Saltar para o conteúdo principal

LöwenPost 2025/21

Sino Kolumne: Ostasien als geistiges Zentrum ~ Auswirkung des "Big American Bill" ~ Änderungen am Wettbewerbsgesetz
KI-Bild erstellt mit Copilot

Liu Jianjun ist Professor an der Universität Fudan und Präsident des Shanghai Yilian Centre for Social Governance. In einem Essay von Anfang des Jahres ist er zur Überzeugung gelangt, dass die überwiegende Mehrheit der Forschung in den Sozialwissenschaften wenig wirklichen Wert beinhaltet und sogar überflüssig ist. Es geht bei den meisten Veröffentlichungen nicht darum, Wahrheiten aufzudecken oder das Leben zu erhellen, sondern es werden unnötige Konstrukte, Wunschdenken und intellektuelle Selbstgefälligkeit publiziert. Er nennt die Sicht der Sozialwissenschaftler auf die eigene Bedeutung in Bezug auf Wahrheit und Auswirkung auf Gesellschaft und Geschichte als "puren Wahn". Liu forscht seit 30 Jahren in diesem Wissenschaftsbereich und äußert sich deswegen mit seiner ehrlichen Erfahrung und Erkenntnis. Dabei führt er auch eine Bemerkung von Henry Kissinger an, der äußerte einmal, dass er während seiner Zeit in Harvard geglaubt habe, das Weltgeschehen werde von Strukturen und Gesetzen bestimmt, doch im Weißen Haus stellte er fest, dass die Geschichte von den Handlungen einzelner Individuen geprägt wird. Übrigens eine Erkenntnis, der ich selbst durch meine Studien der Philosophie und Geschichte im höchsten Maße zustimmen kann. Liu führt weiter aus, dass er zur Überzeugung gelangt ist, dass die Komplexität der sozialwissenschaftlichen Theorien und Modelle größtenteils eingebildet ist. Die Gesellschaft ist weder von Natur aus so komplex, noch besitzt sie so viele Dimensionen und Variablen, vielmehr sind diese ihr von Menschen aufgezwungen worden. Ich selbst darf zustimmend ergänzen, dass dies aus reiner Selbstgefälligkeit geschieht und um eine komplexe intellektuelle Fassade aufbauen zu wollen. Der chinesische Wissenschaftler führt weiter aus, dass viele Theorien nichts weiter als leichtsinniges Gerede, haltlose Erfindungen und pure Arroganz sind und dass das Geheimnis der Theoriebildung darin liegt, einfache Sachverhalte zu verkomplizieren. Und so warnt er mit einem Zitat des auch von mir hoch geschätzten chinesischen Philosophen Han Feizi (ca. 280–233 v. Chr.): "Wer zu viel sieht, wird nicht mehr klar sehen. Wer zu viel hört, wird nicht mehr scharf hören. Und wenn sein Denken und seine Sorgen über die Grenzen hinausgehen, werden seine Weisheit und sein Wissen verwirrt." Er plädiert vielmehr für eine Verkleinerung des Fachgebietes und schlägt eine Rückkehr zur praktischen Weisheit vor, die sich auf essentielle Literatur stützt. Danach skizziert Professor Liu Werke und Denker, die er für ausreichend in der Politikwissenschaft erachtet. An dieser Stelle kann ich ihm nicht mehr zustimmen, denn seine Auswahl entspricht nicht meiner Erfahrung, welche literarischen Werke Erkenntnisschübe bewirken und Klarheiten zur Menschheitsentwicklung abbilden. So nimmt er Alexis de Tocqueville explizit heraus und führt dafür Jean-Jacques Rousseau an, wobei ich das Lesen der Schriften von Rousseau wegen seines absurden Religionsbezugs abgebrochen habe. Auch Thomas von Aquin soll lesenswert sein, obwohl dieser das Sein in eigentlicher Weise nur in Gott sieht und mit abstrakten Begriffen und Theorien nur so um sich wirft, damit seine skurriler Gott irgendwie in seine Theorien passt. Auch bei der Auswahl von wichtigen Staatsmännern greift Liu meiner Meinung nach daneben. Ich bin skeptisch, ob Churchill wirklich so geschichtsträchtig gehandelt hat und bei seinen Entscheidungen im zweiten Weltkrieg zum Beispiel bei der Verteidigung von Singapore oder der Landungsschlacht bei Anzio (Operation Shingle) kann man seine Entscheidungen nur katastrophal bezeichnen, wobei es wegen seines Wirkens enorm viele Opfer zu beklagen gab. Dagegen zeigt ein Staatsmann wie Lee Kuan Yew eine außergewöhnlich Kombination aus Intelligenz, Erkenntnisfähigkeit, politische Umsetzungsstärke und charakterliche Integrität. Er hat vielleicht mit seinem kleinen Singapore keine Weltgeschichte geschrieben, dafür hat er als einer der wenigen Staatsmänner der Menschheitsgeschichte aufgezeigt, wie man eine Staatsführung zum Wohle der Menschen in einer Gesellschaft ausführt; und das alles unter sehr schwierigen und problematischen Ausgangsbedingungen. Trotzdem verdient das Essay von Liu Jianjun eine hohe Aufmerksamkeit und er merkt zusammenfassend am Ende auch selbstkritisch an, dass seine Rede vom „Niedergang der Geisteswissenschaften“ vielleicht zu pessimistisch klingt, aber eine „Verkleinerung der Geisteswissenschaften“ definitiv notwendig ist. Unabhängig, ob man dem Inhalt seines Statements zustimmt oder nicht, zeigt Liu aber sehr schön auf, auf welchem geistig hohem Niveau und hohem Grad an Selbstreflexion der kognitive Diskurs in China geführt wird. Während in der westlichen Welt der wissenschaftliche Diskurs in den Sozialwissenschaften vor allem ideologisch geprägt und in arroganter Selbstgefälligkeit, auch von den Kritikern, geführt wird, so lese ich mittlerweile lieber Beiträge von ostasiatischen Forschern und Autoren. Diese führen den Gedankenaustausch viel offener, (er)kenntnisreicher und meistens ohne ideologische Scheuklappen. Der breitere geistige Raum ist dabei deutlich zu erkennen und zeigt auch, dass das geistige Zentrum dieser Welt in Ostasien liegt.

