#1 - Die Gehörnte Mauerbiene
Da es gerade sehr gut passt, weil sie zur Zeit rumfliegen, machen die Gehörnten Mauerbienen (auf schlau: Osmia cornuta (Opens in a new window)) den Anfang. Es ist sicherlich besser, erstmal eine Biene zu sehen, bevor es mit der Theorie losgeht.
Auch kann man Gehörnte Mauerbienen leicht erkennen und man muss nicht sehr lange nach ihnen suchen. Im Gegenteil, vor Bienennisthilfen findet man sie im März/April oft geradezu massenhaft und sie kommen vor allem im Siedlungsbereich vor. Auch in größeren Städten. Letzte Woche habe ich ein Mauerbienenmännchen vor einem Blumenladen gesehen, welches die draußen stehenden Blumen inspizierte. Das hat mich sehr erfreut. Die Gehörnten Mauerbienen heißen so, weil die Weibchen vorne am Kopf zwei Hörnchen haben (oben auf dem Bild mit einem weißen Pfeil markiert). Ansonsten sind Kopf und Mittelteil schwarz mit schwarzer Behaarung und das Hinterteil ist orangerot behaart. (Mittelteil und Hinterteil heißen auf schlau Thorax und Abdomen. Für diesen Newsletter ist es nicht wichtig, dass ihr euch Fachbegriffe (Opens in a new window) merkt, aber wenn ihr euch sicherlich bald weitere Bienenliteratur anschaut, kann das sehr helfen. Persönlich benutze ich Mittelteil und Hinterteil gerne im Gespräch mit anderen insektenkundigen Menschen, um dann zu warten wie lange es dauert, bis ich korrigiert werde. Manche Menschen haben eine erstaunlich niedrige Toleranzschwelle.)
Bei den Männchen (von mir auch manchmal Bieneriche genannt) sind Kopf und Mittelteil grundsätzlich auch schwarz, aber weiß behaart. Das ist gleich etwas, was bei der Bienenbestimmung wichtig ist. Die Kutikula der Bienen (sozusagen die superstabile Bienenhaut - auch Außenskelett genannt) hat eine Farbe und die Haare haben oft eine andere. Das Hinterteil der Männchen ist wie bei den Weibchen rostrot behaart. Was man auf den Fotos gut sieht, ist, dass die Männchen längere Fühler haben als die Weibchen. Am besten sieht man den Unterschied zwischen Männchen und Weibchen natürlich, wenn sie aufeinander sitzen. Von vorne betrachtet, sehen die Männchen ein wenig so aus, als hätten sie kleine weiße Schnauzer.
Im Gegensatz zur allseits bekannten Honigbiene lebt die Gehörnte Mauerbiene allein und nicht in einem Volk. Man nennt dies auch eine solitäre Lebensweise. Dies bedeutet, dass ein einzelnes Weibchen ohne die Hilfe von Artgenossen ein Nest baut und die Brut versorgt. Wie und wo Bienen ihre Nester bauen unterscheidet sich von Art zu Art. Gehörnte Mauerbienen nutzen zum Nestbau vorhandene Hohlräume verschiedenster Art. Natürlicherweise wären das zum Beispiel alte Fraßgänge von Käfern in Totholz oder auch verlassene Nester von anderen Solitärbienenarten. Im Siedlungsbereich nisten die Gehörnten Mauerbienen in Ritzen, Spalten oder Löchern in Mauern oder Holzkonstruktionen. So zum Beispiel in extra dafür gebauten Nisthilfen oder auch unserer Gartenbank.
Die Nester sind oft sogenannte Linienbauten, das heißt, es werden einzelne Brutzellen hintereinander in Reihe gebaut – sozusagen ein Zimmer am anderen. Vor allem in den Nisthilfen liegen die Nesteingänge sehr nah aneinander. Es stellt sich also die Frage, wie findet dort ein Bienenweibchen den Eingang zum eigenen Nest? Zum Teil passiert das visuell, das heißt, sie sehen es einfach. Haben ja schließlich Augen im Kopf. Dies stellten forschende Menschen fest, in dem sie verschiedene Formen um die Nester herum anbrachten. Wurden Formen ausgetauscht, oder weggenommen, fanden weniger Weibchen ihr eigenes Nest beim ersten Versuch. Aber! Letztendlich fanden fast alle Weibchen nach mehreren Versuchen nach Hause – es hat nur etwas länger gedauert. Und da wusste der Mensch, aha, Sehen ist schon irgendwie wichtig, aber es ist nicht alles. Später stellte man fest, dass die Weibchen mit der Hinterteilspitze die Innenseiten der Nestwände betupfen und dann mit ihrer gesamten Körperoberfläche an den Wänden entlangreiben. Sie markieren also ihr Nest mit ihrem eigenen Geruch und erkennen es so wieder. Zu Hause riecht halt nach zu Hause.
