Wochenplannewsletter #44

Geliebte Pod-Nation, Achtung!
Nochmal Andre hier, einfach, weil dieser Newsletter nunmal schon fertig war. Und um die folgende, dringende Warnung auszusprechen:
Sie kommt zurück!
Die letzten Wochen wähnten sich viele in falscher Sicherheit. Es regnete, es stürmte, aber es blieb insgesamt relativ kühl. Doch diese Woche droht der Wetterbericht ab Donnerstag mit… SONNE! Wahre Gentlemen und Ladies wissen: alle Temperaturen sind unzivilisiert, die man nicht im Anzug angenehm ertragen kann. Die genaue Demarkationslinie mag individuell sein, aber die Faustregel lautet: Bei überschreiten der 20-Grad-Grenze steht die Barbarei vor den Toren. Schwitzen, ausdünsten, allgemeines verflüssigen droht mit jedem Celsius das hinzukommt. Und nun kündet der Wetterbericht: Ein weiterer Angriff auf unsere Feststofflichkeit steht bevor! Der Kampf gegen die fette, gelbe Sau am Himmel ist nicht vorbei. Seit vor Jahrtausenden irgendein schlauer Urmensch am Äquator gesagt hat “Dicker, ich schwitz wie ein Schwein, lass Norden gehn!” befinden wir uns auf der Flucht. Wie lange noch, frage ich? Wieso, lassen wir uns das gefallen? Es ist ja nicht nur die Hitze. Sechs Uhr morgens schon hell, weil das Ding meint, jetzt ist Aufstehzeit! Hautkrebs, Sonnenallergie, ausgebleichte Bettwäsche - Stunden um Stunden findet jeden Tag ein unablässiger Angriff auf uns statt. Ich sage: Genug! Irgendjemand muss da jetzt mal irgendwas tun und warum nicht wir? Als Übergangslösung schlage ich vor, alle künftigen Windkraftanlagen tiefer zu bauen, und sie als Ventilatoren einzusetzen. Derweil bauen wir diesen Antrieb, den ich neulich in der Doku “The Wandering Earth” gesehen habe und dann versetzen wir den Planeten eben bei Bedarf einfach mal ein paar Meter nach hinten, bis wieder kühl ist. Außerdem ist CO2 schwerer als Luft, wird dabei also garantiert nicht so schnell hinterher kommen und dann sind wir das auch los! Ich schlage vor, mich zum Erdherrscher zu wählen, damit das endlich mal einer angeht. Im Gegenzug verspreche ich, das alle neuen Kalendertage in unserer neuen Umlaufbahn, Feiertage werden! Das sind…keine Ahnung…easy zwei Wochen! Denkt daran: Wir machen diese Dinge, nicht weil sie leicht sind, sondern gerade weil sie schwer sind! Und weil Sommer und Hitze scheiße sind! Und wegen der Feiertage! Und weil die Erde dann im Grunde ein Raumschiff ist und dann machen wir an jedem dritten Jahrestag auch einfach mal ne Spritztour! Lasst euch nicht von ein paar kühlen Regentagen verarschen! Die Zeit zu handeln war gestern! Vielen Dank.

Captain Blood
Ich habe neulich aus irgendeinem Grund wieder an „Captain Blood“ gedacht. Das passiert mir alle paar Jahre immer wieder und ich habe keine Ahnung, warum. Wir haben „Captain Blood“ nicht irre viel gespielt. Wir haben „Captain Blood“ ehrlich nicht besonders gemocht. Ich habe das Spiel mit damals so ca 12 Jahren auch nicht verstanden. Aber Fetzen von dem Ding hängen in meinem Hirn fest.
Zuerst denke ich an die Verpackung: Das Spiel kam zu uns in einer kleinen, flachen Kartonage, die an eine zu klein geratene Schallplattenhülle erinnerte. Darauf war eine Spiralgalaxie zu sehen und der Titel: „Die Arche des Captain Blood“. Wir hatten das Ding glaube ich auf Datasette, also im Grunde eine normale Tonkassette voll mit Computer-Wahlgesang. Zwanzig Minuten elender Piepstöne flossen also vor jedem Start vom Abspielgerät Richtung Schneider CPC (stellt euch einen C64 vor, aber mit geiler Technik).

