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Der Tag, an dem ich mit Schreien aufgehört habe

Gestern war ein Tag wie jeder andere. Dachte ich. Und dann war ich zum ersten Mal in meinem Leben damit konfrontiert, dass sich jemand darüber äußerte, dass es zu laut bei uns wäre.

Die Aussage einer Seniorennachbarin, die offensichtlich neben uns wohnend, ihre Ruhe gestört sieht und mir bewusst oder unbewusst manipulativ Verantwortung für ihr Bedürfnis übertragen möchte, in dem sie mich mum-shamed aka mein Muttersein anzweifelt – ist – ja, wir sind hier unter Uschis, das heißt, bleiben IMMER bei unserer Wahrheit, ohne sie zu verurteilen – nicht in ein Ohr rein und durchs andere wieder rausgegangen.

Natürlich hat es was mit mir gemacht. An ca. 12 verschiedenen Stellschrauben meines Lebens. Für den heutigen Letter picke ich mir allerdings eine raus und lasse die anderen an dieser Stelle im Detail unkommentiert.

(Natürlich müssen wir darüber reden, wie normal und unvermeidbar es ist, dass eine Familie mit drei Kindern in ihrem Zuhause Geräusche macht.)

(Ja, ich habe gerade erst damit begonnen – Achtung, Wortbild – laut darüber zu werden – wie es als selbst neurodivergente Mutter ist, neurodivergente Kinder zu begleiten und ich könnte nach der Ansage meiner Nachbarin sowas von loslegen. Weil größte Thema für uns Betroffene im Alltag der Fakt ist, dass es für Nicht-Betroffene gar keins ist. Es fehlt an Verständnis aus allen Seiten und Blickwinkeln und pflegende Eltern wie ich, die selbst nie Pflege erhalten haben. )

(Es gehört tagtäglich zu meinen choose your battles Überlegungen, ob ich da reingehe und den Frust darüber – Achtung, weiteres Wortbild – “auf Insta rausschreie” – oder in meinem Leben, das so viele Salti in so viele Richtungen, dass du gar nicht mehr weißt, wo du gelandet bist und sich parallel mehrmals auf den Kopf gestellt hat – mit all seinen Challenge-Levels still bleibe und schlucke und unterdrücke. Um Solidarität für pflegende Eltern soll es an anderer Stelle gehen.)

Der Augenblick, der alles veränderte

Aber dann konnte ich etwas Wunderschönes in den Worten meiner Nachbarin entdecken. Etwas, das ich laut zahlreichen Tagebuchaufzeichnungen bereits mit neun Jahren auf dem Schirm hatte – einen mir so wichtigen, der wichtigste von allen eigentlich, heiligen Reminder: Schreien wird es bei mir nicht geben. Niemals.

I wish this would be a long story short.

Wie alle gebrochenen kleinen Seelen, bin ich vom einstelligen Alter entwickeltem Wunsch, dass bei mir alles anders wird und der Ohnmacht, dass ich nicht lange leben werde, weil der Schmerz nicht auszuhalten ist und war – hin und her gebounct.

Was dazu geführt hat, dass ich mich als Erwachsene im Labyrinth der Wünsche und Vorhaben der kleinen Josephine öfter verwirrt habe, als mir lieb ist.

Was mich seit jeher begleitet, ist die Schreckhaftigkeit eines jungen Rehs. Jedes überraschende Geräusch aus der Kalten – sei es, wenn jemand eine Kühlschranktür zu laut schließt, mich erschreckt oder etwas zu Boden fällt. Der Moment, in dem das Geräusch in mein Ohr dringt, ist ein KO-Signal an mein Nervensystem. Es kann bis zu zwei Stunden dauern, dass ich mich beruhigt habe, wenn mich jemand erschrocken hat.

DIY Im Dauerstress zur Ruhe kommen

Für tiefenpsychologische Gespräche fehlt mir als Mutter von drei Kindern Geld, Zeit und Nerv. Aber in meiner Ausbildung zur Familientherapeutin durfte ich mich mit den verbundenen emotionalen Reaktionen bei unerwarteten Geräuschen auseinandersetzen. lernen,

Meine erhöhte Sensibilität gegenüber akustischen Reizen ist emotional stark aufgeladen. Die meiner Nachbarin vielleicht auch und sie findet nur die empathischen Worte nicht dazu. Sensibilität auf laute Geräusche kann auf verschiedene psychologische Faktoren zurückzuführen sein.

Sie kann mit einer Überempfindlichkeit des Nervensystems zusammenhängen, die möglicherweise in der Kindheit verwurzelt ist. In meinem Fall: mein Nervensystem ist nonstop in einem Zustand erhöhter Alarmbereitschaft, was dazu führt, dass ich intensiver auf unerwartete Reize reagiere. Mit Ängsten oder Stresszusammenhängen in Verbindung stehend – hello Motherhood – beeinflusst das meine Reaktionen, bewusst oder unbewusst.

Dass ich nach einem Schreckereignis Stunden benötige, um mich zu beruhigen, weist auf eine aktivierte Stressreaktion hin. In solchen Fällen schüttet der Körper Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol aus, die die Reaktionsfähigkeit erhöhen. Dies ist ein evolutionär entwickelter Mechanismus, der darauf abzielt, uns vor Gefahren zu schützen. Wenn jedoch die Reizempfindlichkeit erhöht ist, kann dies zur Verursachung von chronischem Stress führen und unsere Lebensqualität beeinträchtigen.

So weit, so gut.

Therapeutisch kann Verhaltenstherapie helfen, Reaktionsmuster besser zu verstehen und alternative Bewältigungsstrategien zu entwickeln, mit den 24/7 unerwarteten Geräuschen umzugehen, mit denen ich zuhause mit den Kids konfrontiert bin. Im Alltag stärken wohl Achtsamkeit, Atemtechniken und Entspannungsübungen, um im Dauerstress schneller zur Ruhe zu kommen.

Sorry, muss kurz unterbrechen mit schreiben und lang und laut lachen.

Es war einmal, vor siebenundvierzig Tagen eine Mutter 38-jährige Mutter von drei Kindern, die seit drei Monaten getrennt mit den Kindern allein lebt und für immer die Entscheidung traf: nie wieder werden sich meine Stimmbänder dehnen und sich meine Stimme erhöhen. Nie wieder. Fortan werde ich alles wegatmen und während ich drei Brotdosen, fünf Waschgänge rocke, Elternzettel unterschreibe, x3473gx Termine jongliere, Tränen trockne, Geschwisterstreit schlichte, meine eigene Überlastung wegmeditieren.

Träum weiter, Babe! Wirst du impulsives, wundervolles Zauberwesen nicht. Aber gehen wir erstmal nicht vor, sondern zurück.

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Kategorie USCHI LETTER

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