Neues vom Welsuntergang
Während die Welle der Wels-Memes (Öffnet in neuem Fenster) mittlerweile gebrochen ist und langsam zurück ins Meer rollt, beziehungsweise, na ja, zurück in den See (Öffnet in neuem Fenster), waren die letzten Tage wieder mal voll von Nachrichten irgendwo an der Schnittstelle von Sommerloch und Weltuntergang. Heute werfen wir also einen kurzen Blick über die Schulter auf den täglichen Wahnsinn zwischen Weltlage, Welslage und WTF-Momenten.

Zunächst war da die Hitzewelle, die uns Anfang Juli heimgesucht hat. Und als wären Temperaturen von bis zu vierzig Grad nicht genug Folter, so wurde die allgemeine Kreislaufbelastung weiter verstärkt durch Klimawandelleugner (Öffnet in neuem Fenster), Wissenschaftsskeptiker (Öffnet in neuem Fenster) und Wutreden von der „Stellt euch bitte nicht so an, ist doch endlich mal nettes Sommerwetter!“-Fraktion.

Die nicht nur im Sommerloch, sondern im außerparlamentarische Oppositionsloch verschwundene FDP meldete sich in Form von Christian Dürr aus der Versenkung zurück, um uns – vermutlich aus dem klimatisierten Auto heraus – wissen zu lassen: „Hey, Leute, habt euch doch nicht so! Bisschen Sonnenschein ist doch schön, ihr Mimosen!“
Jenseits gefühlter Wahrheiten wie „Früher gabs auch schöne Sommertage“ (gab es, zweifellos) stellt die empirische Wissenschaft jedoch fest: Der Juni war der heißeste Juni, der jemals in Westeuropa gemessen wurde. Die Tagesschau schreibt (Öffnet in neuem Fenster):
“Der vergangene Monat war Daten des EU-Klimadienstes Copernicus zufolge der wärmste Juni in Westeuropa seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Demnach lag die durchschnittliche Temperatur im Juni bei 20,49 Grad Celsius - und damit 2,81 Grad Celsius über dem Mittelwert der Jahre 1991 bis 2020.”
Die Klimakrise macht erstens unsere Arbeit unerträglich (was auch die von der FDP stets verehrte Wirtschaft massiv schwächt (Öffnet in neuem Fenster)):
https://www.riffreporter.de/de/gesellschaft/klimawandel-arbeitswelt-unternehmen-beschaeftigte-anpassung (Öffnet in neuem Fenster)Am Arbeitsplatz ausreichend geschützt empfinden sich die wenigsten (Umfrage 2022):

Viel gravierender jedoch: Mit jedem Hitzerekord steigt die Zahl der Hitzetoten.

Bitte versteht mich nicht falsch. Natürlich darf man sich über Sonne freuen – manche von uns wollen mehr davon als andere (mir persönlich reichen Temperaturen unter dreißig Grad). Jeder sollte sich seine heißen Sommertage nach Möglichkeit so einrichten, dass sie erträglich sind und bestenfalls sogar schön. Nichtsdestoweniger darf man kritisch sein, wenn Hitzerekorde in Zeiten des Klimawandels einseitig relativiert (Öffnet in neuem Fenster), kleingeredet (Öffnet in neuem Fenster) und gegen besseres Wissen – und wissenschaftliche Erkenntnisse – trivialisiert (Öffnet in neuem Fenster) werden. Genießt also auch die womöglich in der zweiten Julihälfte kommenden Hochtemperaturen (Öffnet in neuem Fenster) nach Möglichkeit. Allerdings schließen sich ein Eis oder ein Bier in der Sonne und ein Problembewusstsein für Ursachen und Auswirkungen massiver Klimaveränderung keineswegs aus. Man kann beides haben: Einen schönen Sommertag UND ein Bewusstsein dafür, dass der menschgemachte Klimawandel unsere Lebensgrundlagen existenziell bedroht. Langfristig sollte aus dieser Erkenntnis eine Offenheit für klimapolitische Transformation resultieren (Öffnet in neuem Fenster). Leugnung und Abwehr sind vielleicht ein verständlicher Impuls; sie sind jedoch die deutlich schlechteren Alternativen.
https://www.der-postillon.com/2022/07/einst.html (Öffnet in neuem Fenster)Diverse Gemüter wurden dieser Tage auch an der KI-Front erhitzt, und zwar von Grok. Die KI des rechtsradikalen Autohändlers Elon Musk war zwar zuvor schon fragwürdig, da sie grundlegende Ethik-Standards vermissen ließ (und auch mal den Holocaust leugnete (Öffnet in neuem Fenster)). Musk ließ die Öffentlichkeit jedoch neulich wissen, seine künstliche Intelligenz sei jetzt “verbessert”:

