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Die sprachliche Radikalisierung von Donald Trump

Guten Morgen,

dies ist unsere US-Ausgabe. Naja, das ist vielleicht ein bisschen hochgegriffen, aber nÀchste Woche, am 5.11.2024, wÀhlt die USA einen neuen PrÀsidenten oder - zum ersten Mal - eine PrÀsidentin und deshalb schauen wir uns genauer an, wie sich zuletzt Donald Trumps Sprache verÀndert hat und was sich die deutsche Rechtsextreme davon abschauen könnte.

Einige Inhalte werden langmonatigen Leser:innen vielleicht bekannt vorkommen. Wir haben hier einen alten Artikel am Ende noch einmal kondensiert. Der erste Teil ist aber fĂŒr alle neu und wir hoffen, dass er dich interessiert.

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Herzliche GrĂŒĂŸe!

Um was geht’s?

“You know, now a murderer, I believe this, it's in their genes. And we've got a lot of bad genes in our country right now.”

“Wissen Sie, ein Mörder, das glaube ich, hat es in den Genen. Und wir haben im Moment eine Menge schlechter Gene in unserem Land.”

Das hat vor kurzem Donald Trump, der ehemalige und vielleicht kommende PrĂ€sident der Vereinigten Staaten von Amerika ĂŒber “undocumented migrants”, also nicht registrierte Migrant:innen gesagt.

Der Journalist Anderson Cooper nennt diese Rhetorik “echoes of historical not-good times (Opens in a new window)”, ein Nachklang aus einer schlimmen Zeit der Geschichte.

Es ist eine eigentlich unfassbare sprachliche Eskalation: Aber je nÀher die PrÀsidentschaftswahlen kommen, desto ungehemmter spricht Trump.

Wir wollen deshalb einen Blick in die USA werfen - auch weil Trump in Deutschland schon lange Politiker:innen sprachlich zu “inspirieren” scheint und Trumps aktuelle Sprache ein Vorgeschmack sein könnte, was bald auch hierzulande passiert.

🎱 Sprachliches aus-der-Form-Fallen

Bevor wir zu den Inhalten kommen, möchten wir uns zuerst die Form anschauen - also wie Trump spricht.

Das hat der Sprachforscher Florian ScherĂŒbl in diesem Text getan (Opens in a new window). Er erklĂ€rt darin, dass Trump im bisherigen Wahlkampf “erwartungsgemĂ€ĂŸ auf LĂŒgen, Verschwörungstheorien und Beleidigungen politischer Gegner setzte”, dass seine Reden aber im Vergleich zu frĂŒheren weitaus inkonsistenter, zusammenhangsloser und unsinniger seien.

ScherĂŒbl schreibt, dass Trump mit seiner “konfusen” Rhetorik oft nur noch darauf abziele, “mit krudesten Überleitungen zu republikanischen Aufreger-Themen zu wechseln (Transgender-Personen, Beleidigungen politischer Gegner, Verschwörungstheorien)” oder “SchlĂŒsselworte und Hohlphrasen zu bedienen, die Altright, White Supremacists, evangelikale Christen und andere potenzielle oder reale WĂ€hler der Republikaner” hören wollten.

Schon lange weicht Trump in seinen Reden vom Skript ab, aber mittlerweile verfĂ€llt er dabei oft in ein assoziatives Aneinanderreihen, das Sinneinheiten nicht mehr logisch miteinander verbindet und das sogar einen medial informierten Diskurs voraussetzt, um ĂŒberhaupt noch VersatzstĂŒcke und “geheime Passwörter (Opens in a new window)” einordnen zu können, die Trump von sich gibt. Weil seine AnhĂ€nger:innen aber dieselben Informationsquellen wie Trump haben, erkennen sie Begriffe wieder, reagieren darauf und Trump muss keine ZusammenhĂ€nge oder Inhalte mehr herstellen, sondern nur noch sprachliche Trigger setzen.

Wie er Trigger findet, das beschreibt dieser Text (Opens in a new window) am Beispiel von Transgender-Fragen, die er mittlerweile besonders gern thematisiert. Weshalb, das hat Trump im Juni 2023 auf einem Parteitag der Republikanischen Partei (Opens in a new window) selbst erklĂ€rt. Da sagte er, dass Leute nur sachte klatschen wĂŒrden, wenn er ĂŒber Steuern spreche, dass sie aber ausflippten, wenn er das Thema Transgender anschneide: “Es ist faszinierend, wie stark Sie alle reagieren”, so Trump damals.

