PROFESSIONELLE LIEBE
REALITY-TV
Neben The Fantastic Four: First Steps (Öffnet in neuem Fenster) oder auch den Memoiren einer Schnecke oder dem Leben des Chuck im Kino dürfte zusätzlich eine heutige Streaming-Premiere die Fantasie anregen und bei nicht wenigen für Freude sorgen. Auf RTL+ ist nun die erste Folge der fünften Staffel der weltweit ersten lesbischen Dating-Show Princess Charming verfügbar. Erneut soll es um die große Liebe, schöne Ansichten zum Leben und Aussichten auf Koh Samui, Thailand (Öffnet in neuem Fenster), und viel Offenheit mit Gefühl gehen.

Achtzehn Single-Frauen sind angetreten (Öffnet in neuem Fenster), um um die fünfte Princess zu buhlen. Diese ist in diesem Jahr keine Unbekannte. Vanessa Borck aka Nessi aka Nessiontour und vormals ein Teil von Coupleontour ist als Content Creatorin aka Influencerin mit über einer Million Follower*innen auf Instagram vielen, nicht nur aus der LGBTQI*-Community (Öffnet in neuem Fenster), ein Begriff. In den Sozialen Medien teilt die 28-jährige Nessi ihr Leben als Person und Mutter und sei nun, nach einiger Zeit der Trennung, bereit für einen neuen Lebensabschnitt. Und damit einer neuen Liebe.
„Ich bin ein monogamer Mensch, bin sehr romantisch, bin neu auf dem Dating-Markt und weiß noch gar nicht, was das alles mit sich bringen wird. Wie flirtet man überhaupt richtig?“ - Vanessa Borck aka Nessi
Diese Frage dürfte sich nicht nur Nessi, die, wie sie in der ersten Folge der neuen Staffel verrät, bisher nur Sex mit ihrer Nun-Ex hatte, beschäftigen. Ob sich da wieder Dramen wie in der vergangenen Staffel abspielen, in der es viel Chaos um offen oder nicht, flirten oder nicht, Gefühle oder nicht gab, werden wir sehen. In jedem Fall finden sich unter den 18 Kandidatinnen einige, die eher offen scheinen. Wie etwa die Gesundheits- und Krankenpflegerin in der Psychiatrie, Marlene, die am Pool verkündet, im vergangenen Jahr keine One Night Stands gehabt zu haben... Schließlich habe sie nur mit Freundinnen geschlafen.

Das gehört dann auch schon zum Unterhaltsamsten, das diese gut sechzigminütige Auftaktfolge des mit dem Grimme Preis und dem Deutschen Fernsehpreis prämierten Reality-TV-Formats zu bieten hat. Ah, ja, und dass die Villa eine neue zu sein scheint oder jedenfalls eine solide umgestaltete. Irgendwie kommt uns das Haus bei Draufsicht/Drohenansicht bekannt vor, von innen ist aber alles neu. Ein Rätsel, Watson!
Dass es nun noch nicht so recht funkt – sowohl zwischen der Princess Nessi wie den anderen Singles als auch zwischen uns und der Sendung –, ist nicht weiter dramatisch. Diese Episode spult recht routiniert und zügig den Einzug und die Vorstellung der Kandidatinnen ab, einige kennen einander aus Köln, Berlin und Co. oder von Instagram beziehungsweise Dating-Apps. Und die Social Media Managerin Fiona und die bisexuelle Mutter Donija haben einander mal gedatet.

Ob das noch für Drama sorgt, werden wir sehen. Ein wenig scheint es hochgejazzt zu werden. Dabei besteht immer die Gefahr, dass es in einen Drama-Kreislauf gerät, der schnell ermüdet – die vergangene Staffel lässt grüßen. Schauen wir mal. Einzeldates und so gibt es hier noch nicht. Dafür natürlich das Speed Dating am ersten Abend in der Single-Villa. Immerhin sind hier schon erste kleine Gesten der Zuneigung, ein wenig Verbundenheit wie auch Irritationen zu vernehmen. Das ist natürlich nicht uninteressant. Dass es nicht wenige Frauen gibt, die sich entweder als bisexuell definieren oder erst seit kurzem Erfahrungen mit Frauen machen respektive ihr Lesbischsein entdeckt haben oder ausleben, scheint nicht nur Nessi ein wenig zu wundern.

Am Ende werden wie gewohnt die Ketten vergeben. Jedoch nur siebzehn. Ergo muss bereits eine Frau die Sendung verlassen. Welche, sei hier nicht verraten. Lediglich, dass es nicht sonderlich überraschend ist. Vermutlich hätte Nessi auch direkt zwei, drei Personen mehr nach Hause schicken können. Doch ein bisschen spaßige Spannung muss bleiben. Abgesehen davon, dass in den vergangenen Jahren doch die eine oder andere in den Fokus rückte, die anfangs noch eher im Hintergrund stand.
Auffällig ist, dass viele der Frauen zumindest nach außen recht sicher und durchaus kameraaffin auftreten. Wir stellten schon im vergangenen Jahr fest, dass sich nicht wenige sehr selbstverständlich und bewusst mit den Kameras bewegten und sich solide in Szene zu setzen wussten. Das bringt natürlich eine gewisse Qualität wie auch Unterhaltung mit sich, allerdings verringert es den Authentizitäts-Faktor um einiges. Dies gepaart mit dem krassen Production Value von Seapoint Productions und RTL bietet eine hochprofessionelle Sendung.