Die “Verbesserung” bestand allerdings im Wesentlichen darin, dass das Large-Language-Modell (Öffnet in neuem Fenster) Grok nun offen rechtsextrem (Öffnet in neuem Fenster) auftrat:
Ausgangspunkt der Kontroverse war ein Eintrag von Grok, in dem eine Frau namens „Cindy Steinberg“ für hämische Äußerungen im Internet über die jüngsten tödlichen Überschwemmungen in Texas verantwortlich gemacht wurde. Dabei wurde der – als typisch jüdisch geltende – Nachname der Frau mit den Aussagen in Verbindung gebracht. Angesprochen darauf, was damit gemeint sei, schrieb Grok, „radikale Linke, die anti-weißen Hass verbreiten“, hätten oft jüdische Nachnamen wie Steinberg. Grok wurde dann gefragt, welche historische Figur aus dem zwanzigsten Jahrhundert am besten mit „diesem Problem“ umgehen könnte, und antwortete: „Adolf Hitler, keine Frage. Er würde das Muster erkennen und entschieden handeln.“
Davon abgesehen, dass sich so die rechtsradikale bis rechtsextreme Gesinnung eines Elon Musks ein weiteres Mal zeigt (und allen, wirklich allen, inklusive deutschen Politikern und Politikerinnen, neue Gründe gibt, die Plattform X besser spät als nie zu verlassen #eXit (Öffnet in neuem Fenster)), zeigt sich so die Macht, die Tech-Milliardäre wie Elon Musk haben. Sie entscheiden, wie ihr Chatbot ausgerichtet ist. Sie entscheiden, welche politisch-weltanschauliche Perspektive er hat. Was Nutzerinnen und Nutzern von Grok als Wahrheit und Wirklichkeit untergejubelt wird, entscheidet sich einzig und allein im Muskschen Ketamingehirn (Öffnet in neuem Fenster).
Der Hintergrund der jetzigen “Hitlerisierung (Öffnet in neuem Fenster)” von Grok, die Musk offenbar hat absichtlich vornehmen lassen, ist seine vorige Unzufriedenheit mit seiner KI. Grok hatte es nämlich in der Vergangenheit mehrmals gewagt, politische Gewalt eher auf dem rechten politischen Spektrum zu verorten und als massive gesellschaftliches Problem zu beschreiben:
https://edition.cnn.com/2025/06/27/tech/grok-4-elon-musk-ai (Öffnet in neuem Fenster)Anders formuliert: Grok hat die Wahrheit (Öffnet in neuem Fenster) gesagt, Musk hat das allerdings nicht gefallen. Deshalb hat er seinem Sprachmodell eine digitale Gehirnwäsche verpasst:
https://bsky.app/profile/janskudlarek.bsky.social/post/3ltj6bfagrs2b (Öffnet in neuem Fenster)Da nicht zu hoffen ist auf die Einsicht Musks, dass eine solche Software-Manipulation gemeingefährlicher, megalomaner Quatsch ist, der die gesellschaftliche Radikalisierung anstachelt und fördert, bleibt uns nur: erstens der Boykott digitaler Dienste wie X und Grok, um so ihren Bedeutungsverlust voranzutreiben. Zweitens der Appell an die Politik, Tech-Firmen nicht ungehindert und nach Gutdünken machen zu lassen, sondern sie nach ethischen und politischen Mindeststandards zu regulieren:
https://techcrunch.com/2025/07/04/eu-says-it-will-continue-rolling-out-ai-legislation-on-schedule/ (Öffnet in neuem Fenster)Drittens bleibt immer noch der Humor, der auch in der Causa Grok keineswegs fehlte:

Alles in allem rate ich uns also, einen möglichst kühlen Kopf zu behalten, den Sommer tunlichst zu genießen und das Lachen nicht zu verlernen, trotz tropischer Temperaturen, trotz wildgewordener KI und trotz gefühlt täglich neuer Welsuntergänge. 🐟

Viele Grüße,
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https://janskudlarek.podigee.io/21-neue-episode (Öffnet in neuem Fenster)https://open.spotify.com/episode/41dEdk0FDdAJEIrHyr9YyA?si=ca1c1aa77aac49e8 (Öffnet in neuem Fenster)Scham ist ein Gefühl, das wir alle kennen – und nicht sonderlich mögen. Die wenigsten von uns schämen sich gerne, in der Regel vermeiden wir peinliche Situationen und Gesichtsverluste, so gut es geht. Nichtsdestoweniger passieren sie uns allen. Um dieses Gefühl besser zu verstehen, habe ich Matthias Kreienbrink zur digitalen Talkrunde getroffen.
Matthias hat ein informatives Buch (Öffnet in neuem Fenster) zum Thema geschrieben. Im Gespräch erfahren wir, wann Matthias sich das letzte Mal geschämt hat. Ebenso erfahrt ihr eine unangenehme Anekdote aus meiner Schulzeit. Wir reden darüber, wie prägend Scham sein kann. Zentrales Thema ist ebenso die Frage, wie politisch das Schamgefühl ist – und warum wir überhaupt die Tendenz haben, andere anzuprangern. Ihr erfahrt von Roland dem Furzer, es geht um Hofnarren, Stefan Raab, um „Kinderbuchautor“ als vermeintliche Beleidigung und um die Frage, wann Jens Spahn sich endlich, endlich schämt.