Dann, denke ich an das Interface. Statt einem Mauscursor steuert man den Arm von Captain Blood. Ein seltsam glitschiger Arm mit transparenter Haut und blauen Venen, in meiner Erinnerung. Es war seltsam, ein bisschen eklig, aber faszinierend. Man steuerte selbst ein komisches Alien. Dachte ich.
Was nicht stimmt. In dem Spiel steuert man eigentlich einen Spieleentwickler, der Tron-style in sein eigenes Werk gesogen wurde. Dabei wurde Bob Morlock, so heißt er scheinbar, in 30 identische Klone aufgespalten, die alle einen Teil seiner Lebensenergie beinhalten. Nun reist er in einem biomechanischen Raumschiff (man denke an Gigers Designs der Alien-Nester) durch das All um sich diese Lebensenergie wieder einzuverleiben. Die meisten davon hat er schon aufgespürt und im Spiel müssen wir nur die letzten fünf davon einsacken. Nichts davon habe ich damals gewusst.

Meine Zentrale Erinnerung an das Spiel ist aber zugleich der Kern des ganzen: „Papa weinen“. Das sind Worte, die wir bei uns in der Familie immer gerne als Running Gag wiederholt haben. „Gesprochen“ wurden sie von einem komischen kleinen Alien, das aussah wie ein abgelehntes Mitglied der Fraggles mit heraushängender Zunge. Kern des Spiels war es genau solche Unterhaltungen zu führen. Als Captain Blood spürt man Lebensformen auf und versucht die irgendwie nach Hinweisen über den Verbleib meiner Klone zu befragen. Und dieses eine Alien war oft unter den ersten, die man trifft und hat in einer Tour etwas von „Papa weinen“ geredet. Keiner von uns hat je erfahren, warum es das redet. Wir hatten da schon bald keinen Bock mehr.
Denn der Clou ist folgender: Unterhaltungen mit den Aliens laufen nicht über Textausgabe, sondern über eine Symbolsprache. Also wie Dialoge mit Teenagern, kurz nach dem kulturellen Durchbruch von Emojis. 🙋😄🍌🤝🔥 könnte 1:1 als Dialog in “Captain Blood” durchgehen und damals wie heute ist unklar, ob das betreffende Alien uns uns zum Essen am Lagerfeuer einladen will, oder Aufklärung über Geschlechtskrankheiten betreibt. Tatsächlich ist nichtmal klar, ob der pinke Tausenfüßler-Oktopus vor uns überhaupt ein Wort verstanden hat. Manchmal blubberten sie einfach wirres Zeug hervor, als könnten sie an keinem Frosch vorbeigehen, ohne dran zu lecken. Andere Male waren sie tödlich beleidigt, weil sie hinter “Hallo, Freund, Winken” eine unerträgliche Herabwürdigung ihrer uralten Tradition des Glücksfroschleckens vermuten mussten. So nehme ich an.

Dank Internet weiß ich inzwischen, dass das Alien wohl irgendwas über seinen Vater erzählt, der auf einem anderen Planeten gefangen genommen wurde. Der erste Brotkrumen, dem man in dem Spiel folgen kann, wenn man mit den richtigen Symbolen die richtigen Koordinaten aus ihm rauskitzelt. Das Spiel bietet zu diesem Zweck 100+ Symbole zur Kommunikation an. Das klingt erstmal cool, weil mehr erstmal immer cool klingt. In der Praxis ist es aber wie ein neuer Xbox-Controller mit 100+ Buttons.
Das letzte, woran ich mich erinnern kann, ist die Planetenzerstörung. Jeden Planeten, den man in „Captain Blood“ besucht, kann man per Knopfdruck komplett vernichten. Ich hatte keine Ahnung warum. Aber es sah cool aus. Wie die Explosion der Nostromo am Ende von „Alien“. Das wusste ich damals auch schon, weil ich den heimlich mit meiner Schwester geschaut habe, da ging ich noch in den Kindergarten. Also wurden viele Planeten vernichtet. Aus Langeweile.

