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Der tote Major, der die Invasion verriet

Nachts kommen die Fische nach oben. Und so schoben die spanischen Fischer ihre Holzboote seit jeher am frühen Morgen ins Meer, wenn es noch dunkel war. Wenn die Sonne aufging, würden sie die Netze einholen. Ihre Frauen verkauften den Fang dann auf dem Markt, oder er wurde gleich am Strand an die Händler versteigert.

Am Morgen des 30. April 1943 kehrte José Antonio Rey María erst spät zurück in den Hafen des andalusischen Huelva. Ihm war ein besonderer Fang ins Netz gegangen. Die Leiche eines britischen Majors, der mit seiner Schwimmweste auf dem Meer trieb.

Die Guardia Civil wurde verständigt, in ihren stolzen, lackierten Zweispitzen. Sie waren fester Teil des faschistischen Franco-Regimes, das mit dem Deutschland der Nazis verbündet war. Ihr Emblem zeigt bis heute auch ein Fascio, ein Liktorenbündel, die den Anhängern Mussolinis in Italien und dem Faschismus ihren Namen gaben.

Und so wurde auch die deutsche Abwehr informiert. Vertreter des Amtes Ausland/Abwehr war der in Spanien geborene Alfredo Clauss. Seine Familie war um die Jahrhundertwende nach Spanien gekommen, um mit den Erz-Minen Geld zu machen. Sein Vater wurde später Honorarkonsul in Huelva. Er schickte seinen Sohn auf ein Internat in Deutschland.
Als Alfredo Clauss nach Spanien zurückkehrte, war er offiziell Agrartechniker.

Was der britische Major bei sich hatte, hatte Sprengkraft.
Die Deutschen waren davon ausgegangen, dass eine Invasion der Alliierten im Mittelmeer über den Balkan erfolgen würde. Und die Pläne, die der Major in einer Aktentasche bei sich trug, die an sein Handgelenk gekettet war, bestätigten genau das.

Die Alliierten wollten über den Balkan eindringen und dann zunächst auf Griechenland vorstoßen. Sogar die Datails waren ausgeführt. Der Kommandierende für Afrika, General Sir Harold Alexander, würde auf Sardinien und Korsika angreifen, während General Sir Henry Wilson auf Griechenland vorrücken würde.

In einem Brief war von einem Plan die Rede, die Deutschen davon zu überzeugen, dass die Invasion auf Sizilien stattfinden würde. Sie sollten dazu gebracht werden, möglichst viele Truppen von Griechenland nach Sizilien zu verlegen. Operation Husky würde man die Schein-Invasion nennen.

Major William Martin

Um wirklich sicher sein zu können, wurde der Leichnam genau untersucht. Es handelte sich um Major William Martin von den Royal Marines.
Eigentlich schien er zu jung für einen Major. Aber er war lediglich ein Acting Major, ein niederer Offizier, der für bestimmte Zwecke in die Funktion des Dienstgrades erhoben wurde. In seinem Fall ein Captain (Hauptmann).

Bild: Der Dienstausweis von William Martin

In der Aktentasche fanden sich Briefe und ein Foto seiner Verlobten Pam, sowie ein Brief seines Vaters.
Martin war wohl etwas nachlässig. Er hatte einen Ersatz-Ausweis, weil er seinen offenbar verloren hatte. Den Ausweis für das Combined Operations Headquarters, für das Martin arbeitete, hatte er gerade vergessen zu verlängern. Und es fand sich eine Mahnung der Lloyds Bank, dass er sein Konto um 79 Pfund überzogen hatte.
Das erklärte aber vielleicht auch, warum er überhaupt verschiedene Informationen zusammen bei sich trug. Ein Nachrichtenmann würde grundsätzlich vermeiden, die echten Pläne und die Pläne für eine Täuschung gleichzeitig zu transportieren. Eine Nachlässigkeit.

In seinen Taschen hatte er zwei abgerissene Theaterkarten für eine Vorstellung, die er offenbar wenige Tage zuvor mit seiner Verlobten besucht hatte. Ein Schlüsselbund sowie einen Zettel über die Unterbringung in einem Club in London zeigten, dass er nicht aus London stammte, aber derzeit dort lebte.