Wenn Trump seine Themen gefunden hat, dann macht er damit Kulturkampf und/oder erschafft Feindbilder. Seine Rhetorik zielt laut ScherĂŒbl vor allem darauf ab, “aufs Äußerste die diffusen Ängste, Hoffnungen oder nur wilden Assoziationen einer WĂ€hlerschaft” zu adressieren.

❌ Historisch belastete Sprache - neu aufgelegt

Und dafĂŒr setzt Trump mittlerweile auf sprachliche Gewalt, die vor einiger Zeit noch unvorstellbar war. Das ist einerseits eine vulgĂ€re AggressivitĂ€t, wenn er etwa Kamala Harris als “Scheiß-VizeprĂ€sidentin” bezeichnet.

Da ist andererseits aber auch eine Radikalisierung, die sich zeigt, wenn Trump ĂŒber Migration spricht. Daran arbeitet er sich schon lange an ab (Opens in a new window), aber es war nie so drastisch.

2015 sagte Trump beispielsweise, dass aus Mexiko “not the best people” in die USA kĂ€men, weil sie Drogen dabeihĂ€tten. Dann waren es “Vergewaltiger”, “Kriminelle”, spĂ€ter bezeichnete er Migrant:innen als “bad hombres (Opens in a new window)”.

Mittlerweile entmenschlicht Trump Migrant:innen. Dieses Jahr sagte er, dass es “Tiere (Opens in a new window)” seien (“The Democrats say, ‘Please don't call them animals. They're humans.’ I said, ‘No, they’re not humans, they’re not humans, they’re animals”) oder dass sie „Hunde und Katzen essen“ wĂŒrden. Das ist schon eine Eskalation.

Aber sie geht noch weiter.

Jetzt nutzt Trump eine faschistische und nazistische Sprache (Opens in a new window). Er sagt, dass Migrant:innen das “Blut unseres Landes vergiften (Opens in a new window)” wĂŒrden. Das steht beinahe genauso in “Mein Kampf (Opens in a new window)”: “Alle großen Kulturen der Vergangenheit gingen nur zugrunde, weil die ursprĂŒnglich schöpferische Rasse an Blutsvergiftung abstarb.”

Und Trump macht weiter (Opens in a new window). Er sagt ĂŒber Migrant:innen, dass “in ihren Genen Mörder” steckten, dass in den USA “derzeit viele schlechte Gene” wandeln und sie “unser Land vergewaltigen” wĂŒrden - nur um dann bei einer folgenden Wahlkampfveranstaltung alle FaschismusvorwĂŒrfe von sich zu weisen und sich als “Gegenteil eines Nazis” zu bezeichnen.

Wie regelmĂ€ĂŸig und offensichtlich er sich dieser Sprache bedient, zeigt diese Sammlung (Opens in a new window).

Warum er das aber macht, versucht dieser Text (Opens in a new window) herauszuarbeiten. Demnach glauben Trump und sein Team, dass faschistische Sprache und eine politische Strategie wie in den 1930ern Erfolg versprechend sei - dass sie damit unentschlossene WĂ€hler:innen auf ihre Seite ziehen könnten. Deshalb schĂŒrten sie Hass gegenĂŒber Migrant:innen und politischen Gegner:innen, kĂŒndigten Massendeportationen (Opens in a new window) an oder ein Blutbad (Opens in a new window), sollte die Wahl nicht in ihre Richtung fallen und setzten darauf, dass die sprachliche AnkĂŒndigung von radikalen, gewaltvollen und gesetzeswidrigen Vorhaben fĂŒr Bereitschaft und UnterstĂŒtzung in der Bevölkerung sorgten, wenn es dann an die Umsetzung eben dieser Vorhaben gehe - so hĂ€tten es auch Diktatoren wie Hitler und Mussolini getan.

Am Ende heißt es in dem Text, dass diese Rhetorik noch nie in der modernen US-amerikanischen Politik angewendet worden sei, dass Trump aber ganz offensichtlich daran glaube, dass die WĂ€hler:innen ihn dafĂŒr belohnen werden.

đŸ—ș Die PlĂ€ne liegen offen da

Bei diesen angesprochenen gesetzeswidrigen Vorhaben sind Massendeportationen nur eines von vielen - und Beobachter:innen schenken Trump Glauben.

Einer, der immer wieder vor Trump warnt, ist Ex-General Mark Milley. Er sagte wohl einmal ĂŒber den PrĂ€sidenten, unter dem er gedient hat: “He is the most dangerous person ever (Opens in a new window).”

Warum, das hat gerade die New York Times (NYT) zusammengetragen. Herausgekommen ist eine Liste mit antidemokratischen PlĂ€nen, die Trump umsetzen will, wenn er gewĂ€hlt wird. Der vielfach geteilte Text heißt “Donald Trump Says He Will (Opens in a new window)”.

