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Grüße aus der Prokrastination

Von Hasnain Kazim - Schreiben, ach! / Bahntipp / Gaza / Nutznießerin Frau Dr. Bohne

Liebe Leserin, lieber Leser,

seit einem Vierteljahrhundert nun lebe ich vom Schreiben. Und es macht mir nach wie vor große Freude, die Freude wächst sogar mit der Zeit. Andererseits stimmt auch dieser Spruch, den damals eine meiner Journalistenausbilderinnen, Sibylle Krause-Burger, immer zitierte: “Schreiben ist die Hölle, Geschriebenhaben das Paradies.” Manchmal ist das tatsächlich so. Es kommt immer auf die Form an, die eigene wie auch die des Textes. Und aufs Thema. Manchmal fließt es, dann wieder weiß man nicht, wo anfangen. Vor “writer’s block” und der Angst vorm weißen Blatt Papier (oder dem weißen Bildschirm) fürchte ich mich nicht, das Problem habe ich, zum Glück, nicht!

Derzeit schreibe ich an einem schwierigen Thema, tue es ganz gern, Ende des Monats muss ich das Manuskript abgeben, mehr dazu ein anderes Mal, denn es ist ja früher Morgen, ich muss jetzt mal kurz ins Netz schauen, was es Neues gibt, und ach, da fällt mir ein, die Dunstabzugshaube müsste auch mal wieder von oben gewischt werden, die Filter darin könnte ich dann gleich mitwaschen, und huch, sind die Fenster aber schmutzig!, das geht so nicht!, aber erst einmal einen Kaffee kochen, na ja, danach kann ich die Kaffeemaschine mal entkalken, na, die Terrasse gehört unbedingt gefegt, ich könnte auch mal Sebastian anrufen, von dem habe ich schon lange nichts mehr gehört, und oh, es ist Zeit für die Gassirunde mit Böhnchen, und demnächst kommt die Familie von ihrer mehrtägigen Reise wieder nach Hause, da könnte ich für sie mal etwas kochen, dann muss ich vorher aber einkaufen gehen, zum Asiamarkt könnte ich auch gleich, die Gewürze sind nämlich alle, und da ist doch dieser schöne Schreibwarenladen in der Nähe, den ich neulich entdeckt habe, bei dem könnte ich gleich mal reinschauen, die Waschmaschine könnte auch mal gründlich von innen und außen gereinigt werden, so, jetzt ein Glas Wein, nun ist schon Abend, jetzt lohnt sich auch nicht mehr, mit dem Schreiben anzufangen, das war ein anstrengender Tag!

Warum schreibe ich Ihnen das? Weil ich mich jetzt wirklich mal ans Manuskript setzen muss! Und daher fallen die “Erbaulichen Unterredungen” heute und vielleicht auch noch in der kommenden Woche etwas kürzer aus. Sehen Sie’s mir nach. (Seltsamerweise funktioniert bei mir Schreiben als Ablenkung vom Schreiben nicht.)

Tipp für neue Bahnführung

Diese Woche, las ich, wurde Bahnchef Richard Lutz vorzeitig als Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn abberufen. Als Gründe wurden, so las ich weiter, angeführt: Pünktlichkeitsprobleme, finanzielle Verluste und Infrastrukturmängel. Neu sind diese Probleme ja nicht…

Wenn ich Verkehrsminister Peter Schnieder einen Rat geben darf: Ich würde die komplette Bahnspitze besetzen mit Japanern. Und ihnen zusichern, dass sie in ihrem Handeln freie Hand haben. Und das dann auch durchsetzen.

Ich garantiere: Dann wird alles besser!

Journalist, Terrorist, ach!

Vergangene Woche wurden im Gaza-Streifen wieder Journalisten getötet, und das Schicksal von Anas al-Sharif machte weltweit Schlagzeilen. Ich bin mehrfach, zum Teil interessiert, zum Teil aggressiv gefragt worden, warum ich mich mit keinem Wort dazu geäußert habe.

