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SEXY HÜRDENLAUF IN DEN PYRENÄEN

SERIEN-KRITIK

Schon mal beim Sex eingeschlafen? Nein?! Sicher?!? Okay, ich auch nicht. Dafür immer mal wieder beinahe bei der neuen, sexy sportlichen und Sex-affinen spanischen Netflix-Serie OLYMPO, quasi Nachfolger der Erfolgsserie Élite. Attraktive Menschen vor schöner Kulisse diverse Dramen durchleben und -leiden zu lassen ist jedenfalls auch hier oberstes Gebot. Ebenso eine „Rahmenhandlung“, die zwar erstmal ohne Tote, aber doch mit gaaaaanz viel Geheimnis und Mystery auf die Bahn gebracht wird.

Besties?!?!: Nuno Gallego als Cristian Delallave, Clara Galle als Amaia Olaberria und Agustin Della Corte als Roque Pérez in OLYMPO // Cr. Matías Uris/Netflix © 2024

Zwar ist die von Jan Matheu, Laia Foguet und Ibai Abad entwickelte Serie um Nachwuchs-Athlet*innen des elitären Pirineos High Performance Center (HPC) nicht direkt langweilig. Doch ist sie derart überladen, unfokussiert und inkongruent geschnitten, wie sie heiß, sexuell aufgeladen und in manchem Themenbereich, etwa Doping und Manipulation sowie Homofeindlichkeit und Pinkwashing, relevant ist.

Im Mittelpunkt steht die Synchronschwimmerin Amaia (Clara Galle), die nicht nur um jeden Preis gewinnen, sondern ebenso herausfinden will, was mit ihrer Schwimmpartnerin und besten Freundin (?) Núria Bórges (María Romanillos) passiert ist, die nach einem Trainingsunfall mir nix, dir nix aus dem Center in den Pyrenäen angeblich nach Andorra verschwindet. Zudem muss sie ihre Beziehung zum Rugbyspieler Cristian (Nuno Gallego, der gefährliche Hottie Héctor aus der achten Élite-Staffel) ausloten, der wiederum kurz vor dem Rauswurf steht.

Abseits als Kapitän: Roque (Agustin Della Corte) in OLYMPO // Cr. Matías Uris/Netflix © 2024

Apropos Rugby: Bester Freund Cristians und Kapitän des Teams ist Roque (Agustín Della Corte), dessen Talent nach Ansicht einiger von einem Makel belastet ist – er ist offen schwul. Daran stören sich nicht nur ein, zwei Teamkollegen sondern auch der Coach, dem hier und da mal das Wort „Schwuchtel“ so voll versehentlich „rausrutscht“. Dafür ist in einer frühen Szene der Bro Diego (Élites Eric Gleb Abrosimov in einer Nebenrolle) in ihn gerutscht. Ebenfalls scheint der verkappte Sebas (Juan Perales) an Roque interessiert zu sein.

Weniger interessiert sind die um begehrte und lukrative Sponsorenverträge mit der prestigeträchtigen (und titelgebenden) Modemarke Olympo buhlenden Sportler*innen an Leichtathletik-Neuzugang Zoe (Nira Osahia). Diese kommt in letzter Minute über ein Stipendium als große Hoffnung im HPC an. Vor allem ihre Sparringspartnerin Renata (Andy Duato) und ihre Ex-Flamme (?) Jennifer (Laura Moray) betrachten Zoe als Hochstaplerin...

Zoe (Nira Osahia) wird der Einstieg nicht leicht gemacht // Cr. Matías Uris/Netflix © 2024

...so weit, so soapy. Natürlich hat auch Zoe eine Art Geheimnis, mit dem OLYMPO öffnet und an das wir in Rückblenden immer mal erinnert werden, ohne dass es eine Auflösung in irgendeiner Form gäbe. Selbstredend ist auch der Olympo-Konzern, der uns vermutlich nicht von ungefähr an bekannte Sport-&-Lifestyle-Marken erinnert, mindestens zwielichtig bis in dunkle Skulls-and-Bones-mäßige Machenschaften verstrickt. Doch auch hier bleibt der Großteil die gesamten acht Folgen über in Andeutungen stecken.

Was verbirgt Nuria Borges (Maria Romanillos)? // Cr. Matías Uris/Netflix © 2024

Nicht nur hätten sechs Episoden vollkommen ausgereicht, um die verworrenen Geschichten, die nie so recht zusammenfinden, zu erzählen. Vor allem hätte die zwar gut gespielte aber mit ein, zwei Ausnahmen nur aus absolut und ohne Grund vollkommen unsympathischen, selbstsüchtigen und unsportlichen Charakteren bestehende Serie von einer Straffung des Trainingsplans profitiert. Unsportlich meint hier natürlich im Sinne eines verbindenden Teamgeistes, eines Miteinanders, das selbst auf kompetitiven Feldern zumeist gang und gäbe ist, wie uns aktuell der belanglos-unterhaltsame Werbefilm F1 zeigt (Öffnet in neuem Fenster).