Und es fand sich ein Brief des heute Berühmten Lord Louis Mountbatten. Der dazu riet, sich nicht über die bei den Amerikanern gängige Praxis, für jede Verwundung ein Purple Heart zu verleihen, zu äußern.
Er empfahl Major Martin als Experten für Amphibische Operationen. Und betonte, dass die Informationen über die Pläne zu wichtig seien, weshalb Martin sie persönlich nach Nordafrika bringen sollte.

Martin wurde obduziert.
Sein Körper wies keine Hämatome auf. Der Arzt kam zu dem Schluss, dass er lebend ins Wasser gelangt ist und dort ertrank. Seine Lungen waren voll Flüssigkeit.
Die deutsche Abwehr kontrollierte sogar die britische Presse. Etwa einen Monat später erschien die Todesanzeige von Martin. Zusammen mit zwei anderen Offizieren, die bei einem Flugzeugabsturz vor Gibraltar ums Leben gekommen waren.

Der deutschen Abwehr offenbarte sich eine ganze Welt von Informationen. Wer welche Pläne machte, was geplant wurde, wer diese Pläne umsetzte, in wie weit Afrika dabei eine Rolle spielte. Ein absoluter Glücksfall.

Drei Monate später begann die Invasion der Alliierten. Allerdings auf Sizilien. Nicht auf dem Balkan, wie es in den Plänen gestanden hatte. Die Operation Husky war angelaufen. Die angebliche Schein-Invasion war wohl doch eine echte.

Major William Martin hatte es nie gegeben.

Operation Mincemeat

Mincemeat ist nicht zu verwechseln mit „minced meat“ (Hackfleisch).
Mincemeat ist eine Mischung aus Trockenfrüchten, Nüssen, Gewürzen, manchmal einem Schuss Whisky, und wurde ursprünglich auch mit Fleisch zubereitet. Heute gibt es aber vor allem vegetarische Variationen, die in den weihnachtlichen Mince Pies verarbeitet werden.
Es ist ein Durcheinander vieler Zutaten, die dann in einem Gebäck serviert werden.

Bild: Mice Pies zu Weihnachten (KI)

Ewen Edward Samuel Montagu hatte sowohl das Trinity College in Cambridge als auch die Harvard University absolviert und war eigentlich Anwalt. Später würde er lange hoch angesehener Richter sein.
Während des Kriegs arbeitete er im Rang eines Lieutenant Commander (Korvettenkapitän) beim Naval Intelligence Department, dem Nachrichtendienst der britischen Marine.
Montagu war der Kopf hinter der Operation Mincemeat. Der Erfinder von Major William Martin.

Ausgearbeitet wurde die Operation im „Twenty Committee“ („Zwanziger Komitee“) oder „Double-Cross-System“.
Ein doppeltes X wird im Englischen auch als „Double Cross“ (Doppeltes Kreuz) bezeichnet, was wiederum auch „doppelt quer“, also Doppelspionage oder Gegenspionage, gelesen werden kann. Und zwei Kreuze bedeuten im römischen Zahlensystem schlicht Zwanzig.
So kam das „Komitee“ zu seinem Namen.

Es war ein verschiedene Nachrichtendienste übergreifenden Team, das für Aktionen zuständig war, die einen „Spin“ enthielten. Enttarnte deutsche Spione wurden beispielsweise „umgedreht“, um von den Briten gewünschte Informationen an die Deutschen zu liefern. „Double Cross“, XX.
Dieses „Komitee“ ist Ursprung für viele reale Operationen bis heute und Stoff für unzählige Spionage-Bücher und -Filme. Und ein Grund, warum die britische Itelligence bis heute hoch angesehen ist.

