Zum Hauptinhalt springen

Cottbus oder Görlitz: Welche Metropole ist erfolgreicher?

ANALYSE / KOMMUNALPOLITIK IN DER LAUSITZ
  1. Januar 2025

Zwei Städte mit großen Ambitionen: Cottbus und Görlitz haben im Strukturwandel das Gleiche vor. Ihre Bedingungen sind sehr verschieden doch ihre Probleme ähnlich. Wer schlägt sich besser?

von Christine Keilholz

Görlitz (re.) setzt auf die Ansiedlung spezialisierter Forschungseinrichtungen, Cottbus auf groß
angelegte Industrieprojekte plus Wissenschaft.
Görlitz (re.) setzt auf die Ansiedlung spezialisierter Forschungseinrichtungen, Cottbus auf groß angelegte Industrieprojekte plus Wissenschaft.

Glanzvoll hat Cottbus kürzlich sich selbst und die Lausitz gefeiert. Der Neujahrsempfang in der Stadthalle am vergangenen Mittwoch war ein Treffen der Region und ihrer Entscheider. Oberbürgermeister Tobias Schick (SPD) hatte viele Kollegen eingeladen. In seiner Rede präsentierte der 45-jährige Rathauschef seine Stadt als Metropole des Strukturwandels, als Mittelpunkt des wirtschaftlichen Prozesses, der das ganze Revier umkrempelt - auch wenn die Haushaltslage zurzeit keine großen Sprünge zulässt. „Es ist aber nicht die Zeit für große Träumereien“, sagte Schick. „Wir konzentrieren uns auf das Machbare und das jetzt zwingend Erforderliche.

Damit fand Schick Bestätigung, sogar von Octavian Ursu (CDU). „Ich hätte die Rede fast genauso halten können“, sagte der Oberbürgermeister von Görlitz, „nur mit anderen Projekten.“ Ursu sieht viele Parallelen bei dem, was beide Städte im Strukturwandel machen. Aber auch bei den Problemen, die Kommunen haben - in erster Linie die Bürokratie und die knappe Haushaltslage. Letztere war dafür verantwortlich, dass Görlitz in diesem Jahr den eigenen Neujahrsempfang absagenmusste. Stattdessen saß der Görlitzer OB beim Cottbuser Empfang in der ersten Reihe.

Der Sound ist bescheidener geworden in den beiden Lausitz-Metropolen. Nach Jahren der millionenschweren Ansiedlungserfolge geht es nun in die Mühen der Ebene, so nennt es Tobias Schick. Die Stadtentwicklung muss mit dem Strukturwandel mithalten, obwohl die Einnahmen noch nicht gestiegen sind. Die 100.000-Einwohner-Stadt Cottbus und die 58.000-Einwohner-Stadt Görlitz verbindet viel. Beide nutzen den Kohleausstieg, um ihre wirtschaftlichen Grundlagen zu diversifizieren und zukunftsfähige Arbeitsplätze zu schaffen. Beide müssen mit ihrer Strahlkraft ihr ganzes Umland mitziehen. Das tun beide auf ganz unterschiedliche Weise.

Cottbus: Industriestadt mit wachsenden Behörden

Hinter Cottbus liegt ein Jahr 2024, an dessen Anfang das Bahnwerk eröffnet wurde und an dessen Ende der Tagebau-Ostsee seinen Zielwasserstand erreichte. Damit kann OB Schick zwei zentrale Strukturwandel-Projekte in seiner Stadt mit grünem Haken versehen, auch wenn er selbst für keins davon verantwortlich ist. Das Bahnwerk kam auf Initiative Brandenburgs und des Bunds in die Stadt. Der Ostsee ist ein Rekultivierungsprodukt des Energiekonzerns Leag in Zusammenwirkung mit der Spree, deren rares Wasser dafür herhält.

Das Bahn-Instandhaltungswerk hat als Großinvestition mit 1.200 Arbeitsplätzen das Selbstverständnis Cottbus’ als Industriestadt gesichert. Mit der Milliardeninvestition der Bahn wurde das alte Bahnwerk, die letzte großindustrielle Institution der Stadt abseits der Braunkohle, für die Zukunft gerettet. Mit dem modernsten ICE-Instandhaltungswerk Europas ist ein weithin strahlender Leuchtturm entstanden, der Cottbus auf diesem Feld zu einem Top-Standort macht.

Bei allem Marketing, das in solchen Zuschreibungen mitschwingt: Brandenburgs zweitgrößte Stadt steht für eine Dynamik, die im vierten Jahrzehnt nach der Wiedervereinigung weder Potsdam noch Dresden oder Leipzig so verkörpern können - weil dort schon vorher viel Neues entstanden ist.

Die größten Behörden-Ansiedlungen der Niederlausitz kamen nach Cottbus, wie die Niederlassungen des Bundesamts für Strahlenschutz und des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung. Dazu mehrere Forschungseinrichtungen vom Fraunhofer IEG bis zum Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt mit gleich zwei Häusern. Die Industriestadt bietet inzwischen 3.560 Verwaltungsjobs, darunter hoch bezahlte bei Bundeseinrichtungen.

Görlitz: Industrie geht, Wissenschaft kommt

Den wissenschaftlichen Pfad verfolgt Görlitz noch konsequenter, seit Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) 2019 das Center for Advanced Systems Understanding (Casus) an die Neiße holte. Auf dem Gelände von Siemens zog die Fraunhofer-Gesellschaft das „Hydrogen Lab“ hoch, weil Siemens das traditionsreiche Turbinenwerk nicht mehr betreiben wollte. Der Schwund von Industrie ist in Görlitz noch eine Erscheinung der Gegenwart.

Der Bombardier-Nachfolger Alstom will sein Görlitzer Werk 2026 schließen und konzentriert seine Kräfte künftig lieber in Bautzen. Rund 700 Arbeitsplätze gehen damit verloren.Folglich ist der Ausbau der Wissensstrukturen zu neuen Jobmotoren nur konsequent. Nicht nur durch das Deutsche Zentrum für Astrophysik (DZA), das in Görlitz 900 Jobs schafft. Selbst das Senckenberg-Naturkundemuseum wird zum Campus mit 100 Mitarbeitern erweitert. Von der Sternenforschung bis hin zur Artenvielfalt widmet sich Deutschlands östlichste Stadt den globalen Zukunftsfragen - auch außerhalb der Hochschule Zittau/Görlitz, die mit ihren 3.000 Studierenden nur bedingt als regionaler Wissenschaftsmotor gelten kann.

Im Unterschied dazu hat Cottbus neben der BTU Cottbus-Senftenberg seit Sommer eine zweite Universität, die ausschließlich Medizinerinnen und Mediziner ausbilden wird. Mit der Medizin-Universität sind bis zu 2.000 neue Arbeitsplätze verbunden.

Görlitz konzentriert sich stärker auf die Ansiedlung spezialisierter Forschungseinrichtungen, während Cottbus durch groß angelegte Industrieprojekte und den Ausbau wissenschaftlicher Einrichtungen eine umfassende Strategie verfolgt. Dass Cottbus nun auch der Lausitz-Runde beigetreten ist, zeigt: das Oberzentrum der Region wird nun Teil der kommunalen Emanzipation, die bisher die Kohlestädte Weißwasser und Spremberg anführten. Es zeigt auch, dass es in einer dünn besiedelten Region wie der Lausitz nur miteinander geht.

Kategorie Politik