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tag eins: Staatstrauer und Schweigeminute

Hallo!

Heute ist wieder tag eins. Du liest deinen täglichen Nachrichtenüberblick.

Österreich trauert. Nach dem schrecklichen Amoklauf an einem Grazer Gymnasium mit 11 Toten, stand das öffentliche Leben heute um 10.00 Uhr für eine Minute still. Bereits gestern hat Bundeskanzler Christian Stocker eine dreitägige Staatstrauer angekündigt. Viele Veranstaltungen im ganzen Land wurden abgesagt oder verschoben, an den Grazer Schulen ist an normalen Unterricht nicht zu denken (Öffnet in neuem Fenster).

Kerzenlicht in Gedenken an die Opfer des Amoklaufs in Graz mit Text „Österreich trauert In Gedenken an die Opfer des Amoklaufs in Graz“ auf schwarzem Hintergrund
Das Programm der ORF-Sender wurde um Punkt 10.00 Uhr für eine Minute unterbrochen. In Wien standen die öffentlichen Verkehrsmittel still. Screenshot: ORF On

Heute diesen Newsletter zu verfassen, ist eine große Herausforderung. Was berichtet man an so einem Tag? Welche Themen haben überhaupt Relevanz? Ich habe versucht, die wichtigsten Infos und Medienberichte zum Amoklauf zu sammeln. Als Fundstück gibt es einen Überblick darüber, wie man mit Kindern über so ein schreckliches Ereignis sprechen kann. 

THEMEN DES TAGES

Das Wichtigste zum Grazer Amoklauf

Gestern um 10 Uhr kam es im Grazer Bundesoberstufenrealgymnasium Dreierschützengasse zum schlimmsten Amoklauf in der jüngeren österreichischen Geschichte. Ein 21-jähriger ehemaliger Schüler tötete mit einer Pistole und einer Schrotflinte neun Schüler*innen, eine Lehrperson und im Anschluss sich selbst. Die weiteren Verletzten befinden sich inzwischen (Stand: Mittwochmittag) alle außer Lebensgefahr, heißt es von der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft. Zum Motiv wird momentan noch intensiv ermittelt, bei einer Hausdurchsuchung im Wohnhaus des Täters gestern Nachmittag fand die Polizei einen Abschiedsbrief in analoger und digitaler Form sowie eine nicht funktionsfähige Rohrbombe. 

Im Ö1-Morgenjournal (Öffnet in neuem Fenster) erzählt ein Religionslehrer des BORG Dreierschützengasse eindrücklich, wie er den gestrigen Tag erlebt hat. Für Paul Nitsche steht jetzt das gemeinsame Verarbeiten im Vordergrund, Hintergründe zum Täter sind für ihn als Betroffenen momentan nicht so gegenwärtig. 

In der ZIB2 war gestern der Kinder- und Jugendpsychiater Paul Plener (Öffnet in neuem Fenster) der MedUni Wien zu Gast. Er ordnet die psychische Belastung, die viele Betroffene und Angehörige nach so einer schrecklichen Tat erleben, ein. Auf so ein Erlebnis mit Stress und Unsicherheit zu reagieren, sei ein normaler Vorgang. Erst nach einer gewissen Zeit würde sich zeigen, ob tatsächlich Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTSD) auftreten. Sogenannte school shootings seien meist länger geplant und werden oft von männlichen Tätern verübt. In der medialen Berichterstattung danach sei es wichtig, möglichst wenig Identifikationspotenzial mit dem Täter zu bieten, um Nachahmungen zu vermeiden, hebt Plener hervor.  

Eine einfühlsame Reportage, die sich nicht mit dem Täter beschäftigt, findet man bei ZEIT Österreich (Öffnet in neuem Fenster). Christian Bartlau hat eine Kirche in der Nähe der betroffenen Schule besucht und mit dem Pfarrer und Anrainer*innen über den Amoklauf gesprochen.

