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Ich widerlege mich selber: Videoauswertung

Screenshot aus dem Video

Ich wurde um eine Beurteilung eines Videos gebeten. Und hielt es für manipuliert.
Ich muss mich selber widerlegen.
Spannend allemal.

Eine Spurensuche.

Am Donnerstag, den 10.07.2025, berichtete die Korrespondentin Katharina Willinger in einem Beitrag der Tagesthemen aus dem Iran.

Scteenshot Interview mit Willinger in den Tagestehmen

„In diesem Beitrag wird ein Video von knapp sieben Sekunden gezeigt, das von einer Überwachungskamera stammen soll.
Es zeigt scheinbar zwei Einschläge israelischer Flugkörper, einen in eine obere Etage eines Wohngebäudes und einen inmitten einer Reihe wartender Autos vor einer Ampel.
Das Video war mir zuvor schon begegnet.“

Gestern fragte mich die Journalistin Mirjam Fischer nach diesem Video. In einem WhatsApp-Chat mit Journalisten sei die Echtheit dieses Videos angezweifelt worden. Obwohl die Korrespondentin Willinger im Kommentar sagte, man habe das Video verifiziert. Was das Ganze brisant macht und meine Aufmerksamkeit bekam.

Ich habe es mir angeschaut und kam zu dem Schluss, dass es manipuliert ist.
Dazu habe ich einen Beitrag veröffentlicht, wie üblich per Mail verschickt und auf Social Media verlinkt.

Auf dem X-Account verlinkte dann ein Nutzer ein Posting des BBC Journalisten und „Senior-Verifizierer“ Shayan Sardarizadeh. Da habe ich meinen Beitrag sofort offline genommen, die Verlinkungen gelöscht und möglichst alle per Mail und Postings informiert.

Denn Sardarizadeh hatte Quellen gezeigt, die ich nicht kannte. Und vorher auch nicht gefunden hatte. (Ich folge seinem Account.)

Ich habe mich nachträglich bei dem unbekannten Nutzer bedankt. Ich konnte wegen des Löschens ja nicht mehr kommentieren. Ich hoffe, es hat ihn erreicht. Ich mag konstruktive Kritik. Ausdrücklich.

Das hat mir keine Ruhe gelassen.
Also habe ich mich – entgegen meines Planes zu wochenenden – heute wieder an den Rechner gesetzt. Und mir die neuen Quellen – und mehr – angeguckt.
Und selbstverständlich habe ich alles gewissenhaft geprüft. Und nochmal geprüft. Ich bin auch darüber hinaus gegangen. Auswertung siehe unten.

Ein Wort vorab

Ich habe mich einmal entschuldigt, das reicht.
Ich habe den Fehler gemacht. Den ersten „richtigen“, soweit ich erinnere. Empfinde ihn aber nicht als so ehrenrührig, wie manche meinen Rückzieher auf dem X-Account (Abre numa nova janela) und der Facebook Fanpage (Abre numa nova janela) kommentiert haben. Es gehört auch nicht viel Mut dazu. Außer natürlich, man ist ein egozentriertes Arschloch.
Wer weiter liest, wird verstehen.
Die Entschuldigung war weniger für den Fehler, als für die Verwirrung.

Wer ein oder zwei meiner Auswertungen gelesen hat weiß, dass ich dabei ergebnisoffen und wertneutral unterwegs bin. Es ist empirisch, falsifizierbar, forensisch… also quasi wissenschaftlich.

Im Original-Beitrag schrieb ich wörtlich:
„Ein solches Video würde ich schon nicht »verifizieren«. Ohne Originaldaten umso weniger.“

Und ich schrieb:
„Mit ihm [dem Video] soll belegt werden, dass Israel auch zivile Infrastruktur im Iran angegriffen habe. Was allerdings unstrittig ist, da Israel selber erklärt hat, dass es auch iranische Atom-Wissenschaftler ausgeschaltet hat.“

Es ging also nicht darum, Israel zu be- oder entlasten. Und darum geht es auch jetzt nicht.
Ich selber habe sogar Bilder gepostet, auf denen zu sehen ist, dass die IDF gezielt ein Apartment in einem Gebäude zerstört haben.