Das fragen sich auch Zoe (Nira Osahia) und Amaia (Clara Galle) in OLYMPO
Das fragen sich auch Zoe (Nira Osahia) und Amaia (Clara Galle) in OLYMPO // Cr. Matías Uris/Netflix © 2024

Ein wenig Respekt nötigt es uns schon ab, dass die Autor*innen Matheu, Foguet und Alba Lucío es geschafft haben, eine ganze Serie voller Arschlöcher ohne jede Ironie und nahezu ohne jeden anthropomorphischen Charme zu schreiben. Ein Lichtblick ist dabei unter anderem Roque, der nicht nur den interessantesten, weil einzig wirklich stringenten Handlungsstrang hat, sondern ebenso die einzige Person ist, die nicht mit einem Schnippen alles und jeden für die eigenen Ziele zu opfern bereit ist. Fehler macht auch er, allerdings nicht aus Eigennutz, sondern eher aus Überforderung.

Am Ringen sond Juan Perales als Sebas Senghor und  Agustin Della Corte als Roque Pérez in OLYMPO
Am Ringen: Juan Perales als Sebas Senghor und Agustin Della Corte als Roque Pérez in OLYMPO // Cr. Matías Uris/Netflix © 2024

Die Storyline um Homophobie und harte Männlichkeit ist eine starke Nummer, die durchaus realistisch daherkommt. Ebenso die Bemühungen Olympos, ihn für ihren vermeintlich fantastischen LGBTQI*-Support einzuspannen. Was wiederum zu mehr Neid und Spannungen innerhalb des Teams führt. Einen weiteren queeren Subplot gibt es zusätzlich um die Frage, wie mit nicht-binären Sportler*innen umzugehen ist; diese ist aber leider nur ein kleiner Nebenschauplatz, der sich in einer vermeintlichen Folgestaffel ähnlich öffnen könnte, wie auch die Rückblenden in Zoes Vergangenheit.

Sauna- statt Stuhlkreis: Gleb Abrosimov als Diego Sorokov, Juan Perales als Sebas Senghor, Agustin Della Corte als Roque Pérez, Laura Moray als Jennifer Pina, Martí Cordero als Charly Lago, Najwa Khliwa als Fátima Amazian in OLYMPO // Cr. Matías Uris/Netflix © 2024

Die Thriller-Story um Núrias Verschwinden und Wiederauftauchen, wie auch die plötzliche Leistungssteigerung mancher Schüler*innen verwässert mehr und mehr. Was nicht zuletzt daran liegen mag, dass Amaia, die hier quasi die Enola Holmes macht, selber unzählige Nebenschauplätze bedienen muss und schlicht... derart unsympathisch ist, dass wir uns an sich nur denken: Dann lass die halt ihre Machenschaften haben und trainier einfach weiter, herrje!

Alles im Blick - die OLYMPOs: Nico Furtado als Hugo Teixeira, Melina Matthews als Jana Castro und Jesús Rubio als Iker Delallave
Alles im Blick - die OLYMPOs: Nico Furtado als Hugo Teixeira, Melina Matthews als Jana Castro und Jesús Rubio als Iker Delallave // Cr. Matías Uris/Netflix © 2024

Letztlich schade, denn so verwässern viele interessante Ansätze im charakterlosen Nichts. Immerhin sieht die von Marçal Forès, Daniel Barone, Ibai Abad und Ana Vázquez inszenierte und Darlos Garcés und Miquel Prohen gefilmte Serie gut aus. Dies vor allem in den leider immer weiter abnehmenden Sportsequenzen und den sehr offenen Sexszenen. Hier regten sich übrigens einige auf, dass die Serie da ein wenig übertreibe und sehr (s)explizit sei...

Kein Sex, aber sexy: Nuno Gallego als Cristian Delallave OLYMPO
Kein Sex, aber sexy: Nuno Gallego als Cristian Delallave OLYMPO // Cr. Matías Uris/Netflix © 2024

…uhm, sorry?!? Schon mal davon gehört, wie Grindr und Co. im Olympischen Dorf und drumherum quasi explodiert sind? Sex ist immer gut, um Stress zu reduzieren. Dann hängen dort den ganzen Tag von Sport aufgeladene, unter Druck stehende Menschen miteinander rum. Studien haben längst nachgewiesen, dass Bewegung und Sport den Testosteronspiegel erhöhen und somit die Libido steigern (können). Zudem kann die Durchblutung der Geschlechtsorgane gesteigert werden und gar die Wahrscheinlichkeit sexueller Dysfunktionen verringert werden. Duh.

Mit anderen Worten: Ordentlich Bummbumm ergibt, im Gegensatz zu vielem anderen in Netflix' OLYMPO, Sinn.

https://www.youtube.com/watch?v=FYTtD0HR_Jk (Öffnet in neuem Fenster)

Für die heißen Sommertage und manches Mal schlaflosen Nächte ein guter Binge-watch mit stimmungsvollem Score von Pablo Borghi, der bei richtiger Gesellschaft inspirierend sein dürfte. An sich wirkte diese erste Staffel wie eine anstrengende Trainingssession für eine hoffentlich gehaltvollere zweite Staffel als echtes Spiel. Mit Blick auf die Platzierung des ästhetischen Hürdenlaufs, dürfte eine Fortsetzung sicher sein.

JW

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OLYMPO ist seit dem 20. Juni 2025 auf Netflix verfügbar (Öffnet in neuem Fenster).

Kategorie Film & Serie

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