Logbuch 2025, Teil 5
Eine Woche ist schnell rum, und noch schneller ist vergessen, was in diesen sieben Tagen alles passiert ist. Diese Wochenchronik gibt einen kleinen (subjektiven) Überblick.
Schon wieder Scusi. Schon wieder eine Woche Pause. Himmeloaschundzwirn, noch mehr los, wann eigentlich durchatmen? Wieder einmal ein kurzer Blick nach Übersee, bzw. auch nach Osten: Die sich reaktivierenden Blöcke sind erstaunlich einig und wollen die Ukraine unter sich aufteilen (Öffnet in neuem Fenster). Die USA kündigen nebenbei ihr Interesse am Schutz Europas (Öffnet in neuem Fenster) und damit effektiv die NATO auf. Das Weiße Haus postet Abschiebeflug-ASMR-Reels (Öffnet in neuem Fenster). Und Kanye West verkauft Hakenkreuz-Shirts (Öffnet in neuem Fenster). Steve Bannon und einige andere grüßen Hitler (Öffnet in neuem Fenster), ob von Herzen oder aus einer Übersprungshandlung heraus, konnte medial noch nicht geklärt werden. And it’s sort of american, too: Springer’s very own Matze Döpfner praises JD Vance (Öffnet in neuem Fenster) – we’re at ~please stärke Faschismus~ now. Aber zum Wesentlichen:
Wieder ein Anschlag, wieder Bayern, wieder ein Afghane – in München fährt ein Islamist mit seinem Auto in eine Gewerkschafts-Demo (Öffnet in neuem Fenster). Zwei Menschen sterben, es wird umgehend über mehr Härte und mehr Abschiebungen (Öffnet in neuem Fenster)gesprochen, obwohl das einen Menschen mit Aufenthaltstitel und Arbeit nicht berühren würde und: Markus Söder ist von Trauer so ergriffen, dass er sechs Fotos vom Tatort mit sich im Mittelpunkt postet.

Am selben Tag wird ein rechter Anschlag vereitelt (Öffnet in neuem Fenster), das geht allerdings unter. A pro pos rechte Anschläge: Hanau jährt sich und weil die Mutter eines der Opfer Kritik an der Regierung vor Ort übt (Öffnet in neuem Fenster), will diese das Gedenken in Zukunft abschaffen. Man könnte sagen, es findet eine erinnerungspolitische Wende statt.
Die deutsche Erinnerungspolitik perfekt zusammengefasst: Annalena Baerbock teilt auf Instagram eine Gedenk-Kachel zu Hanau, unterlegt mit einem, nunja, Metalsong. Von einer Nazi-Band. Also halt. Ehemalige Mitglieder der aufgelösten Band Riger sagen, sie seien nur Patrioten (Öffnet in neuem Fenster). Aber sie spielten halt ständig neben NSBM-Bands, grüßten sich in Booklets hin und her mit diesen traditionsbewussten Herren, hatten fleißig Hitler grüßende Fans. Und dann war da noch das Album-Cover mit keltischen Runen und, naja, einem ulkig angeordneten Rapport von Drachen und Schwerter haltenden Armen, die, wie sagt man es am besten? Zwei ineinander verschlungene Hakenkreuze zeigen. Baerbock und/oder ihr Team trifft nicht unbedingt Schuld, es war halt das erste Lied zur Auswahl, wenn man bei Insta “Gedenken” eingibt. Aber ja nun, eine Suchmaschine bedienen ist dann und wann ratsam.

Was war? Ach, Wahlkampf. Es gab Duelle, Arenen (Öffnet in neuem Fenster), Achtkämpfe (Öffnet in neuem Fenster), das Wort Quadrell (Öffnet in neuem Fenster)wurde in unsere Frontallappen gezimmert; bei ARD, ZDF, RTL, Pro7, Axel Springer. Die Moderation und insbesondere Günther Jauch versagte, dafür war der Wahlkampf um ein paar Quizeinlagen und einen Bierdeckel reicher (Öffnet in neuem Fenster). Um Migration ging es auch viel, nur kaum, wenn das Publikum Fragen stellte (Öffnet in neuem Fenster). Wie kann es sein, dass einfache Bürgis Spitzenpolitikern und Faschistinnen besser auf den Zahn fühlen können als abgebrühte Medienprofis?
Ganz salopp gesagt: Medienversagen.
Das Comeback der Linken wurde zuallererst kleingeschrieben (Öffnet in neuem Fenster), belächelt, ungläubig hinterfragt. Der Staatsstreich in Amerika wird ebenso ungläubig beachtet, wenn nicht gar als ~Bürokratieabbau~ bezeichnet (Öffnet in neuem Fenster). Wenn die AfD nicht gerade in Talkshows sitzt, wird ihre Stabilität bewundert (Öffnet in neuem Fenster), ihr Aufstieg ehrfürchtig beschrieben, Alice Wiedel mit Porträts eingefangen (Öffnet in neuem Fenster), nach exklusiven Interviews unkritisch paraphrasiert (Öffnet in neuem Fenster) oder gefragt bei welchen Filmen sie weint (Öffnet in neuem Fenster). Wie sehr dieser journalistische Kniefall zum Weinen bringt, fragt niemand.

