Gestern war der 7. Oktober. Obwohl ja eigentlich seit dem 7. Oktober immer 7. Oktober ist. Denn mit dem Angriff palästinensischer Terroristen auf Israel vor zwei Jahren, teilte sich unsere Welt in ein “Davor” und “Danach”. Manchmal komme ich mir wie eine Platte mit Sprung vor, wenn ich immer wieder davon spreche, vor allem, während ein Großteil der Welt längst vergessen hat, was an diesem verheerenden Tag in unserem Land passierte - und stattdessen nur noch von den Folgen, nämlich dem Gaza-Krieg spricht. Aber die Wahrheit für Israelis ist die: solange noch Geiseln in Gaza festgehalten werden (es sind immer noch mehr als 20 Männer, darunter Väter, die dort seit zwei Jahren in der Hölle schmoren), solange wir noch regelmäßig Raketenalarme haben und die kriegerischen Auseinandersetzungen in Gaza weitergehen, ist der 7. Oktober für uns Gegenwart und keine Vergangenheit. Und obwohl ich ständig darüber spreche/schreibe/poste, haben es gerade einmal zwei meiner nicht-jüdischen deutschen Freundinnen geschafft, mir gestern zum 7. Oktober zu schreiben. Und das Traurigste daran: Ich war mehr von den zweien überrascht als von den vielen, die mir nicht geschrieben haben.
Anyway. Gestern war also wiedermal, immer noch, der 7. Oktober. Und während ich mich an den 7. Oktober 2023 erinnerte – den Tag, an dem ich in Berlin war und meine Kinder bei meinen Eltern in Tel Aviv –, dachte ich über diesen elenden Krieg nach. Und über meine Kinder. Und dann kam mir plötzlich der Gedanke, wie verrückt es ist, dass ich jetzt wieder schwanger bin. Zwei Jahre Krieg und ich Meshuggene kriege noch ein Kind. Und dann auch noch einen Sohn obendrauf! Geplant war das so nicht, aber ich greife vorweg.
Jedes Kind ein Segen - nur wir wollten nicht
Eine der ersten Sachen, die ich in Israel gelernt habe, ja geradezu verinnerlicht habe: Kinder sind immer gute Nachrichten. Das ist hier einfach die Standard-Einstellung. Du bist schwanger, super. Du bist nicht schwanger, wann wirst du es wieder? Der Saba meiner Jungs fragte mich damals gerade mal einen Tag nach der Geburt von meinem ersten Sohn (wir lagen noch im Krankenhaus), wann ich denn vorhabe, das nächste Kind zu bekommen. Und ich erinnere mich sehr deutlich an ungefähr jedes Gespräch mit ihm, wenn ich mal wieder zauderte, wie viele Kinder ich möchte, weil teuer, weil, wie deichseln? - und immer, immer!, war seine Antwort: Jedes Kind ist ein Segen. Und das mit dem Geld kriegt man schon hin. Nun hat mein Ex-Schwiegerpapa sich quasi null um seine eigenen Kinder gekümmert (geschweige denn die vielen Enkel), aber trotzdem repräsentiert er etwas, das in Israel allgegenwärtig ist. Kinder sind immer ein Gewinn. Kinder sind immer etwas Gutes. Kinder stören nie. Kinder sind Königinnen und Könige unserer Existenz. Und ja, natürlich hat das mit der jüdischen Geschichte zu tun. Ich erinnere mich, wie ich vor vielen Jahren die Geschichte einer Tochter von Holocaustüberlebenden hörte. Sie erzählte, wie ihre Mutter noch quasi in den Nachwehen der Shoa schwanger wurde, zum Arzt ging, um eine Abtreibung zu veranlassen, und der nur abwinkte: Es sind zu viele jüdische Kinder gestorben. An diesen Satz, der es auch in meinen Roman “Alef” geschafft hat, denke ich oft. So oft.
Und so war es nicht weiter verwunderlich, dass ich direkt nach dem 7. Oktober 2023, plötzlich unbedingt noch ein Kind wollte. Es sind so viele jüdische Kinder gestorben. Und ich habe bisher nur zwei. Es war die israelischste Art, zu reagieren. Aber Amit wollte nicht. Amit wollte sowieso überhaupt keine Kinder. Da ist er ein sehr untypischer Israeli. Für ihn sind Kinder nicht der große Traum, die Erfüllung der eigenen Existenz, der nächste konsequente Schritt im Erwachsenwerden. Amit liebt die Freiheit und fand immer, dass wir mit unseren zwei Jungs, die ja auch nur die Hälfte der Zeit bei uns leben, genug zu tun hatten. Und je mehr wir darüber sprachen, desto mehr war auch ich davon überzeugt, dass er recht hatte. Auch ich liebe die Freiheit, die ich durch 50:50 geteiltes Sorgerecht habe. Auch ich liebe es, dass ich nicht immer aktiv Mama sein muss. Als ich im Sommer letzten Jahres ungeplant schwanger wurde,
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