Demnach will Trump nach seiner MachtĂŒbernahme die Justizbehörden instrumentalisieren, um politische Gegner:innen und Kritiker:innen zu verfolgen. So habe er angekĂŒndigt, ab Tag eins seiner PrĂ€sidentschaft gezielt gegen Joe Biden und Kamala Harris (Opens in a new window) und deren Familien vorgehen zu wollen.

Weiterhin plane Trump, das MilitĂ€r gegen innere “Feinde”, die er vorwiegend im linken politischen Spektrum sieht, einzusetzen. Diese “radikalen Linken” seien eine Bedrohung fĂŒr die Nation (“we have some sick people, radical left lunatics. And I think they’re the - and it should be very easily handled by, if necessary, by National Guard, or if really necessary, by the military, because they can’t let that happen”).

Außerdem plane Trump Massendeportationen und Massenhaftlager fĂŒr Millionen Migrant:innen und Menschen ohne legale Aufenthaltsgenehmigung („with your vote, we will seal the border, stop the invasion and launch the largest deportation effort in American history“).

Auch habe Trump gedroht, die Vergabe von Bundesgeldern im Katastrophenfall an demokratisch regierte Staaten zu blockieren oder zu kĂŒrzen, falls diese seine politischen Forderungen nicht umsetzen. Auf die gleiche Weise wolle Trump auch Einfluss auf das Bildungswesen nehmen und Fördergelder an Schulen von “ideologischen Tests” abhĂ€ngig machen („on Day 1, I will sign a new executive order to cut federal funding for any school pushing critical race theory, transgender insanity and other inappropriate racial, sexual or political content onto our children”).

Im Text der NYT heißt es dann, dass diese Aussagen “so ungeheuerlich und haarstrĂ€ubend im Widerspruch zu den Normen und Werten der amerikanischen Demokratie” stĂŒnden, dass es schwerfalle, ihnen zu glauben. Deshalb habe die Redaktion der Zeitung zwei Worte fĂŒr die amerikanischen WĂ€hler:innen: “Believe him” - “Glauben Sie ihm.”

🍳 Trump, das große Vorbild

Donald Trump ist lĂ€ngst ein großes Vorbild fĂŒr extrem rechte Politiker:innen auf der ganzen Welt, auch in Deutschland. Ein Grund dafĂŒr hat der Politologe Marcel Lewandowsky (Opens in a new window) so erklĂ€rt: “Trump ist ein HoffnungstrĂ€ger fĂŒr die Neue Rechte. Viele von ihnen glauben, dass es zu einem autoritĂ€ren Umkippen kommen könnte, bei dem Trump fĂŒr die Abwicklung all dessen steht, was man hasst: das Woke, die akademische Linke, die UnterstĂŒtzung der Ukraine im russischen Angriffskrieg.” WĂŒrde die USA unter Trump eine autoritĂ€re Richtung einschlagen, könnte das zu einem internationalen Kipppunkt werden - “die USA als ein quasi-autoritĂ€rer Musterstaat und Vorbild fĂŒr Populisten und Autokraten auf der ganzen Welt”, sagt Lewandowsky.

Deshalb ist es gut möglich, dass ein Wahlsieg Donald Trumps in den USA am 5. November auch als ein Signal fĂŒr die AfD angesehen werden kann, ihm sprachlich und inhaltlich noch mehr nachzueifern, als man es bislang schon macht.

So hat sich beispielsweise Björn Höcke, Chef des als gesichert rechtsextremistisch eingestuften AfD-Landesverbandes in ThĂŒringen, erst kĂŒrzlich vor Gericht auf Trump berufen. Höcke war angeklagt worden, weil er öffentlich “Alles fĂŒr Deutschland” gesagt hatte - eine verbotene Parole der SA.

Nach Paragraf 86a Strafgesetzbuch steht darauf eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. Höcke verteidigte sich damit, dass er die historische Bedeutung der Worte nicht gekannt haben wollte. Stattdessen sagte der (Opens in a new window) ehemalige Geschichtslehrer, dass er an den “America First”-Slogan von Trump gedacht habe und diesen wohl auf seine Weise umformulieren wollte.

Das Gericht war davon nicht ĂŒberzeugt und verurteilte Höcke.

Orientierte sich Höcke hier recht lose an Trump, hat er das zuvor aber auch schon weitaus prĂ€ziser getan. Das zeigt das folgende Beispiel: “Sie sind nicht hinter mir her, sondern es geht um EUCH. Ich stehe ihnen dabei nur im Weg.” Das steht auf einem Sharepic, das Höcke in seinem Telegram-Kanal geteilt hat.

