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Mein Rückblick aufs Kollapscamp: der Erfolg der Gescheiterten

Illustration: Till Laßmann

16/10/2025

Liebe Leute,

das Kollapscamp liegt zwar nun sechs Wochen zurück, und die Bewegungskarawane ist ein bisschen weitergezogen: es gibt jetzt schon mehrere Nachfolgeprojekte aus dem ersten Camp, einerseits organisieren manche aus dem Orgaprozess ein Kollapscamp 2026; andere planen den nun schon mehrfach erwähnten “KollapsLARP” (Öffnet in neuem Fenster) - eine Mischung aus mehrtägigen Trainings in verschiedenen Praxissträngen (angedacht: Transport, Kommunikation, Versorgung, Sicherheit, medical/trauma support), die dann in einer zweitägigen Simulation realistischer Katastrophenszenarien (daher LARP: steht für “live action role play”) zusammenkommen; wieder andere arbeiten an neuen pädagogischen Formaten, die es auch Menschen ohne jegliche Bewegungsanbindung erlauben würden, sich praktisch auf kommende Katastrophen vorzubereiten. Ich finde in der tiefen Müdigkeit, die ich seit dem Camp fühle, gerade nicht so richtig die Worte, um auszudrücken, wie sehr mich das freut, wie stolz ich darauf bin, was wir mit dem Kollapscamp hinbekommen haben.

Dazu kommt, dass es seit dem Camp mit Fug und Recht möglich ist, von einer entstehenden Kollapsbewegung zu sprechen, dass diese mehr ist, als ein diskursiv gesetztes Ziel, sondern eine politische und gesellschaftliche Dynamik. Eine, die zwar zahlenmäßig noch nicht besonders groß ist, aber doch eine erhebliche Sogwirkung hat, gerade weil sie das Gefühl vermittelt: da sind Leute, die sich ehrlich und offen mit der Realität auseinandersetzen, anstatt diese in Teilen zu verdrängen. Und deren Hauptfokus außerdem darauf liegt, praktisch handlungsfähig zu werden, anstatt erstmal noch ne weitere Diskussionschleife einzulegen.


Kollapsbewegung: “eine für Alle”?

Das Camp ist also vorbei, die nächsten Kollapsbewegungsprojekte kommen gerade an den Start, die Zeit der Vorträge und Diskussionen hat für mich wieder begonnen, aber bevor alles wieder richtig fahrt aufnimmt möchte ich noch einen Gedanken mit Euch teilen, der mir zu Beginn des Camps kam, und an den ich erinnert wurde, als bei einer Diskussion an der Berliner TU ein junger Mensch mich fragte, ob denn (paraphrasing roughly) “die Kollapsbewegung eine Bewegung 'für Alle'” sei.

Ich glaube, er wollte darauf hinaus, dass der Pitch, den wir Kollapsis derzeit machen, keiner ist, von dem wir realistischerweise annehmen können, dass er in einer Verdrängungsgesellschaft Mehrheiten organisieren könnte – womit er natürlich vollkommen recht hat. Ein Grund, warum so viele Linke und Ökos mit der Idee einer Kollapsbewegung, und der Praxis des “solidarischen Preppens” hadern, liegt darin, dass sie sich nicht von der mittlerweile erwiesenermaßen falschen Idee lösen können, dass linke und ökologische, im weiteren Sinne humanistische Inhalte in den reichen Externalisierungsdemokratien des Nordens noch von Mehrheiten getragen werden können. Ok, also: keine mehrheitliche Kollapsakzeptanz und Katastrophenvorbereitung in einer Verdrängungsgesellschaft – check. Auch keine Mehrheiten in linken und grün-ökologischen gesellschaftlichen Feldern – check. Alles nix neues, zumindest nicht für mich, seitdem ich das Ende der Klimamehrheitsillusion (Öffnet in neuem Fenster)konstatiert habe

Neues Camp für alte Leute

Aber zurück zur Frage: ist die Kollapsbewegung “eine für Alle”? Und da erinnerte ich mich an den Anfang des Camps, als wir noch eine kleine Gruppe von 18-20 Leuten waren, die Zelte aufbauten und das Campgelände vorbereiteten: wir waren ein deutlich älteres Camp, als alle Protest-, Polit- und Aktionscamps, auf denen ich in den vergangenen 20 Jahren war. Das wurde mir in der ersten Vorstellungsrunde klar, bei der wir am Montag vor dem Camp nach einem fünfgängigen veganen Festmal anfingen, einander kennenzulernen: nicht nur war das Medianalter der Gruppe ung. 15-20 Jahre höher (eher Anfang 40 als Anfang/Mitte 20), als ich es z.B. bei einem Klimacamp der vergangenen Jahre erwartet hätte, die Lebensläufe waren auch deutlich diverser.

Aber es ging hier nicht nur ums biologische oder soziale Alter – was mir bei dieser Vorstellungsrunde besonders auffiel, war die Tatsache, dass fast jede Antwort auf die “was hat Dich hierher gebracht?”-Frage den Verweis auf eine persönliche Erfahrung des Scheiterns oder tiefe Trauer beinhaltete, eine Erfahrung, die wiederum im Kern des Interesses der sprechenden Person an der gemeinsamen Mitarbeit im Kollapscamp lag. Der Campprozess zog im Schnitt eher ältere Leute an, nicht, weil ältere Leute klüger oder besser oder strategisch fitter sind, sondern weil je älter, desto mehr Scheitern, und desto mehr Zeit, dieses emotional zu verarbeiten.