Bleiben wir bei den geistigen Ergüssen aus China: Der von mir schon öfters erwähnte Professor Yao Yang hat prägnant die Auswirkung des von Trump in den USA initiierten "One Big Beautiful Bill" geschildert. Kurzfristig, so Yao, wird die US-Wirtschaft durch die Steuererleichterungen für Vermögende und der verstärkten Investitionen in Rüstung und Energie profitieren, aber langfristig durch die enorme Verschuldung das Risiko der Finanzinstabilität steigern und die US-Wirtschaft dadurch schwächen. China wird langfristig somit seine Bedeutung in der Weltwirtschaft relativ weiter erhöhen können und im Bereich der Elektrofahrzeuge fällt die US-Automobilindustrie wegen der Streichung der Förderungen weiter zurück. Ein recht gelassener und fast optimistischer Blick auf das Gesetz aus chinesischer Sicht. Denn in China denkt man nicht nur für eine Legislaturperiode, wie es Politiker in den westlichen Demokratien tun. In China schaut man auf eine langfristige positive gesellschaftliche Entwicklung und konzipiert dafür Gesetze und wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Damit deutet Yao ein prinzipielles Problem der westlichen Demokratien an, die politisch und wirtschaftlich nur auf die Kurzfristigkeit der Wahlperioden fokussiert sind. Die demokratischen Wähler honorieren keine langfristigen Strategien, sondern wechseln lieber alle paar Jahre die Regierung. Genau das erklärt die Verschlechterung der Zustände in Europa und den USA. Es fehlt an langfristigen klugen Strategien und deren Unterstützung durch die Bevölkerung die über die Amtszeiten der Politiker hinaus gehen. China dagegen hat bei allen Rückschlägen in einzelnen Wirtschaftsbereichen und externen Unsicherheiten immer die langfristige kontinuierliche Verbesserung im Blick, was noch keine Garantie für eine gute Politik ist, aber die Wahrscheinlichkeit von erfolgreichen politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen gewaltig erhöht.

Passend zum vorigen Thema: China hat Anpassungen an sein Wettbewerbsgesetz vorgenommen, welches gegen unlauteren Wettbewerb vorgeht. Die Änderungen werden im Oktober in Kraft gesetzt und setzen den Schwerpunkt auf Markenschutz, Umgang mit Geschäftsgeheimnissen und der Bekämpfung von betrügerischen Praktiken beim Online-Marketing. Wer zukünftig mit gefälschten Markenprodukten einen entsprechenden Umsatz generiert, kann mit Geldstrafen bis zum Fünffachen des illegalen Umsatzes rechnen. In schwerwiegenden Fällen kann sogar die Gewerbeerlaubnis entzogen werden. Die nach meiner Einschätzung wichtigste Änderung befindet sich im Artikel 8, wo das Zahlen von Bestechungsgeldern verboten ist. Diese Regelung wird nun auf das Verbot der Annahme von Bestechungsgeldern ausgeweitet, was somit beide Seiten auch nach diesem Gesetz strafrechtlich verfolgt. Denn die Bekämpfung von Korruption und von Zahlungen von Bestechungsgeldern ist eine große Aufgabe in China und bedarf einer größeren Aufmerksamkeit. Gerade wurde Li Xiaoqiang, der ehemalige stellvertretende Direktor der Abteilung für Emissionsaufsicht der chinesischen Wertpapieraufsichtsbehörde, aus der Partei ausgeschlossen und ein Korruptionsverfahren gegen ihn eingeleitet. Obwohl in den letzten Jahren zahlreiche Korruptionsprozesse auch öffentlich kommuniziert wurden, haben die Strafverfolgungsbehörden beim Kampf gegen Korruption in China noch einen langen Weg vor sich. Umso wichtiger, dass die diesbezüglichen Regelungen auch im Wettbewerbsgesetz verschärft werden.

Tópico LöwenPost