Es ist beinahe eine Kopie eines Trump-Beitrags aus dem Dezember 2019 auf (damals noch) Twitter. Darin stand: “In reality they're not after me, they're after you. I'm just in the way (Opens in a new window).”

Warum aber schreibt Höcke bei Trump ab? Das haben wir schon einmal in einem frĂŒheren Newsletter thematisiert. Hier folgt noch einmal die gekĂŒrzte und aktualisierte Fassung:

đŸ€ Sie teilen eine Ideologie

Donald Trump ist fĂŒr viele Neurechte ein Vorbild. Er hat es geschafft, mit populistischer Sprache politischen Erfolg zu haben und an die Macht zu kommen.

Es liegt also nahe, seine Narrative zu kopieren. Bei diesem Beispiel ist das die VerschwörungserzĂ€hlung einer abgehobenen Elite, die das Volk unterdrĂŒckt und nur am eigenen Machterhalt interessiert ist - sie agiert also antidemokratisch. Klassischer Populismus, wie die Friedrich-Ebert-Stiftung (Opens in a new window) erklĂ€rt (Seite 44f).

Wenn Trump sagt, dass “sie es auf euch abgesehen haben”, bedient er einen sogenannten vertikalen Antagonismus. Er zieht eine Trennlinie zwischen einem ehrlichen und moralischen Volk und einer korrupten und damit illegitimen Eliten. Wen er genau meint und welche finsteren PlĂ€ne “sie” verfolgen, das hat er auch schon einmal konkretisiert. Der entsprechende Ausschnitt einer Rede ist auf X (Opens in a new window).

Darin sagt Trump, dass die Demokratische Partei den “grĂ¶ĂŸten Betrug in der Geschichte der US-Politik” plane, weil sie dem Volk “die Waffen, die Krankenversicherung, die Wahlstimme, die Freiheit, die Richter:innen, einfach alles” wegnehmen wolle. Aber er, Trump, werde das verhindern. Er kĂ€mpfe dafĂŒr, weil die Existenz der USA auf dem Spiel stehe. Er sagt: “Es ist ganz einfach: Sie versuchen mich zu stoppen, weil ich fĂŒr euch kĂ€mpfe.”

Auch Björn Höcke bedient sich immer wieder dieser Elitenkritik, wenn er den etablierten Parteien in Deutschland illegitime Handlungen unterstellt. Beispielsweise hat er auf X geschrieben, dass sich “die bunten Kartellparteien den Staat zur Beute gemacht” hĂ€tten oder dass der “Regierungsextremismus Deutschland ĂŒberwinden wolle”, dass er sich aber, Höcke, dem entgegenstelle und sich “fĂŒr das Volk und seine Heimat” einsetze.

Es kommt mittlerweile sogar vor, dass Höcke die politischen Entwicklungen in den USA kommentiert und dabei nicht nur die VerschwörungserzĂ€hlung Trumps bedient und sogar das “Ziel” ĂŒbernimmt. Als Joe Biden seinen RĂŒckzug bekanntgegeben hat, schrieb Höcke (Opens in a new window), dass Biden ja “nur die Handpuppe fĂŒr andere war”. Denn laut Höcke stĂŒnden diejenigen, die entscheiden, nicht zur Wahl und diejenigen, die gewĂ€hlt werden, könnten nichts entscheiden.

🎯 Fokussierung und Personalisierung

Neben der Elitenkritik haben die SĂ€tze “Sie sind nicht hinter mir her, sondern es geht um EUCH. Ich stehe ihnen dabei nur im Weg” noch eine zweite Dimension. Sie machen die Person, die ihn ausspricht zur “Erlöserfigur (Opens in a new window)”. So drĂŒckt es Rechtsextremismus-Expertin Natascha Strobl aus.

Diese Erlöserfigur hat die Aufgabe, dem Volk seine SouverĂ€nitĂ€t zurĂŒckzugeben. Sie muss die Eliten stĂŒrzen. Sie ist auserwĂ€hlt, die UnterdrĂŒckung durch die Eliten zu beenden und das Volk zu “befreien”.

Strobl schreibt: “Es hĂ€ngt alles davon ab, ob sich diese einzelne Person durchsetzen kann. Der Politiker gibt sich selbst die Rolle des Sprachrohrs des Volkes und ist gleichzeitig der Einzige, der fĂŒr das Volk kĂ€mpft. Dadurch will er unantastbar werden, da angeblich jede Kritik an ihm auch dem Volk schadet, das er reprĂ€sentiert.” Es finde somit eine starke “Personalisierung und Fokussierung auf eine einzelne Person” statt.