Vor der Schlacht von Alam Halfa in Ägypten hatten die Briten beispielsweise einen toten britischen Soldaten in einem gesprengten Panzerwagen mit einer fingierten Karte versehen, auf der Minenfelder eingezeichnet waren. Rommels Truppen des deutschen Afrikakorps fielen darauf hinein, wollten die Minenfelder - die es nicht gab - umgehen und gerieten in lockeren Sand, wo die Panzer stecken blieben.

Das war die Grundidee.

Wie man einen Major macht

Die Briten haben schon lange eine gewisse Nähe zur Südspitze der iberischen Halbinsel. Gibraltar, von wo aus man Afrika sehen kann, ist bis heute britische Enklave.

Auch der Lieutenant Ian Lancaster Fleming diente dem britischen Marine Nachrichtendienst und hielt sich einige Jahre zuvor länger im portugiesischen Seebad Estoril auf. Wo ihn das örtliche Casino zu seinem ersten Roman Casino Royal und zur Erfindung seiner Hauptfigur Commander James Bond inspirierte, der ebenfalls eine reale Vorlage hatte. Und bis heute das Bild des Spions im Smoking prägt.

Bild: Der Archetyp des Spions, wie er den meisten heute wohl verschwebt. (KI)

So kam der Plan zustande. Man wollte den Deutschen erneut mit einer Leiche fingierte Informationen unterschieben. Um sie von der bereits geplanten Operation Husky, der Landung auf Sizilien, abzulenken.

Die Briten wussten von der deutschen Abwehr in Spanien und sie wussten von dem „Agrartechniker“ Alfredo Clauss. Also war es naheliegend, eine Wasserleiche vor Gibraltar zu platzieren, die dann wie zufällig gefunden würde.
Was fehlte war vor allem eins: Eine Leiche.

Bei der Auswahl half der renommierte Rechtsmediziner Sir Bernard Henry Spilsbury, der auch schon geholfen hatte viele aufsehenerregende Fälle zu lösen. Darunter den Fall des Dr. Crippen und die Koffermorde von Brighton.

Man fand die Leiche eines Landstreichers und Alkoholikers. Der an einer Lungenentzündung gestorben war, die durch Rattengift verursacht wurde. Heute weiß man, dass es sich um einen Glyndwr Michael gehandelt hat.
Eine Lungenentzündung verursacht Flüssigkeit in der Lunge, was durchaus als Ertrinken durchgehen kann.

Dann wurde an der „Legende“, der Vita, an der Identität von Major Martin gefeilt.
Es wurden Karten für die Theatervorstellung besorgt, die vorbereiteten Pläne wurden in die Aktentasche gepackt. Eine kleine Humoreske der Nachrichtendienstler, einen Hinweis auf die tatsächlich geplante Operation Husky als vermeintliches Täuschungsmanöver einzustreuen.

Die Briefe wurden tatsächlich von den hochrangigen Militärs geschrieben und unterzeichnet.
Selbst die vermeintliche Verlobte gab es wirklich. Sie hieß auch Pam. Allerdings war sie Sekretärin beim MI5, der Military Intelligence Section 5, dem Inlands-Nachrichtendienst.
Und sogar an die Todesanzeige in der Times wurde gedacht. Dass genau da auch zwei andere Offiziere auftauchten, die bei einem Flugzeugabsturz bei Gibraltar zu Tode kamen, war purer Zufall.

Man hatte Major Martin sogar eine Christophorus-Plakette in die Brieftasche gesteckt. In der Hoffnung, dass die streng katholischen Spanier es dann mit der Autopsie nicht so ernst nehmen würden. Und ihn schnell beerdigen wollten.

Die Ausführung

Major Martin wurde auf Trockeneis in eine Metallröhre gelegt und ins schottische Greenock gebracht. Wo er auf das U-Boot Seraph verladen wurde, wo man bereits Erfahrung mit besonderen Aufträgen hatte. An Bord wurde sie in einem Torpedorohr untergebracht.
Am 19. April 1943 stach die Seraph in See, mit Kurs auf das spanische Huelva.