Unterdessen haben andere (Boulevard-)Medien, etwa die Kronen Zeitung oder OE24.at Handy-Videos aus dem Inneren der Schule während der Evakuierung veröffentlicht. Für die Medienethikerin Claudia Paganini ist das inakzeptabel, denn dadurch würden die Ängste und Sorgen von Kindern und Jugendlichen für Klicks instrumentalisiert, wie sie im Gespräch mit dem Standard (Öffnet in neuem Fenster) festhält. Beim Presserat sind bereits mehrere Beschwerden zum Thema eingegangen, heißt es im Artikel. 

Der rechte Verschwörungssender AUF1 geht sogar noch einen Schritt weiter und veröffentlichte Videos von Opfern auf Rettungstragen, wie die Tagespresse akribisch festgehalten und aufgezeigt (Öffnet in neuem Fenster) hat. AUF1 habe damit „das Leid der Grazer Schülerinnen und Schüler für die eigene Reichweite ausgeschlachtet und zerstörte Menschenleben und immerwährende Traumata zu einer reißerischen Live-Show uminszeniert.“

Nächtliche Ausgangssperre in LA verhängt, Massenverhaftungen im Gange

In Los Angeles geht der Ausnahmezustand nach Protesten gegen Razzien durch die US-Einwanderungsbehörde ICE weiter. Nachdem US-Präsident Donald Trump das Militär nach Kalifornien entsandt hat, verhängte die Bürgermeisterin von LA, Karen Bass, nun für Teile der Stadt eine nächtliche Ausgangssperre. Die lokale Polizei begann nach Inkrafttreten der Ausgangssperre mit Massenverhaftungen, wie CNN im Liveticker (Öffnet in neuem Fenster)berichtet. 

Unterdessen zeigt sich der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom kämpferisch. In einer emotionalen Rede forderte er (Öffnet in neuem Fenster), gegen die Unterdrückung aufzustehen, denn Trump zerstöre Amerikas Demokratie. In vielen anderen Städten der USA, etwa in New York oder Atlanta, strömen Menschen zu solidarischen Protesten auf die Straße.

Dieser Newsletter ist ein erster Versuch für ein neues journalistisches Angebot. Wir bitten dich deshalb um Feedback:

Was darf für dich in einem aufgeräumten, täglichen Nachrichtenüberblick nicht fehlen? Was wünscht du dir von tag eins?

FUNDSTÜCK DES TAGES

Wie wir mit Kindern über Amokläufe sprechen können

Für Kinder und Jugendliche ist der Vorfall in Graz ganz besonders schwer zu verstehen. Wie erklärt man jungen Menschen diese schreckliche Tat? Was brauchen Kinder jetzt, um mit potenziellen Ängsten und Sorgen umzugehen? Ich habe für das heutige Fundstück verschiedene Medienberichte und Erklärstücke zum Thema gesammelt.

Heute um 16.00 Uhr findet ein offenes Webinar für Pädagog*innen (Öffnet in neuem Fenster) statt, in dem die steirische Bildungsdirektion aufklärt, wie Lehrpersonen mit Schüler*innen über den Amoklauf sprechen können.

Die gestrige ZIB Zack Mini (Öffnet in neuem Fenster) erklärt kindgerecht die Tat. In direkter Ansprache erzählt eine Expertin, was Kinder jetzt tun können, wenn sie Angst haben.  

Auch der Standard (Öffnet in neuem Fenster) hat sich dem Thema ausführlich gewidmet. So sei es etwa wichtig, die Emotionen, die da sind, zuzulassen und ausführlich darüber zu sprechen. Die Kinder sollten in ihren Gefühlen ernst genommen werden. 

Im Gespräch mit dem Falter (Öffnet in neuem Fenster) erklärt die Psychologin Hedwig Wölfl von den Möwe Kinderschutzzentren eindrücklich, dass es wichtig sei, Kinder möglichst sachlich und klar über die Fakten aufzuklären. Außerdem sei es grundsätzlich gut, mit den Kindern und Jugendlichen gemeinsam Nachrichten zu konsumieren. Aber auch mal Medien- und Nachrichtenpausen einzulegen, sei angebracht. 

Einen guten Überblick über viele direkte Hilfsangebote findet man in diesem Artikel von ORF Steiermark (Öffnet in neuem Fenster).


Viel Kraft in dieser schwierigen Zeit wünscht:

Emil Biller

Portraitfoto von Emil Biller
Bild: Severin Wurnig

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