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From Tel Aviv With Love - Dank an die Community

Stammleserinnen und -leser kennen das: Ich jammer gerne.
Eigentlich ist es kein Jammern, es ist moppern. Das ist so in der rheinischen Genetik vorgesehen.

Es ist evolutionär. Ossis jammern, Hessen klugscheißen, Bayern, Franken und Badenser schimpfen, dem Norddeutschen ist alles egal, weil er noch melken muss und Rheinländer moppern nun einmal lakonisch. Viele Satiriker stammen aus dieser Gegend.

Also kündige ich öfter mal Netz-Urlaub an.
Weil ich ja täglich irgendwas poste und sonst irgendwer sie Feuerwehr ruft, wenn ich nichts poste.
Kein richtiger Urlaub, nur Netzurlaub. Weil Social Media ein Irrenhaus ist. Mit Menschen, die schreiend herumlaufen und überall hektisch draufdrücken.

Anfang August hatte ich mal wieder Netz-Urlaub angekündigt.
Woraufhin ein Nutzer der Facebook Fanpage (Öffnet in neuem Fenster) einen Zehner gewettet hat, dass ich das nicht einmal bis zum Wochenende durchhalte.
Dieser Narr.

Ich habe durchgehalten.
Und öffentlich meinen Gewinn eingefordert.
Aber nicht für mich.

Hintergrund

Ich hatte schon einmal aus einem ähnlichen Anlass zu Spenden für Keren Hayesod aufgerufen.
Vor einiger Zeit kontaktierte mich dann der Delegierte für Deutschland. Ohne Anlass, Händeschütteln, macht man so.

Kurz vor der Wette erzählte er mir von einem neuen Projekt. Das zu dem Zeitpunkt noch gar nicht öffentlich war. Und das ich für gut befand, so dass ich mich damit auch öffentlich identifizieren könnte.

Ich habe zwar länger gedient. Bin aber als Wehrpflichtiger gezogen worden.
Deshalb liegen mir Wehrpflichtige bis heute am Herzen.
Sie entspricht meinem Bild einer wehrhaften Demokratie, Verantwortung, Teilhabe an der Gesellschaft und dem Bürger in Uniform.
Die Wehrpflicht auszusetzen halte ich bis heute für einen großen Fehler. Auch wenn sie nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nicht in die neue Situation gehievt und völlig zu Recht kritisiert wurde.

Ich komme nicht aus einem „Soldatenhaushalt“. Sondern aus einem eher linken Umfeld, Arbeiterklasse.
Aber alle männlichen Angehörigen meiner Familie der letzten Generationen und selbst mein „Stiefvater“ haben alle ihrem Land gedient. Alle länger, aber nicht so, dass man sich darüber definiert hätte. Ich wurde so sozialisiert, es war normal, es gehörte dazu.

Und zu allem kam dann noch, dass ich ja auch Psychologie im Erwachsenenstudium studiert habe. Gesundheitsbedingt leider ohne Abschluss, aber vielleicht kann ich das irgendwann ja noch nachholen.
Es war nie das Ziel Therapeut zu werden. Aber man bekommt einiges mit.

Warum erzähle ich das alles?

Keren Hyesod

Keren Hyesod („Gründungsfonds“, קרן היסוד) wurde bereits 1956 durch Israel selber gegründet. Durch die Knesset, das Parlament. Das Gesetz trägt die Nummer 17.

Der ursprüngliche Zweck war es, Juden weltweit den Weg nach Israel zu erleichtern. Durch Eingliederungszentren, Hebräisch-Kurse oder Ausbildungsplätze.
Durch die „jüdische Nakba“, etwa 850.000 Jüdinnen und Juden waren aus den arabischen Ländern vertrieben worden, war der kleine, junge Staat überlastet.

Heute unterhält Keren Hayesod verschiedene Projekte, Jugenddörfer und die Hilfe für die Opfer von Terroranschlägen und Krieg.
Die Organisation darf kein Geld direkt für die IDF sammeln. Was ich gut finde, denn Streitkräfte sollten direkt vom Staat finanziert werden.