Da Gehörnte Mauerbienen auch für die Bestäubung im Obstbau eingesetzt werden, gibt es zum Sammelverhalten dieser Art relativ viele Studien (also im Vergleich zu anderen Solitärbienen, nicht im Vergleich zu Honigbienen). Wenn am Morgen mindestens 9 bis 12°C sind, fliegen die Weibchen aus zum Sammeln. Nektar und Pollen werden gleichzeitig gesammelt. Das ist bei Honigbienen anders, hier sammeln die Arbeiterinnen entweder Nektar oder Pollen. Zurück am Nest, krabbeln die Weibchen erst vorwärts hinein, spucken den Nektar aus, um dann wieder herauszukommen, sich zu drehen, rückwärts wieder hineinzukrabbeln und den Pollen abzuladen. Gehörnte Mauerbienen gehören zu den Bauchsammlern. Das heißt, sie sammeln den Pollen in ihren Bauchhaaren (auch Bauchbürste genannt). Man kann das ein bisschen damit vergleichen, dass bei Menschen die Haare um den Bauchnabel dafür sorgen, dass sich Fusseln im Bauchnabel ansammeln. Ist kein Scherz. Hat man nachgewiesen. Auf dem Foto sieht man ein Weibchen der Gehörnten Mauerbiene mit Pollen-beladener Bauchbürste. Im Nest wird der Pollen dann mit den Hinterbeinen von der Bauchbürste heruntergekrazt.
Ein Weibchen fliegt nun mehrere Male hin- und her, bis genug Futter für den Nachwuchs gesammelt ist, und dann wird auf das Futter ein Ei gelegt. Wieviel Futter es gibt, ist abhängig davon, ob aus dem Ei später mal ein Männchen oder Weibchen wird. Zukünftige Mädels bekommen rund 70% mehr Futter als zukünftige Jungs. Da für Mädels mehr Futter gesammelt werden muss, als für Jungs, werden ein bisschen weniger Mädels als Jungs großgezogen. Das genaue Verhältnis ist abhängig von vielen verschiedenen Dingen. Da Menschen gerne rechnen, hat man ausgerechnet, wie oft ein Weibchen hin- und herfliegen muss, um den Nachwuchs zu versorgen. Für einen zukünftigen Jungen sind es 17 Sammelflüge, für ein Mädel 27. Und das wiederum bedeutet rund 1000 beziehungsweise 1600 Blüten. Im Fall der Studie waren das Mandelblüten.
Und jetzt kommen wir zu dem Punkt, warum Mauerbienen, Mauerbienen heißen. Zwischen den einzelnen Brutzellen wird in der Tat gemauert. Die Weibchen fliegen los und sammeln feuchte Erde bzw. Lehm, um dann damit zwischen den Brutzellen jeweils eine Wand hochzuziehen. Die Erde wird mit den Mundwerkzeugen (auf schlau Mandibeln (Opens in a new window)) gesammelt und damit wird dann auch gemauert. Pro Nest gibt es vier bis zwölf Brutzellen hintereinander und als Nestverschluss wird dann noch ein besonders dickes Stück Mauer eingebaut. Jetzt kommen einige fotografische Highlights. Ich bin auf diese sehr stolz. Auf dem ersten Foto sieht man ein nur etwas unscharfes Weibchen auf der Erde sitzen. Das war auf einem Feld fast direkt vor unserer Haustür. Auf dem zweiten Foto seht ihr an der selben Stelle zwei Weibchen. Das völlig unscharfe Weibchen im Vordergrund hält mit den Mundwerkzeugen einen Erdklumpen fest. Man kann das ganz eindeutig erkennen. Genauso eindeutig kann man auf dem dritten Foto im Gegenlicht ein Weibchen sehen, welches mit einem Klumpen in den Mundwerkzeugen zu unserer Bienennisthilfe fliegt. Auf dem letzten Foto verschließt das Weibchen dann den Eingang.
Nach ungefähr einer Woche schlüpft aus einem Ei eine Larve, die den Futtervorrat auffrisst, sich einen Kokon spinnt und sich verpuppt. Aus der Puppe entwickelt sich die erwachsene Biene. Das dauert insgesamt ungefähr 5 Monate. Die erwachsene Biene hockt dann den ganzen Herbst und Winter im Kokon in ihrer Brutzelle. Ob das für die Biene sehr langweilig ist, weiß man nicht. Bei enstprechenden Temperaturen im Frühling schlüpfen zunächst die Männchen aus den Nestern und etwas später die Weibchen. Wann genau die erwachsenen Tiere schlüpfen, ist nicht nur abhängig von der Temperatur im Frühling, sondern auch von der Länge des Winters. Ist der Winter zum Beispiel kürzer als 30 Tage, schlüpfen nur sehr wenige Tiere überhaupt. Je länger der Winter dauert, desto weniger Tage mit Frühlingstemperaturen sind dann nötig. Bei nur 30 Tagen Winter, braucht es rund 40 Tage Frühlingstemperaturen, damit geschlüpft wird, bei 4 Monaten Winter sind es nur noch 10 Tage Frühling. Vor allem die Männchen sieht man nach dem Schlupf des Öfteren auf Baumstämmen in der Sonne sitzen. Es gibt dazu noch keine wissenschaftliche Studie, das ist ein persönliches Gefühl. Vielleicht setze ich mich aber am nächsten warmen Tag vor meinen Lieblingsbienenbaum im Botanischen Garten und zähle die sich sonnenden Bienen. Bis zum nächsten Mal!
Literaturverzeichnis:
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