Foto: Die Seraph

Um 04:15h des 30. Aprils ließ der Kommandeur die Röhre an Oberdeck bringen. Nur eine Seemeile vor Huelva, bei günstiger Strömung und passenden Jahreszeiten. Die Besatzung wurde wieder unter Deck geschickt, nur die wenigen Offiziere verblieben oben. Der Kommandeur, Norman „Bill“ Jewell, las den 39. Psalm, wie es sich für eine anständige Seebestattung gehört. Die Rettungsweste von Major Martin wurde aufgeblasen. Und so wurde Major Martin um 04:30h zu Wasser gelassen.
Der Major, den es nie gegeben hatte.

Drei Tage später informierte der britische Marine Attaché in Spanien das „Zwanziger Komitee“ vom Fund der Leiche.
Am 13. Mai wurden die beim Major gefundenen Dokumente den Briten offiziell ausgehändigt. Natürlich waren sie geöffnet worden.

Wenig später erhielt Winston Churchill ein Telegramm mit dem knappen Satz „Mincemeat Swallowed Whole“:
Das Mincemeat wurde mit einem Happs verschlungen.

Epilog

Etwa zwei Wochen nach Beginn der Invasion auf Sizilien wurde Mussolini gestürzt.
Der Einfluss der Operation Mincemeat darauf ist jedoch wohl eher beiläufig. Denn die Deutschen waren schon überzeugt, dass die Invasion auf dem Balkan stattfinden würde. Major Martin hat sie nur bekräftigt.

Admiral Wilhelm Franz Canaris war Chef der deutschen Abwehr. Das Versagen der Abwehr bei dieser und anderen Gelegenheiten ließen ihn in Ungnade bei der Nazi-Führung fallen. So hatte die Abwehr auch bei der folgenden Landung der Alliierten von Sizilien aus auf das italienischen Festland (Operation Shingle) im Januar 1944 völlig versagt.

Am 11. Februar 1944 wurde Admiral Canaris als Chef der Abwehr entlassen. Wenige Tage vorher war der Nachrichtenmann Erich Vermehren in Istanbul zu den Briten übergelaufen. Es gibt auch Hinweise, dass Canaris bewusst fachliche Fehler gemacht hatte.
Anfang Juli 1944 erfuhr Canaris von den beiden Abwehr-Offizieren Werner Schrader und Wessel Freytag von Loringhoven vom bevorstehenden Attentat auf Hitler durch Claus Schenk von Stauffenberg. Er informierte niemanden.
Im September 44 fand die Gestapo ein geheimes Archiv über vorherige Umsturzversuche gegen Hitler. Hans von Dohnanyi, ein Widerstandskämpfer, nach dem heute Straßen benannt sind, hätte sie vernichten sollen.

Canaris wurde rückwirkend von Admiral Dönitz, dem späteren Hitler-Nachfolger, als Soldat entlassen und verhaftet. Im Februar wurde er ins KZ Flossenbürg gebracht. Dort wurde er am Morgen des 9. April 1945 mit Dietrich Bonhoeffer und anderen gehängt. Einen Monat vor dem Ende des Weltkries in Europa, drei Wochen bevor Hitler Selbstmord beging.

Kurz vor der alliierten Invasion in den Niederlanden (Operation Market Garden) im September 1944 hatte ein britischer Offizier tatsächlich die Pläne der Operation in einem Lastensegler vergessen. Doch durch ihre Erfahrungen mit Major Martin haben die Nazis diese einfach nicht geglaubt.
Ebenso, als sie zwei Tage nach dem D-Day, der großen Landung in der Normandie, streng geheime Pläne auf einem zurückgelassenen Landungsboot fanden. Hitler persönlich rechnete mit einer Invasion an der Straße von Dover, weshalb man den Plänen keinen Glauben schenkte.

Glyndwr Michael ist bis heute auf dem „Friedhof der Einsamkeit“ in Huelva bestattet. Wo er mit vollen militärischen Ehren von den Spaniern und Deutschen beigesetzt wurde.
Sein Grabstein besagt, dass er als Major William Martin der Royal Marines seinen Dienst geleistet hat.
Dulce et decorum est pro patria mori: Süß und ehrenvoll ist es, für das Vaterland zu sterben.

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