Die IDF

Was viele außerhalb Israels aber nicht realisieren ist, dass die IDF, die Israel Defense Forces, eine Streitkraft von Wehrpflichtigen sind.
In der Nacht seiner Gründung wurde Israel von allen Seiten von seinen arabischen Nachbarn angegriffen. Und seitdem immer wieder. Es ist gebaut auf Selbstverteidigung und Überlebenskampf. Etwas, was wir uns in Deutschland nur schwer vorstellen können.

»Wenn die Araber ihre Waffen heute niederlegen würden, gäbe es keine Gewalt mehr. Wenn die Juden ihre Waffen heute niederlegen würden, gäbe es kein Israel mehr.«
Golda Meir zugeschrieben

Deshalb müssen Frauen einen Wehrdienst von 24 Monaten leisten und Männer von 36 Monaten.
Die IDF sind etwas kleiner als die Bundeswehr, doch das bei nur 10 Millionen Einwohnern. Das ist enorm. Denn jeder Wehrpflichtige kostet doppelt: Einmal als Soldat, und einmal, weil er in der Wirtschaft fehlt.
Zudem ist die Befreiung für Ultraorthodoxe ein immer größeres Streitthema und eine wachsende Belastung. Weil ihr Anteil an der Bevölkerung immer größer wird.

Und das bedeutet, dass die allermeisten derer, die jetzt im Gazakrieg kämpfen, im Libanon eingesetzt werden und die Verteidigung gegen die Raketen der Hisbollah, aus dem Iran oder der Huthi stemmen, Wehrpflichtige sind.
Und es sind auch Muslime, die ein Fünftel der israelischen Bevölkerung ausmachen. Die größte Minderheit innerhalb der IDF sind die Drusen, vor allem die Männer leisten fast ausnahmslos ihren Dienst.

Sie sind auch im Häuserkampf der asymmetrischen Kriegsführung der Hamas und des palästinensischen Dschihad. Jeder erfahrene Soldat wird bestätigen und die vielen Videos von Anschlägen auf Panzer oder explodierende Sprengfallen zeigen, dass das die schlimmste Form des Krieges ist.

Und das alles höchstens eine Autostunde von zu Hause entfernt. Vom Partner, von den Kindern, von den Liebsten und Freunden, von einem normalen Leben.

Das Projekt und die Community

Yossi Assraf

Yossi Assraf hatte einen Hummus-Laden in Tiberias.
Und er war Reservist.
Er kämpfte für eine Spezialeinheit der IDF in Gaza. Für über 300 Tage.

Die IDF schickte ihn in Urlaub. Zur Erholung in die Schweiz.
Wo er vor nicht einmal zwei Wochen in einen Wald ging und sich das Leben nahm.

Er ist der Letzte einer länger werdenden Reihe von Soldatinnen und Soldaten, die sich umbringen.

Deshalb hat Keren Hayesod das Projekt Shavim ins Leben gerufen.
In diesem Projekt wird Reservisten therapeutische Hilfe angeboten. Denn man schätzt, dass in den nächsten Jahren über 30.000 von ihnen an signifikanten, psychischen Störungen leiden werden.

Deshalb die Vorrede.
Wehrpflichtige, psychologische Hilfe… das Projekt könnte von mir sein.

Also habe ich gebeten, meinen Gewinn von 10 Euro an Shavim zu spenden.
Und für den Fall, dass sich jemand anschließen möchte, habe ich als gutes Beispiel mal 200 Flocken in den Hut geworfen.
Ich habe nicht einmal wirklich dazu aufgerufen.

Viele sind dem Beispiel gefolgt.
Der Verlierer der Wette hat nach eigener Aussage eine Null drangehängt.
Und so kamen nach wenigen Tagen etwa 5000,- Euro zusammen.

Ganz genau lässt sich das nicht sagen, denn Viele haben wohl vergessen, einen Verwendungszweck anzugeben. Es könnte auch mehr sein.
75% kamen übrigens über die Facebook Fanpage (Öffnet in neuem Fenster).

So oder so hat die Community, die „Wombat Army“, damit mindestens einen stationären Therapieplatz für mehrere Wochen bezahlt.

Einige Leute bei Keren Hayesod waren recht aufgeregt und haben sich überschwänglich bedankt.
Ein, wie ich finde, wundervoller Start für ein Projekt, hinter dem ich auch persönlich stehen kann.

Ende der vergangene Woche habe ich den „offiziellen“ Dank erhalten.
Den ich hiermit sehr dankbar weitergebe.

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