Ich möchte hier lediglich darlegen, was passiert ist. Und welchen Fehler ich begangen habe.
Aus Auswerter-Sicht einen kleinen und einen großen.

Folgen Sie mir unauffällig, mein lieber Watson.

Ich seh‘ doppelt

Mein kleinerer Fehler ist dieses Bild.

Auf diesem Bild sieht man, wie die Autos durch die Detonation wegfliegen. Gleichzeitig stehen sie aber noch am Boden.
Ich hatte es sogar verdeutlicht:

Das ist ein typischer Fehler von AI. Denn – laienhaft vereinfacht – AI versteht Bildzeichen, Flächen, Pixel, aber noch keine Objekte. Noch. Läuft.

Das war die Initialzündung für mich, nach anderen Merkwürdigkeiten zu suchen.
Und aufgrund dieser Merkwürdigkeiten insgesamt kam ich zu dem Schluss, dass das Video manipuliert sein muss.

Nun habe ich aber das gleiche Video in besserer Qualität gesehen. Und dort sind diese „Doppelautos“ nicht zu sehen.

Es ist auch deutlich zu sehen, dass die Autos nicht durch eine Druckwelle hochgeschleudert werden. Sondern durch das Aufbrechen des Untergrundes.
Und sofort, durch diesen kleinen Unterschied, ergibt sich eine völlig andere Logik und Interpretation.

Der FK (Flugkörper) ist nicht an der Oberfläche detoniert, sondern darunter. Er ist ins Erdreich eingedrungen und erst dort hochgegangen.
Die Wucht ging also nicht zur Seite, wie bei einer „normalen“ Bombe, sondern nach oben weg.

In dem Beitrag hatte ich sogar geschrieben:
„Grundsätzlich wären viele dieser Bildzeichen sehr theoretisch denkbar, wenn dort ein Bunkerbrecher eingesetzt worden wäre. Da der Druck nach oben weggeht.“

Allerdings gehe ich nach wie vor nicht von einem Bunkerbrecher aus, aber dazu später.

Kompressionsartefakte

Ich habe auf Film gelernt.
Das bedeutet, in meiner Ausbildung zum Auswerter und hauptsächlicher Tätigkeit wurde echter, altmodischer Film verwendet.
Das ist nicht hinterwäldlerisch, Film hat viele Vorteile und wenige Nachteile.

Tornado des Marinefliegergeschwaders 1, der zur Auflösung zum MFG2 kam. Zu erkennen noch der orangene Overall des Pilots, der durch den marineblauen abgelöst wurde.

Foto: Tornado des Marinefliegergeschwaders 1, der zur Auflösung zum MFG2 kam. Zu erkennen noch der orangene Overall des Pilots, der durch den marineblauen abgelöst wurde.

Die Entfernung ist übrigens kein Vorteil. Denn das ist keine Frage von Film oder Digital, sondern von Optik.
Wir waren sehr stolz auf unser Teleobjektiv der Firma Zeiss, das nur das Marinefliegergeschwader 2 hatte. Mit einer Brennweite von 600mm, das so verkürzt war, dass es in einen Recce-Pod von der Größe einer Bombe oder eines Tanks passte. Damit haben wir u.a. den Hafen von Liepāja (Liebau, Lettland) aus 60km fotografiert und ausgewertet. Man konnte die Menschen erkennen, wie heute auf Satellitenbildern.
Das ist weiter, als die meisten Satelliten dieser Art entfernt sind.

Selbstverständlich haben wir aber bereits mit Satellitenbildern gearbeitet. Und damals liefen die ersten Versuche in der Truppe mit Drohnen mit Direktübertragung.
Und natürlich ist mir bekannt, dass die Komprimierung von Daten zu Fehlern führen kann. Man nennt das „Kompressionsartefakte“.