Das Camp der Gescheiterten

In dieser Runde saßen gescheiterte Globalisierungskritiker*innen und gescheiterte Energiewendetüftler*innen; gescheiterte Unternehmensberater und gescheiterte Klimaaktivisti. In der Runde saßen Menschen, die den Tod eines engen loved ones verarbeitet hatten, und andere, die im Grunde vom “Kollaps” ihres eigenen Lebens erzählten. Kurz: wir waren eine Runde von Menschen, denen Katastrophen zugestoßen, die gescheitert, die fast zerbrochen waren, die aber einen Weg gefunden hatten, ihre Katastrophe, ihr Scheitern, ihre Trauer anzuerkennen, zu verarbeiten, und am Ende in neuen Schwung für eine neue Bewegung umzusetzen.

Ich werde diese Vorstellungsrunde nie vergessen: da ich während des eigentlichen Camps ja meinen mittleren Überlastungsbreakdown hatte, sind viele meiner Erinnerungen an das eigentliche Camp irgendwo zwischen hazy und unangenehm, weil ich hauptsächlich am heulen und zittern und michvormenschenverstecken war. Aber die ersten Tage, als wir noch am gemeinsamen Aufbauen waren, und ich die Menschen, die dort waren, noch kennenlernen konnte: die zählen zum Schönsten, was ich je politisch erlebt habe. Sie waren für mich die Bestätigung meiner These, dass der Weg zur solidarischen Kollapsbewegung durch die Akzeptanz persönlicher Katastrophen oder persönlichen Scheiterns führt.

Und in dem und NUR in dem Sinne ist die Kollapsbewegung keine für Alle. Sie ist potenziell eine für Alle, aber sie ist halt vor allem für die, die sich mit ihrer eigenen Dunkelheit auseinandergesetzt haben (was halt nicht “Alle” sind, und nie sein werden), und in dieser Auseinandersetzung auch die Dunkelheit dieser Scheißgesellschaft verstehen und akzeptieren können, ohne an ihr zu zerbrechen. Zusammen mit diesen wundervollen Menschen dieses Camp gestemmt zu haben, und damit zur Möglichkeit einer solidarischen Kollapsbewegung beigetragen zu haben, ist für mich als mehrfach gescheiterten und fast daran zerbrochenen queeren Kommunisten der größte Erfolg meines Lebens. Ich bin allen von Euch so dankbar, die dabei waren, ob in der Orga, oder als Teilnehmende: dabei müsst Ihr Euch selbst gar nicht unter dem Label “Gescheiterte” wiederfinden – aber für mich, der fast unter dem Gewicht seines selbst-diagnostizierten Scheiterns zerbrochen wäre, ist dieses Gefühl “hey, hier ist gescheitert sein ok, wir alle hier sind schonmal gescheitert, und machen trotzdem weiter”, so befreiend und ermutigend, dass es eigentlich meine Haupterinnerung an das und Einsicht aus dem Kollapscamp darstellt.

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Ich finanziere meine politische Arbeit vor allem über diesen Blog, und wäre dankbar für Deine Unterstützung

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Wertschätzung

Und gerade weil ich trotz all der Überlastung und dem Heulen und dem das-Camp-das-ich-mitorganisiert-habe-weitgehend-verpassen das Gefühl hatte, dass die meisten Menschen auf dem Camp da eine gute Zeit hatten, dass wir gemeinsam, der gesamte Orgaprozess und die vielen Teilnehmenden und alle anderen, die das Camp ermöglichten, da was richtig tolles auf die Beine gestellt haben, bin ich im Nachhinein ein wenig verwundert über das Verhältnis von Kritik und Wertschätzung in der Kommunikation nach dem Camp, vor allem von meinen linksradikalen und meinen alten Klima-Genosss*innen.

Na klar ist manches im Orgaprozess falsch gelaufen, und natürlich kann und muss beim nächsten Mal vieles besser gemacht werden. Aber wenn ich mit “meinen Leuten” von früher rede, also zum Beispiel die, mit denen ich seit 15 Jahren zusammen in der Antikohle- und Klimabewegung war, bekomme ich manchmal den Eindruck, dass dass das Camp, anstatt der Einstieg in einen neuen spannenden Bewegungszyklus zu sein, vor allem ein Ort der Fights, der Frustrationen und der Fehlleistungen war. Das erinnert mich daran, dass die radikale Linke, wäre sie ein Arbeitsplatz, oft ein ziemlich mäßiger wäre: schlechte kollektive Managementstrukturen, keine Fehlertoleranz, und eine gruselige Feedbackkultur. Ich will damit gar nicht sagen, dass die meisten der Kritiken nicht richtig und angebracht sind – ich möchte darum bitten, in der Kommunikation über das Camp auch ein bisschen Wertschätzung zu zeigen: wir haben was neues gemacht, und viele in unseren Umfeldern waren zu Beginn sehr, sehr skeptisch. Wir haben es trotzdem gemacht, wir sind ein Wagnis eingegangen, weil wir auch manchmal einfach überfordert waren, und es hat trotzdem funktioniert. In der schwierigen Situation, in der wir uns befinden, in der wir einfach nicht wissen, was uns strategisch voranbringen kann, stünde es uns als soziale Bewegungen gut zu Gesicht, ein bisschen mehr Offenheit für strategische Innovation und darin auch eine bessere Fehlertoleranz an den Start zu bringen.

Mit gemischtgefühligen Grüßen,

Euer Tadzio

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