Wem gehört die Stadt?
Diese Woche sollte es eigentlich um andere Themen gehen: das verregnete Popfest, neue Gemeindewohnungen, ein paar Tipps für verregnete Nachmittage. Aber dann war da dieser Samstag.
Die jährliche Demonstration der Identitären (Öffnet in neuem Fenster) fand statt – wie immer am letzten Juli-Wochenende. 200 Rechtsextreme aus ganz Europa marschierten durch Wien. Man könnte sagen: So viele sind es nicht. Eine Pleite für Martin Sellner und die Identitären Bewegung. Ignorieren, keine Bühne bieten. Tatsächlich standen ihnen deutlich mehr Gegendemonstrant*innen (Öffnet in neuem Fenster) gegenüber, die ein starkes Zeichen setzten.

Doch bei meiner Recherche stieß ich neben der Berichterstattung von Michael Bonvalot (Öffnet in neuem Fenster) und Markus Sulzbacher (Öffnet in neuem Fenster) auf etwas, das mich beunruhigt: Einen Livestream von "Weichreite TV" (Öffnet in neuem Fenster), betrieben vom AfD-Mitglied Sebastian Weber. Er gibt sich als neutraler Journalist aus (auf seinem Profil beschreibt er sich als Freier Journalist) und ist erstaunlich nah am Geschehen. Er wird nicht - wie Journalist*innen anderer Medien - ignoriert oder weggeschickt. Die Gegendemonstrant*innen nennt er "Linksfaschisten", mit Martin Sellner plaudert er freundschaftlich.
Fast 200.000 Menschen folgen seinem Kanal. Der Stream von der gestrigen Demonstration hatte heute Mittag über 130.000 Aufrufe. Die Kommentare? Eindeutig. Sie loben seine "Berichterstattung", genau wie Sellner selbst am Ende des Videos.
Das zeigt: Die 200 Demonstrant*innen sind nur die sichtbare Spitze. Im digitalen Raum erreicht die Bewegung Hunderttausende. Sie wissen genau, wie sie rechtliche Grauzonen nutzen, vermeiden strafbare Symbole (Öffnet in neuem Fenster) und nutzen soziale Medien geschickt für ihre Zwecke.



Durch Webers Stream lernte ich auch "Marcant" (Öffnet in neuem Fenster) kennen, einen Streamer mit 134.000 Followern, der das Gegenteil versucht: Er stellt den Demonstranten kritische Fragen, hinterfragt ihre Ängste, dekonstruiert rechte Narrative.
Die eigentliche Frage ist: Reichen Gegendemonstrationen noch aus? Die Bewegung ist längst nicht mehr nur am Rand der Gesellschaft. Dass ein parlamentarischer Mitarbeiter der FPÖ (Öffnet in neuem Fenster) mitmarschierte, zeigt: Sie sind in den demokratischen Institutionen angekommen.
Warum kann diese Demo überhaupt stattfinden? Warum stellen die Wiener Linien sogar eine leere U-Bahn für die Abfahrt der Demonstrant*innen zur Verfügung? Das Versammlungsrecht gilt für alle (Öffnet in neuem Fenster) – ein demokratisches Dilemma.
Zum Glück gibt es die vielen Gegeninitiativen. Wien schaut nicht weg. Aber reicht das noch, wenn die eigentliche Schlacht längst im digitalen Raum stattfindet?
Kommen wir vom digitalen Raum zurück zum physischen – genauer gesagt: zum Wohnraum.
Heute, am 27. Juli, startet die Vergabe für einen weiteren neuen Gemeindebau: In der Stumpergasse 56 im 6. Bezirk entstehen 45 leistbare Wohnungen mit 2 bis 5 Zimmern, jeweils mit Freifläche. Der begrünte Lückenbau wurde an jener Stelle errichtet, wo zuvor jahrzehntelang das Institut für Höhere Studien stand.
Durch die Änderung der Wohnsitzregel ab 1. Mai 2025 – zwei Jahre Hauptwohnsitz in Wien reichen, auch bei Adresswechsel – können sich nun deutlich mehr Menschen bewerben. Besonders profitieren jene, die bislang durch Umzüge aus dem System gefallen sind.
Die SPÖ kommt mit diesen Projekten ihrem selbst gesetzten Ziel näher, den kommunalen Wohnbau deutlich auszubauen. Zwar wurde das Versprechen von 4.000 neuen Gemeindewohnungen bis 2020 klar verfehlt (Öffnet in neuem Fenster), doch mittlerweile sind über 1.500 Einheiten fertiggestellt, 28 Projekte laufen, weitere 1.500 sind in Planung.
Diese Woche möchte ich dich zu einem Ausflug in den 16. Bezirk einladen. Einer meiner Lieblingsheurigen, der Weinbau Hermann (Öffnet in neuem Fenster), hat nämlich vom 1. bis 11. August (außer am Dienstag und Mittwoch, den 5. und 6.) ab 15.30 Uhr wieder ausg’steckt. Man sitzt dort in gemütlich unter Weinreben und hat einen schönen Blick auf Wien.
Der Heurige befindet sich in der Johann-Staud-Straße 51 und ist öffentlich erreichbar mit dem Bus 46B/46A und 51A.
Auf dem Weg dorthin lohnt sich ein Abstecher im Eissalon Mauß (Öffnet in neuem Fenster) in der Thaliastraße 155, der seit 1969 beste Eisqualität verspricht und meiner Meinung nach auch hält.
Ich wünsche dir bis nächste Woche eine gute Zeit!
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Liebe Grüße,
Alexandra
Herausgeberin, Wiener Flâneur