Ich werde das auch hier nicht in vielen Worten tun, da dieses Thema eigentlich eine ausführliche, vertiefte Betrachtung verdiente. Nur so viel: Dass Menschen sterben, getötet werden, im Krieg, auch Unschuldige, Zivilisten, Kinder, ist etwas, das mensch kaum aushalten kann. Ich habe auch Bilder gesehen von Sharifs Tochter. Kein Kind verdient es, seinen Vater zu verlieren.

Über Anas al-Sharif sind viele Informationen im Umlauf, das meiste davon für mich nicht überprüfbar. Dass er ein Fan der Hamas war, unfassbar Menschenverachtendes nach dem Terror vom 7. Oktober 2023 veröffentlicht und an Übungen der Hamas teilgenommen hat mit der Waffe in der Hand, scheint, da es verschiedene Quellen dafür gibt, zu stimmen. War er ein Hamas-Kämpfer? Ein Terrorist? Ich weiß es nicht. Dass er für Al Jazeera berichtet hat, einen Sender, der kein Geheimnis daraus macht, für wen er Partei ergreift, stimmt auch. Hat er zuletzt ausschließlich journalistisch gearbeitet? I don’t know.

Man will nicht verbittern und nicht abstumpfen, nicht hassen und nicht verfluchen. Aber auch keine Empathie heucheln für jemanden, der nachweislich am 7. Oktober 2023, noch während der Hamas-Terror in Israel in vollem Gange war, in seinen Telegram-Kanal schrieb: “Neun Stunden und die Helden streifen immer noch durch das Land, töten und nehmen Gefangene… Gott, Gott, wie großartig ihr seid”, dazu drei grüne Herzen.

Ich weiß, nicht zuletzt auch aus eigener Erfahrung, dass manche schnell dabei sind, Journalisten zu diffamieren: als “Agenten”, “Aktivisten” oder eben: “Terroristen”. Bei Sharif spricht aber für mein Empfinden viel, ja viel zu viel dafür, dass er tatsächlich ein Hamas-Bruder war.

Genügt das, seine Tötung zu rechtfertigen? Nein. Verstehe ich die Kritik an seiner Tötung? Ja, zumal auch andere Journalisten ums Leben kamen. Solange nicht zweifelsfrei klar ist, ob jemand Kombattant in einem militärischen Konflikt ist, darf er kein militärisches Ziel sein. Ich kann die Informationen über Sharifs Status nicht überprüfen. Was ich aber an glaubwürdigen Informationen habe, genügt, dass ich keine weiteren Worte über ihn verliere.

Und wenn ich dann höre (unter anderem auch leider von Vertretern der Uno), die Hamas sei nun mal eine “politische Organisation”, eine “Widerstandsbewegung”, “von der Mehrheit der Menschen in Gaza gewählt”, auch “heute noch von einer Mehrheit getragen”, “ob es uns gefällt oder nicht”, kann ich nur sagen: Das ist ein ganz, ganz großes Problem. Ein riesengroßes Problem, wenn eine Terrororganisation, die so etwas wie den 7. Oktober 2023 zu verantworten hat, auch noch von vielen Menschen unterstützt wird.

Hündische Nutznießerin

Wer im Moment davon profitiert, dass ich am Schreibtisch sitze (wenn ich nicht gerade die Dunstabzugshaube putze oder staubsauge), jedenfalls die meiste Zeit zu Hause bin, ist Frau Dr. Bohne. Sie liegt in diesen Tagen gerne unterm Schreibtisch oder begleitet mich bei meinen alltäglichen Prokrastinationsversuchen.

So schaut sie mich bisweilen an:

Und kaum hat sie gefressen oder eine Gassirunde hinter sich, schläft sie gemütlich ein, immer mit einem Ärmchen sich meiner Nähe vergewissernd, dass ich ja nicht wieder abhaue:

Eigentlich könnte ich ja noch eine Runde mit dem Hund kuscheln, es ist Sonntagmorgen, ich könnte noch Brötchen, pardon, Semmeln holen gehen. Schreiben kann ich später noch.

Ihnen einen schönen Sonntag und eine angenehme Woche, herzliche Grüße aus Wien,

Ihr Hasnain Kazim

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