Und mir war auch klar, dass der Film mehrfach komprimiert worden sein kann. Einmal auf dem Monitor, einmal auf dem Handy beim Abfilmen und einmal beim Upload auf eine Plattform, die ihre Server natürlich nicht mit Daten vollmüllen will.

Aber ich wusste nicht, dass diese Artefakte zu einem solchen Doppelbild führen können.
Die Komprimierung hat hier einfach zwei oder drei Frames, also mehrere Bilder, auf einen gelegt.

Nochmal:

Die mit Abstand meiste Arbeit für diese Aufarbeitung bestand übrigens darin, mich da einzulesen. Und das hat mich gereizt.

Der große Fehler

In meinem Beitrag habe ich deutlich gemacht, dass ich aufgrund der Vielzahl der merkwürdigen Bildzeichen zu dem Schluss komme, dass ich das Video insgesamt für manipuliert halte.
Ein oder zwei Merkwürdigkeiten sind dafür nicht ausreichend. Es braucht mehr.
Um den großen bayrischen Ethnophilosophen und Spurenleser Ranger zu zitieren: „Ich bin mit der Gesamtsituation unzufrieden.“

Mein größerer Fehler war aber, dass ich aufgrund des kleineren Fehlers beim Kompressionsartefakt die anderen Bildzeichen nicht mehr ergebnisoffen ausgewertet habe. Ich unterlag einem Bias. Und das ist der Fehler, der mich tatsächlich viel mehr beschäftigt. (Ohne Schlaflosigkeit oder so, keine Sorge oder Freude.)

Beispielsweise hatte ich interpretiert, dass der Mann in Weiß, der zwischen den Autos steht, gar nicht von dem Druck betroffen wird.
In dem Video besserer Qualität sieht man jedoch, dass er zumindest nach vorne geworfen und dann durch den Schutt bedeckt und durch ein größeres, herabfallendes Teil vermutlich erschlagen wird. Der danebenstehende Mann in Grau ist immer noch nicht deutlich zu erkennen.
Wir sprechen hier von hundertstel Sekunden, die aufgrund der Kompimierung nicht mehr zuverlässig waren.

Der erste Einschlag ins hintere Haus verursacht einen zu erwartenden Auswurf. Dort ergibt sich dann eine große Rauchwolke. Diese war für mich nicht einzuordnen. Und ist es bis jetzt nicht.

Screenshot aus dem alten Beitrag mit Pfeil auf die Rauchsäule.

Doch durch mein Bias habe ich die Rauchwolke als AI-generiert hineinkopiert interpretiert.
Da ich nun weiß, dass dieser Luftschlag stattgefunden hat und Bilder des zerstörten Gebäudes gesehen habe, würde ich das eher so interpretieren, dass der Schutt dort weitere Zerstörung angerichtet hat.

Bild: Das zerstörte Gebäude. Der FK kam von „hinten“ (Norden), nicht von vorne.

Vielleicht ist es trotzdem manipuliert. Ich kann es aufgrund der Informationen nicht sagen. Aber der Luftschlag hat stattgefunden, eine Manipulation macht also keinen Sinn.

Meine jetzige Interpretation

Meine Interpretation, aufgrund meiner jetzigen Informationen und Hausaufgaben:

+ Die IDF fliegen am 15.06.2025 einen Luftschlag gegen Ziele in einer zivilen Infrastruktur im Stadtteil Tajrish in Teheran in der Nähe der Kreuzung Shariati und Bahonar Straße.

+ Am 16.06.25 postet die IDF auf X, sie habe „Kommando Strukturen“ in Teheran angegriffen. Die Animation zeigt auch diesen Bereich.

Screenshot: Posting der IDF (Pfeil von mir)

+ Ein FK schlägt von Norden kommend in das Gebäude ein, auf das vermutlich gezielt wurde. In ihm befinden sich mehrere Geschäfte, Restaurants und eine Filiale der Shahr Bank. Es ist absolut möglich, dass sich dort ein militärisch relevantes Ziel befunden hat.

