Kehlkopf, Keuchhusten und andere Kuriositäten
Über Husten wie Tag und Nacht, offene Wunden, zwei sehr unterschiedliche Arztbesuche und Dummheiten, für die es keine Medizin gibt.

Wenn man nachts Schmerzen hat, fühlen die sich immer wesentlich dramatischer an als tagsüber. Ich frage mich dann immer, ob ich nachts übertreibe oder ob ich tagsüber untertreibe. Im letzten Newsletter (Abre numa nova janela) hatte ich ja von der Scherbe erzählt, die ich mir in den Fuß getreten habe. Ich war super froh, dass die Wunde so schnell verheilt ist, schließlich wusste ich ja, dass wir in wenigen Tagen nach Teneriffa fliegen und ich dort gern viel baden möchte. Beim Turnier bin ich dann mit dem großen Zeh des anderen Fußes gegen einen Nagel getreten, der aus dem Feld herausstand und hatte nun eine offene Wunde auf der anderen Seite. Mit Desinfektion, Pflaster und Tape habe ich weitergespielt. Kein Problem. Abends im Bett hat es dann ganz schön gepuckert. Und auf einmal war auch mein Husten wieder da, mit richtig starken Brustschmerzen.
Guck mal, was ich kann
Meine Mama hat mal erzählt, dass ich als Kind so schlimm Keuchhusten hatte, dass sie in den Nächten Angst hatte, ich sterbe ihr weg. Am nächsten Tag ging sie mit mir zum Arzt und ich sagte: „Guck mal, was ich kann“ und machte im Behandlungsraum einen Spagat. Sie fühlte sich ein bisschen verarscht. Genauso ging es mir jetzt auch. Vier Wochen lang hatten meine Erkältung und ich eine On-Off-Beziehung. Tagsüber ging es mir super, auch beim Beachvolleyball fühlte ich mich gut, nachts wachte ich auf, wusste nicht wohin mit mir vor lauter Husten und drei Tage vor Urlaubsbeginn war dann auf einmal meine Stimme weg. Komplett. Kehlkopfentzündung. Das war auch eine interessante Erfahrung. Da hab ich mal gemerkt, wie viel ich eigentlich am Tag rede und wie viel der eigenen Persönlichkeit die Stimme ausmacht. Ich beobachte auch sehr viel und greife in zwischenmenschliche Situationen ein, wenn ich zum Beispiel sehe, dass jemand etwas braucht und niemand außer mir es gerade sieht. Das war so seltsam, in solchen Situationen nichts sagen zu können.
Diagnose: Superinfektion
Die doch sehr starke Schmerzen in der Brust irritierten mich, der Urlaub rückte auch immer näher, also dachte ich mir, ich gehe vielleicht doch mal zum Arzt. Natürlich hatte ich damit so lange gewartet, dass meine Hausärztin genau ab dem Tag im Urlaub war, als ich mich endlich dazu durchringen konnte,. Also bemühte ich Doctolib, fand eine Praxis mit einem freien Termin 20 Radminuten von mir entfernt und stellte mich vor. Das Prozedere ähnelte sehr dem Online-Arzttermin, den ich schon drei Wochen zuvor wahrgenommen hatte. Erste Frage, ohne den Blick zu heben: „Wie lange soll ich Sie krankschreiben?“ Dass ich keine Krankschreibung bräuchte, krächzte ich. Er stellte drei weitere Fragen, darunter die, ob ich kleine Kinder habe, was mich in meinem lustigen Patchwork-Konstrukt lebend ohne Stimme vor Schwierigkeiten in der Antwort stellte. Ich wünsche mir oft, dass Leute nicht nur ihre Frage stellen, sondern auch sagen, warum sie die stellen. Dann könnte man viel gezielter antworten. Jedenfalls diagnostizierte er eine bakterielle „Superinfektion“ (seine Worte), verschrieb Antibiotika und drei Minuten später stand ich mit dem Rezept und einem unguten Gefühl wieder vor der Praxis. Ich bin kein Fan von Antibiotika. Wenn es wirklich notwendig ist, ja, aber es fühlte sich nicht ganz stimmig an. Er hatte mich nicht abgehört, auch meinen Hals nicht angesehen und einfach so dahin diagnostiziert.
Aus einem Instinkt heraus, suchte ich bei Doctolib nach einem weiteren Termin für denselben Tag. Ich fand eine Praxis in meiner Nähe, bei der es einen Termin in einer Stunde gab. Ich gehe wirklich nicht gern in Arztpraxen, aber etwas fühlte sich einfach nicht richtig an. In der Praxis angekommen, wollte ich meine Entscheidung schon bereuen: Eingang, Anmeldung und Wartezimmer waren in einem kleinen Raum, durch die Fenster knallte die Sonne rei, eine kleine mobile Lüftungsanlage kämpfte vergeblich für eine bessere Sauerstoffzirkulation. Es war voll und ich bekam während des Wartens zwei Hustenanfälle hinter meiner FFP2-Maske.
Gründliches Kontrastprogramm
Doch die Sprechstundenhilfe war sehr nett, gab mir Zettel und Stift, damit ich mich schriftlich artikulieren konnte („ich hatte das auch schonmal“) und als ich bei der Ärztin saß, fühlte ich mich sehr gut aufgehoben: Sie horchte meine Lunge ab (war frei), testete die Entzündungswerte im Köper (waren ok), beschrieb die Schwierigkeit, herauszufinden, ob eine Infektion viral oder bakteriell sei, fragte nach Kindheitserkrankungen und Impfungen und bot an, Hustentabletten mit Codein-Anteil zu verschreiben, damit ich nachts durchschlafen könne. Als ich von dem anderen Arzt berichtete und der Antibiotikaverschreibung, reagierte sie entspannt. Ja, das könne auch ein Weg sein, allerdings nur, wenn man sicher wäre, dass es bakteriell sei — und sicher sei sie nicht. Ich könne das auch nehmen, nur solle ich mir der Nebenwirkungen bewusst sein, die ein Antibiotikum mit sich bringt, vor allem für den Darm.
Ab in den Pool
Sie sagte all die Dinge, die mir auch schon durch den Kopf gegangen waren. Ich war fast zehn Minuten bei ihr, jetzt verstand ich auch, warum die Wartezeit hier etwas länger war: Sie war gründlich. Ich holte mir beides, die Halstabletten und das Antibiotikum, um im Urlaub reagieren zu können. Ich startete mit den Halstabletten, eine für den Flug, eine in der ersten Nacht, eine in der zweiten. Dazwischen tat ich, was die Apothekerin mir empfohlen hatte: Ganz viel Halspastillen lutschen und so wenig wie möglich reden. Nach zwei Tage war meine Stimme wieder da und in der dritten Nacht brauchte ich keine Halstabletten mehr. Das Antibiotikum rührte ich gar nicht erst an. Juhu, gesund!
Entspannt legte ich mich in den Badereifen in den Pool, ließ den Kopf nach hinten fallen, so dass meine Haare im Wasser trieben und entspannte mit. Bis es knallte. Ich war zu weit an den Rand getrieben und hatte mir meine Nase an der Steinwand angeschlagen. Nicht mein Ernst.