So hat, nach unserem Empfinden, das einstmals zart zauberhafte, für Showverhätlnisse beinahe endlos ehrliche und chic charmante Reality-Dating-Format Princess Charming allmählich mehr und mehr das Problem, dass beispielsweise das Casting zunehmend auf „Profis“ und potenzielle Konflikte zu schauen scheint. Mehr Influencerinnen, mehr Laiendarstellerinnen und Schauspielerinnen, aber auch Leute, die im Public Relations- und Marketing-Bereich arbeiten, also einen fachkundigen bis gewerbsmäßigen Blick mitbringen.

„Ich bin ein Herzensmensch, kein Kopfmensch. Aber ich glaube, ich sollte häufiger meinen Kopf entscheiden lassen. Außerdem liebe ich es, alles mit meiner Partnerin gemeinsam zu machen – 24/7.“ - Princess Nessi
Das kombiniert mit der erwähnten Neuentdeckung der eigenen Sexualität paar Wochen/Monate vor Drehstart und manch poliert wirkender Social Media-Account steigern das Gefühl, hier vermehrt Menschen zu begegnen, die eine Zukunft auf dem Bildschirm, im (Video-)Podcast respektive allgemein in der Aufmerksamkeits-Bubble suchen. Karriere schlägt Liebe?! Wir wissen es nicht, aber der Beigeschmack wird von Staffel zu Staffel stärker.

Was Formaten wie Are You The One? oder Love/Temptation Island oder Ex on the Beach guttut, sinnvoll für sie ist, sie auszeichnet und penetrant verführerisch macht, ist etwas, woran Princess Charming nach und nach krankt. Wie das ausgehen kann, konnten wir am Semi-Downfall von Prince Charming und dem zugegeben unterhaltsamen Mobbing-Desaster Charming Boys sehen. Dessen unbenommen ist der Faktor Sichtbarkeit natürlich ein wesentlicher und wichtiger. Dies ließ sich auch am im Folgenden kurz geschilderten Dienstagabend feststellen.

In Berlin fand im wunderschönen Delphi Filmpalast in Charlottenburg-Wilmersdorf, direkt neben dem Theater des Westens, ein Special Screening der ersten Episode inklusive eines kleinen Talks statt. Interessant war es allerdings vor allem zu sehen, wer sich aus dem aktuellen Cast fröhlich begrüßte, welche Grüppchen sich bildeten und wer einander ignorierte oder gar einen weniger wohlwollenden Blick zuwarf. In diesem Sinne stand der Abend unter dem Motto „Spoiler Alert!“
Schön zu sehen war, dass sich die neue Princess Nessi mit zwei ihrer Vorgängerinnen austauschen konnte. Madleen, dritte Princess, die mit einem famosen Outfit aufwartete und Lea, die geerdete Princess des letzten Jahres, die sicherlich mit dem schwierigsten Cast ever umgehen musste, und Content-Profi-Princess Vanessa hatten einander sicher einiges zu erzählen. Überhaupt war der Abend von regem Austausch, viel Lachen, aber, es geht hier immerhin und Reality und Menschen, auch manch einer Träne geprägt.

Dass sich zu diesem Special Screening viele Fans eingefunden haben, dürfte kaum verwundern. Da war Begeisterung zu sehen und zu spüren. Viele konnten Frauen und Queers begegnen, die sie in den vergangenen Jahren sicherlich auf die eine oder andere Art begleitet und geprägt haben. Es sollte nie vergessen werden, dass wir selbst in einer vermeintlichen Queer-Wohlfühl-Bubble wie Berlin noch immer mit viel Homofeindlichkeit oder auch schlicht Menschen zu tun haben, die keinen Bezug zu LGBTIQ* haben.

Ob du nun in Berlin Mitte oder Charlottenburg, Kreuzberg oder Treptow oder auch in Spandau oder Hellersdorf wohnst: Eine Selbstverständlichkeit von Freund*innen und Bekannten, Familie und Kolleg*innen akzeptiert zu werden, gibt es nicht. Sich outen, sich ausleben, zu sich zu stehen, das erfordert durchaus Mut und ist nicht selten mit dem Risiko der Ablehnung bis hin zur Gefahr für Körper und Geist verbunden. Dass auf Bundesebene Regierende und Teile des neuen Bundestagspräsidiums aus welchen Gründen auch immer die Uhr der Akzeptanz zurückdrehen und den Weg wieder ein wenig steiniger gestalten, hilft dabei nicht.
https://steady.page/de/thelittlequeerreview/posts/c0a6e017-c3e8-47a2-8090-b5f9e2beda9e (Öffnet in neuem Fenster)In diesem Sinne, bei aller Sorge und Kritik, ein großer Dank für die Prince/Princess Charming-Formate sowie mehr und mehr queere Sichtbarkeit im heimischen (Reality-)TV.
QR
PS: Schön ist natürlich, wenn ein, zwei Single-Frauen sagen, dass es die legendäre erste Staffel mit der wunderbaren Irina Schlauch gewesen sei, die ihnen geholfen habe, sich selbst zu entdecken und/oder zu sich, dem Lesbischsein und eigenen Leben stehen zu können.
https://steady.page/de/thelittlequeerreview/posts/d954bf1a-78e6-4e49-97b2-64b0988ce7fd (Öffnet in neuem Fenster)IN EIGENER SACHE: Da unser reguläres Online-Magazin noch immer nicht wieder am Start ist, veröffentlichen wir vorerst hier. Mehr dazu lest ihr in unserem Instagram-Post (Öffnet in neuem Fenster) oder auf Facebook (Öffnet in neuem Fenster). Außerdem freuen wir uns immer, wenn ihr uns einen Kaffee spendieren wollt (Öffnet in neuem Fenster) oder uns direkt via PayPal (Mail: info_at_thelittlequeerreview.de) untersützten mögt.

Staffel 5 von Princess Charming startet am 24. Juli 2025 auf RTL+ mit 10 neuen Folgen (Öffnet in neuem Fenster), jeweils donnerstags.