Besonders eindrĂŒcklich hat das die AfD nach dem Attentat von Solingen und kurz vor der Landtagswahl in ThĂŒringen gezeigt. Da teilten sie den Hashtag “Höcke oder Solingen”.

Darin steckt: Nur Björn Höcke ist angeblich dazu in der Lage, Deutschland zu retten und es vor weiteren Attentaten zu beschĂŒtzen. Der Sprachforscher David Lanius hat diese rhetorische Konstruktion einmal das “Kernargument des Populismus” genannt. Das lautet so (Opens in a new window): “Populist:innen sind die einzige Rettung der Gesellschaft vor dem Untergang.”

Die argumentative Herleitung lautet so:

  1. Die Gesellschaft steht vor dem Untergang und muss gerettet werden.

  2. Die Gesellschaft kann nur gerettet werden, wenn die Populist:innen an die Macht kommen.

Daraus folgt: Die Populist:innen mĂŒssen an die Macht kommen.

Das findet sich auch in “Höcke oder Solingen” wieder. Hier wird unterstellt, dass Solingen immer wieder passieren wird. Es sei denn, dass Höcke gewĂ€hlt wird - er also an die Macht kommt. Er ist damit die einzige Rettung fĂŒr das Land. David Lanius findet dieses Kernargument des Populismus auch im Hauptslogan Donald Trumps: “Make America great again.” Lanius schreibt: “Diese Aussage setzt voraus, dass Amerika nicht mehr großartig ist. Eingebettet in den Kontext seiner ĂŒbrigen Rhetorik impliziert sie unmissverstĂ€ndlich, dass Amerika dem Untergang geweiht ist und gerettet werden muss.”

đŸ—łïž Anzweifeln demokratischer Wahlen

Eine weitere sprachliche Parallele, vor allem so kurz vor der US-PrĂ€sidentschaftswahl wichtig, ist das strategische Anzweifeln demokratischer Wahlen. In der Mitte-Studie (Opens in a new window) steht dazu, das gehöre “seit jeher zum Werkzeugkasten populistischer Politiker:innen und Parteien”. Damit wird das Ziel verfolgt, das demokratische System als unglaubwĂŒrdig, korrupt oder unrechtmĂ€ĂŸig (Opens in a new window) darzustellen.

Trump bedient sich dieser ErzĂ€hlung immer wieder, er hat auch schon lange vor seiner Wahlniederlage 2020 das GerĂŒcht vom “Wahlbetrug” geschĂŒrt und daraus spĂ€ter eines seiner wirkmĂ€chtigsten Narrative gesponnen: das von der “gestohlenen Wahl”.

Wie zerstörerisch Worte wirken können, zeigte der Sturm auf das Kapitol (Opens in a new window), der auch durch Trumps LĂŒge der stolen election ermöglicht worden war. Teilweise schwer bewaffnete BĂŒrger:innen wollten die Ernennung Joe Bidens verhindern und ihren “rechtmĂ€ĂŸigen” PrĂ€sidenten Trump zurĂŒck ins Amt heben. Beim darauffolgenden Kampf mit SicherheitskrĂ€ften und der Polizei wurden fĂŒnf Menschen getötet und viele verletzt.

Dass auch der AfD eine Wahl gestohlen werden könnte, das hĂ€lt Björn Höcke grundsĂ€tzlich fĂŒr möglich - das sagte er kĂŒrzlich in einem Interview (Opens in a new window). Deshalb appellierte er beispielsweise vor der Wahl in ThĂŒringen an die WĂ€hler:innen, dass sie in den Wahllokalen den Verantwortlichen ganz genau ĂŒber die Schulter schauen sollten. Er wisse zwar nicht, ob es hierzulande “systematische Manipulationen wie in den USA gibt”. Er wĂŒrde aber ab einem “gewissen Ergebnis nach unten fĂŒr die AfD Alarm schlagen”. Höcke sagt auch, ab wann: FĂŒr ihn fĂŒhle sich die Stimmung in ThĂŒringen “ganz ganz deutlich nach 30 Prozent plus X an und wenn es [das Wahlergebnis] darunter taxiert, werden wir der Sache auf den Grund gehen”.

Auch AfD-AnhĂ€nger:innen halten WahlfĂ€lschung in Deutschland fĂŒr möglich, wie das Institute for Strategic Dialogue herausgefunden hat. FĂŒr viele sei demnach “die Diskrepanz zwischen guten Umfragewerten vor der Wahl und niedrigeren Wahlergebnissen” nur mit Wahlbetrug zu erklĂ€ren.

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