+ Der Auswurf aus dem Gebäude reicht bis zum Geschäftsgebäude auf der anderen Straßenseite. Dort entsteht scheinbar eine Rauchsäule, die ich aufgrund der vorliegenden Informationen immer noch nicht interpretieren kann.

+ Unmittelbar darauf schlägt ein FK in eine Gruppe von Fahrzeugen ein, die 120m östlich davon vor einer Ampel warten. (Vermessen!)
Der FK durchschlägt den Grund und detoniert, wodurch Fahrzeuge durch die Wuchtwirkung nach oben durch die Luft gewirbelt werden.
Vermutlich handelte es sich um einen FK, der nicht für einen solchen Luftschlag geeignet war, sondern ebenfalls für das angegriffene Gebäude gedacht war. Vielleicht eine Hohlladung, eine Bombe mit Verzögerung oder ähnliches.
Ein militärischer Grund, dort auf die Straße zu zielen, ist nicht ersichtlich.

+ Von einer Überwachungskamera gegenüber, auf der Tajrish U-Bahn Station, werden die Einschläge aufgenommen.

Satellitenbild der Kreuzung, Einschläge und Kamera markiert.

+ Diese Aufzeichnung wird wiederum mit einem Handy von einem Monitor abgefilmt und auf Telegram veröffentlicht; oder zumindest Medien zugespielt, die es veröffentlichen.

+ Auf Social Media entbrennt ein Streit um die Deutungshoheit. Tendenziell Anfang Juli, also Wochen nach dem Luftschlag.
Die einen versuchen damit zu belegen, dass Israel auch zivile Infrastruktur angegriffen hat. Was es selber offen gesagt hat. Die anderen sehen ein manipuliertes Video.

+ Der BBC-Journalist Sardarizadeh, spezialisiert auf Forensik, verifiziert das Video am 04.07.2025 auf seinem X-Account. Er räumt die mangelhafte Qualität ein. Ebenso wie der von ihm befragte US-amerikanische Video-Forensiker Prof. Hany Farid, der (wörtlich) keine Anzeichen für eine Manipulation sieht.

+ Die ARD-Korrespondentin Katharina Willinger verwendet dieses Video in einem Beitrag, der am 10.07.2025 in den Tagesthemen ausgestrahlt wird. Warum auch immer. Darin sagt Willinger „wir“ (?) hätten das Video verifiziert.
Persönlich denke ich nicht, dass die ARD das Video hat verifizieren lassen. Sondern, da die ÖRR ARD und BBC kooperieren, Willinger die Bestätigung schlicht übernommen und als unbestimmtes „wir“ formuliert hat.
Aber das ist nur eine Mutmaßung. Mir ist nicht bekannt, dass die ARD einen „Forensiker“ wie Sardarizadeh unterhält.

+ Die Journalistin Mirjam Fischer fragt mich privat nach dem Video, da seine Echtheit in einem WhatsApp Chat von Journalisten angezweifelt wurde. Aufgrund der Unkenntnis von Doppelbildern und eines anschließenden Bias komme ich samstagnachmittags zu der Überzeugung, dass es manipuliert ist. Da ich bei einer Suche die Verifizierung von Sardarizadeh nicht finde und nicht von Doppelbildern durch digitale Kompressionsartefakte wusste.

An dieser Stelle ist ein Nelson völlig angebracht. Ich werde in naher Zukunft zwei Bier darauf trinken, mir angemessen vor die Stirn schlagen und über mich lachen.

Der größte Vorwurf, den ich mir zu machen habe ist, dass ich mal wieder etwas ussem Lamäng „mal eben“ machen wollte. Und mich durch mich selbst habe treiben lassen.

Ich brauche so fucking Urlaub, ey.

Tópico Medien und Politik

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