Witzigerweise gibt es hierzu keinen erweiternden Hintergrund. Die Planetenzerstörung war spielmechanisch wohl wirklich völlig nutzlos. Dein, weil Planetenzerstörung halt der Vibe war, auf dem die Entwickler surfen wollten. Die schockierendste Enthüllung war hier für mich, wie viel geiler das Ganze damals auf einem Amiga ausgesehen hätte (aber auch viel weniger, wie die Explosion aus Alien, weil da mit Fraktalen gearbeitet wurde). Fucking Amiga…was ich da alles verpasst habe.
Das einzig positive ist, dass mich Captain Blood perfekt auf die Zukunft vorbereitet hat. Mit zitternden Händen, gefangen in einem zerfallenden Körper versuchen, irgendwie die richtigen Symbole auszuwählen? Mit Kunstwesen kommunizieren die immer antworten, ohne wirklich ein Wort zu verstehen? Danke, Captain ChatGPT, ich bin bereit. So verliere ich auch nicht die Nerven, wenn ich durch die endlose Emoji-Liste meines Handys scrolle, um zu sehen, ob es ein Capybara-Symbol gibt.
Was ich aber auch daraus mitnehme ist: Welche Spiele einem im Kopf bleiben hat manchmal nichts mit der Qualität der Spielerfahrung zu tun. „Captain Blood“ war als Spiel in meiner Erinnerung zäh und verwirrend und frustrierend. Es ist auch nicht eines der Spiele, die ich mit meinem Bruder (war damals noch ein Baby) oder mit meinem Vater (hatte glaube ich nach einem Tag schon keinen Bock mehr) gespielt habe. Alle Erinnerungen an das Ding sind „Ich, allein vor dem CPC“-Erinnerungen. Das erste Resümee, das mir dazu einfällt, ist „Scheißspiel“. Aber hier bin ich, über 35 Jahre später, und schreibe Erinnerungen auf, über „Captain Blood“, weil dieses kryptische, unbefriedigende Ding Spuren hinterlassen hat. Vielleicht ein Plädoyer dafür, einfach anders zu sein. Für starkes visuelles Design. Und für einen Planetenzerstörungsknopf, einfach weil.
The Pod: Backstage
Kleine kalte Dusche zum Abschluss: Wegen eines vollen Terminkalenders wurde dieser Newsletter schon vor dem Planungsmeeting getippt und wegen Internetproblemen die mich gerade wirklich WAHNSINNIG machen konnten wir uns beim Planen praktisch nicht verstehen und bevor jetzt scheinbar das Internet zusammenbricht, wird er als vermutlich letzte Botschaft der menschlichen Zivilisation eilig verschickt. Ironischerweise, für einen Newsletter der schon vor Montag fertig war, erst zu späterer Stunde, weil ich im Backend einfach kein einziges Bild gespeichert bekam. Kurz: der beliebte Blick hinter die Kulissen muss ausnahmsweise entfallen. Ich stehe daher vor euch, mit leeren Händen und heruntergelassenen Hosen und bitte um Nachsicht und Gnade. Ich weiß, da gibt es weiter diese Lieferkettenschwierigkeiten, aber vielleicht findet ihr ja noch was in der Couchritze oder so?
Was ich aber anbieten kann, ist ein Rätsel zum Sonntag, das diesmal zu 100%* den richtigen Podcast anteasern wird!
Ein bisher nie dagewesenes Podcast-Duo spricht über ein altes Spiel, das neu gemacht wurde, aber nicht so wirklich nur über das alte Spiel, sondern über das Neumachen von alten Spielen.
*…100% meint hier einen Gewissheitskorridor von bis zu, aber nicht notwendigerweise, über 50%, möglicherweise sogar höher, aber innerhalb einer Fehlertoleranz von ± 70%, ohne Gewährleistungspflicht.
Eine gediegene, wunderbare Woche an euch, von uns allen!
Eure Pod-Crew