.”

Ich muss zugeben, an der Stelle hab ich bitter-amüsiert geschnaubt. Eine Partnerin, ob künstlich oder natürlich, die ihren Partner immer mit netten Reaktionen belohnt, ist nicht so attraktiv wie eine unvorhersehbare Partnerin, der man es manchmal einfach nicht recht machen kann. Aber wenn man es ihr dann einmal recht gemacht hat, schmeckt die Belohnung umso süßer. 

Und zwar so süß, dass die KI-Freundin sich in ihrem Verhalten immer mehr an eine echte Partnerin annähern wird? Das ist nicht nur ironisch und unfreiwillig komisch, das weist auch in die Richtung, dass ein Geschlecht ein anderes nicht durch KI ersetzen will. Nur wieder besser verfügbar machen.

Oder um es mit den Worten von Autorin Laura Bates zu sagen: “the new age of sexism.”  (Abre numa nova janela)

Und das lässt mich mit vielen Fragen zurück. Wie wird der moderne Feminismus darauf reagieren? Überwiegen die Chancen oder Risiken der Auswirkungen von KI-Partnerschaften auf unsere Gesellschaft? Und was können wir tun, damit die Geschlechter sich wieder mehr aufeinander zu- als voneinander wegbewegen? Dass Wiederannäherung das bessere Szenario für eine gleichgestellte Gesellschaft wäre, davon bin ich überzeugt. Denn aus Begegnung entsteht Verständnis, nicht aus Abkehr.

Support

Du möchtest meine Arbeit unterstützen, aber nicht das 1000. Abo irgendwo abschließen, nur um es aus den Augen zu verlieren und umständlich kündigen zu müssen? Feel you.

Wenn du diesen Newsletter heute besonders magst, kannst du mir auch einfach einmalig dafür einen Kaffee spendieren:

https://ko-fi.com/cleolibro (Abre numa nova janela)

Herzlichen Dank!

Empfehlungen

Welche Buchempfehlung könnte hier passender sein als Meike Stoverocks “Female Choice” - die evolutionsbiologische Analyse, woher das Patriarchat kam und warum es nicht die “natürliche Ordnung” ist:

Wer sich für meine Gedanken zum Urteil im Fall Sean “Diddy” Combs interessiert und wissen möchte, was das mit sexueller Gleichstellung zu tun hat, kann das aktuell auf WELT+ nachlesen:

Slutshaming hat nichts mit Sex zu tun, sondern mit Macht über Frauen (Abre numa nova janela)

Kontakt

Du möchtest mit mir über etwas, das du bei mir gelesen oder gehört hast, sprechen? Dann kannst du mich über meine Website (Abre numa nova janela) erreichen oder mir bei Instagram eine DM (Abre numa nova janela) schreiben. Ich freue mich auf deine Gedanken!

Danke für’s Lesen und liebe Grüße von

Cleo

Dank

Merci an die subscriber des Newsletters für euren Support! Und merci beaucoup an die Abo-Mitglieder, die mit ihrem Beitrag meine Arbeit unterstützen und auch kostenlosen Content möglich machen <3

Tópico Cleographie

0 comentários

Gostaria de ser o primeiro a escrever um comentário?
Torne-se membro de Cleophonie e comece a conversa.
Torne-se membro