Gesunde Ernährung ist einfach – aber das verkauft sich nicht
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Was soll das eigentlich sein, „gesunde Ernährung?“
Kommt drauf an, wen du fragst:
Einen Diät-Guru?
Die Rückseite eines Proteinriegels?
Oder deinen Algorithmus?
Ich habe mich als Journalistin jahrelang mit Ernährungsfragen beschäftigt. Dann habe ich damit aufgehört. Nicht, weil ich alles wusste. Sondern, weil ich festgestellt habe, dass es eine wirklich simple Antwort auf die Frage gibt, was gesunde Ernährung bedeutet. Dass sie nicht alle kennen, liegt daran, dass diese Antwort keine Bestseller verkauft. Und auch keine Angeber-Lebensmittel mit komplizierten Zutatenlisten.
Einer, der das wirklich gut in Worte gefasst hat, ist James Currie. Er ist Koch und einer der Stars der sympathischen britischen Youtube-Kochshow „Sorted“. In einem Live-Video sah er zu, wie ein Kollege dicke Lasagne-Scheiben frittierte – panierter Käse, mehrere Lagen, ordentlich Crunch. Natürlich kam die Frage: „Ist das noch gesund?“ Currie zuckte mit den Schultern. Ein bisschen Junkfood sei völlig okay, sagte er sinngemäß – vor allem für die Seele. Das ganze Geheimnis gesunder Ernährung? Ausgewogen essen. Nur: Diese Botschaft verkauft sich nicht. „High Protein verkauft sich.“
Es stimmt: Irgendwie hat sich in den letzten Jahren die Vorstellung durchgesetzt, gesundes Essen sei eine Frage optimierter Inhaltsstoffe: Protein, Omega-3, Vitamine, Minus-Zucker, Plus-Mineralien, „gute“ und „schlechte“ Fette. Eine Welt voller Nährwerte, aber ohne klares Gefühl dafür, was uns eigentlich guttut. Der Journalist und Ernährungskritiker Michael Pollan nennt das Nutritionism.
So kommt es, dass Studien erschienen wie neulich in Nature Medicine (Öffnet in neuem Fenster). Auf den ersten Blick versteht man überhaupt nicht, warum es sie gibt. Sie ist eine der bislang genauesten Untersuchungen zur Frage, was passiert, wenn Menschen wochenlang nur Fertiggerichte oder frisch zubereitete Lebensmittel essen. Die Forschenden wollten wissen, ob sich beides unterschiedlich auf das Gewicht und die Gesundheit der Menschen auswirkt.
Die kurze Antwort: Ja.
Einfach mal an Äpfeln überfressen – gar nicht so einfach
55 Teilnehmende bekamen streng kontrollierte Mahlzeiten. Die einen aßen also zum Beispiel Haferflocken mit Beeren, Salat und gegrilltes Huhn oder ein vegetarisches Thai Curry, alles minimal verarbeitet (MPF-Dität). Die anderen bekamen Müsliriegel, abgepackte Sandwiches, TK-Mahlzeiten und Kartoffelchips (UPF-Diät). Beide Gruppen durften so viel essen, wie sie wollten, ohne Kalorienvorgaben und Portionsbeschränkungen.
Das Nährstoffprofil folgte bei beiden Gruppen den britischen Ernährungsempfehlungen. Alle bekamen also die Nährstoffe, die sie brauchten. Das Ergebnis: Alle Teilnehmenden aßen bei dieser super ausgewogenen Ernährung weniger Kalorien als sonst und verloren etwas Gewicht. Aber: Diejenigen, die minimal verarbeitete Lebensmittel aßen, nahmen rund ein Kilo mehr an Gewicht ab. Sie spürten auch weniger Heißhunger.
Das legt nahe: Es hat keinen Sinn, allein auf perfekt abgestimmte Nährstoffe zu schauen. Der Körper reagiert auf naturbelassene Lebensmittel anders.
Die Autorinnen und Autoren der Studie vermuten außerdem, dass ultra-verarbeitete Lebensmittel ganz bestimmte Mechanismen triggern:
Sie stillen den Appetit schlechter.
Sie schmecken intensiver – oder werden zumindest so empfunden.
Sie machen es schwer, rechtzeitig aufzuhören.
Man könnte auch sagen: Es ist viel schwerer, sich an Äpfeln zu überfressen, als an Chips.
Klingt banal? Finde ich auch. Vielleicht ist es auch ein Zeichen dieser Zeit, dass wir offenbar aufwändige Studien brauchen, um etwas so Simples zu zeigen. Es ist seltsam: Wir brauchen Studien, um wieder zu glauben, was wir eigentlich wissen.
Nicht, weil es kompliziert ist. Sondern, weil es zu einfach klingt, um wahr zu sein. Und ich hätte jetzt gerne eine frittierte Lasagne.
Bis nächste Woche!
Deine Theresa
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PPS: Nichts fasst den Wahnsinn, den wir in den letzten Jahren mit ständig wechselnden Ernährungsempfehlungen besser zusammen als dieses Video (Öffnet in neuem Fenster)über einen zeitreisenden Ernährungswissenschaftler (auf Englisch).