Wenn Musik die Sklaverei verklärt
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Hey y’all!
Letzte Woche habe ich mich mit einem Special (Abre numa nova janela) bei dir gemeldet.
Es ging darum, wie Countrymusik – neben anderen Kulturformen – immer wieder Geschichtsmythen aufgreift und dadurch für neue Generationen weiterträgt.
Und wir haben da bisher ĂĽber den wohl größten GrĂĽndungsmythos der USA gesprochen:Â
Die Expansion in den Westen.
... mit allen Untermythen, die da so dazugehören: Pioniergeist, Wildwest-Ethos, Unabhängigkeit und der amerikanische Traum.
Heute wird es aber wie schon angekündigt deutlich düsterer.
Weil nicht nur dieser eine Mythos wird in der Countrymusik immer wieder aufgegriffen ...
... auch das dunkelste Kapitel der Vereinigten Staaten kommt da hin und wieder vor.
Reden wir heute also über Sklaverei, den US-Bürgerkrieg und wie der musikalisch verklärt wurde und teils noch wird.
Herzlich Willkommen in der Honky Tonk Post.
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The Band – The Night They Drove Old Dixie Down (1969) (Abre numa nova janela)
Fangen wir dazu gleich wieder mit einem großen Klassiker der Countrymusik an, der den Trend der heutigen Ausgabe schon klar machen dürfte.
In "The Night They Drove Old Dixie Down" geht es um die Niederlage der SĂĽdstaaten im US-BĂĽrgerkrieg.
Erzählt aus der Perspektive eines einfachen Soldaten aus dem Süden.
Er beklagt darin die Niederlage selbst, das Leid, den Hunger und auch das Ende der alten Südstaatenkultur.
Vor allem eines fällt dabei aber auf: Er tut das alles ...
... ohne auch nur ein Wort ĂĽber die Sklaverei zu verlieren, um die es in diesem Krieg und in dieser "Kultur" schlieĂźlich ging.
Damit reiht sich das Lied in die sogenannte "Lost Cause"-Mythologie ein.Â
Eine Verklärung des Südens und der Gründe für den Krieg, der ich auch schon mal eine ganze Folge in meinem Geschichtspodcast (Abre numa nova janela) gewidmet habe.
Johnny Cash – God Bless Robert E. Lee (1983) (Abre numa nova janela)
Noch expliziter wird Johnny Cash dann einige Jahre darauf.
... sogar so sehr, dass er diesem Lied ein einminĂĽtiges Intro voranstellt, in dem er klar macht, dass es ihm nicht um "Nord" oder "SĂĽd" geht.
Die folgenden zweieinhalb Minuten verbringt er dann halt damit, den SĂĽdstaatengeneral Robert E. Lee zu verherrlichen, weil der durch seine Kapitulation Menschenleben gerettet hat.
Wofür diese Leute aber überhaupt gekämpft hatten? Das erachtet auch Cash als nicht weiter erwähnenswert.
Watchhouse – Wildfire (2016) (Abre numa nova janela)
In seiner Einleitung nennt Johnny Cash dabei auch gleich noch einen oft wiederholten Mythos:Â
Den Kampf Bruder gegen Bruder.
Die Vorstellung, dass im BĂĽrgerkrieg tatsächlich Familien auseinandergerissen worden wären und BrĂĽder auf unterschiedlichen Seiten gekämpft hätten.Â
... oder zumindest im übertragenen Sinne, dass doch alle in diesem Krieg Brüder waren.
Dass all das in den 1860er-Jahren erstens kaum stattfand und auch im übertragenen Sinn nicht zutrifft, ist dabei egal.
Diese Vorstellung verfingt und lebt noch heute.
Auch in diesem wirklich schönen Lied "Wildfire" hören wir dann also eine Strophe wie:
Civil war came, civil war went; brother fought brother and the South was spent
Der Bürgerkrieg kam, der Bürgerkrieg ging. Bruder kämpft gegen Bruder, und der Süden war am Ende.
Tja.
Und mit dieser Message steht der Song nun wirklich nicht alleine da.Â
Um nur noch einen bekannten Artist zu nennen: Auch Chris Stapleton machte 2013 genau dasselbe mit Two Brothers (Abre numa nova janela).Â
Ich muss wahrscheinlich nicht mehr dazusagen, was er in dem Lied nicht erwähnt …
Es gibt aber auch positive Beispiele!
American Aquarium – A Better South (2020) (Abre numa nova janela)
Eine meiner Lieblingsbands etwa, American Aquarium aus North Carolina, beklagen in "A Better South" genau das.
Diese althergebrachte Sicht auf den BĂĽrgerkrieg. Die Vorstellung aus dem "Lost Cause", dass das alles doch gar nichts mit Sklaverei zu tun hatte und dass auch etwas Gutes verloren ging.
Sie singen ĂĽber ihren SĂĽden:
To the right side of history, we're always late. Still arguing the difference between heritage and hate
Wir sind immer zu spät auf der richtigen Seite der Geschichte und streiten uns immer noch über den Unterschied zwischen Tradition und Hass.
Ein anderer Top-Künstler des Indie-Country – Jason Isbell – spricht dasselbe Thema in seinem White Man's World (Abre numa nova janela) an.
Es gibt also Bewegung.
Aber leider – wie so oft mit rückständigen Geschichtsbilder und jenen, die auf ihrer Basis rückständige Politik betreiben wollen ...
Es passiert zu langsam.Â
In der Politik, in der breiteren Gesellschaft und eben auch in der Kultur und Musik.
Wenn dir dieser Stil von historischem Newsletter gefällt, melde dich gerne für meinen Geschichtshappen (Abre numa nova janela) an.
Außerdem möchte ich auch diese Woche wieder Robert danken, der die Honky Tonk Post als Mitglied (Abre numa nova janela) auf der Sheriff-Stufe unterstützt.
Bis zum nächsten Mal!
Ralf
P.S: Wie hat dir diese Ausgabe der Honky Tonk Post gefallen? Antworte mir doch direkt auf diese E-Mail!
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