Ausführlicher dazu auch hier, (Öffnet in neuem Fenster) aber München war ein Freudenfest der Liveblogs mit all ihren eilig getickerten Falschmeldungen. Das Hauptstadtbüro des Tagesspiegels analysierte kurz sechs islamistische Anschläge (Öffnet in neuem Fenster), von denen mindestens einer – Aschaffenburg – weder noch war, sondern mutmaßliche Amoktat eines psychisch Kranken und einer – Magdeburg – Anschlag eines ebenfalls wahnhaften AfD-Fans. Die drei übrigen werden namentlich nicht genannt. Qualitätsjournalismus.
Cui Bono? Nicht nur Falschdarstellungen, sondern auch verschwörerisches Raunen zu München wurde nicht nur selbst verbreitet, unter anderem von gestandenen Charakteren wie Marietta Slomka, Isabel Schayani und Stephan Anpalagan, sondern auch dankbar verwertet: T-Online nahm die verrauchte Fährte auf und presste die Mutmaßungen in einen Artikel (Öffnet in neuem Fenster), verwies auf dievon Anpalagan bemühten Spiegel-Recherche vom Januar. Ein Experte darf auch was sagen, nämlich, dass er auch nichts Konkretes hat. Und ja klar, es sind auffällig viele Anschläge, klar, Russland, hybride Kriegsführung, ja, diese Sache im Spiegel. Nur, diese Recherche ist vom Januar und hat nichts zu schaffen mit einem psychisch kranken Afghanen in Aschaffenburg, nichts mit einem rechten Arzt aus Saudi-Arabien in Magdeburg und, naja, wenden wir das mal auf München an: Der Täter von München ist 2016 mit 15 nach Deutschland gekommen. Er müsste also vor 9-10 Jahren im Alter von 14-15 vom russischen Militärgeheimdienst in Afghanistan als Schläfer angeheuert worden sein, um Deutschland im Jahr 2025 vor der vorgezogenen Wahl zu destabilisieren. Klingt arg plausibel, unter Acetoneinfluss.

Die Sache mit dem Hofnarren und wie eine wahlkampftaktische Bagatelle plötzlich Titel und Eilmeldungen füllt, wurde ebenfalls schon besprochen. Der gescholtene Kulturrückbauer Joe Chialo kündigt derweil an, weitere Kürzungsrunden in seinem Ressort vorzunehmen (Öffnet in neuem Fenster). Vielleicht hätte Scholz ihn Erfüllungsgehilfen nennen sollen. Außerdem will der Berliner Senat – Stichwort Feigenblatt – bei der Antisemitismusbekämpfung kürzen (Öffnet in neuem Fenster). Merz übrigens auch.
Und damit Vorhang auf für die Union!
Auch dieses Mal gewohnt menschlich, so will Friedrich Merz als Kanzler das Selbstbestimmungsgesetz wieder abwickeln (Öffnet in neuem Fenster), Zitat: “Dinge, die nicht notwendig sind.” Auch sparbar: Das Deutschlandticket (Öffnet in neuem Fenster). Das Innenministerium BaWü hält das Einbehalten der Wertgegenstände von Flüchtlingen (Öffnet in neuem Fenster) für eine gute Idee, bei der man besser nicht über historische Analogien nachdenkt. In Bayern hat Doro Bär anscheinend die Kernfusion und so Sachen entdeckt, die Energiewende kommt!
Das Attentat von München bescherte nicht nur besonders betroffen machende Fotos von Markus Söder, sondern auch besonders betroffen machende Forderungen: Einmal wöchentlich Abschiebeflüge (Öffnet in neuem Fenster), auch nach Afghanistan – und dafür möglichst schnell diplomatische Gespräche mit den Taliban (Öffnet in neuem Fenster). Auch Friedrich Merz spricht gern mit starken Männern. Siegessicher macht er bereits vor der Wahl wirtschaftliche Versprechungen und äußert ergriffen vom Verhandlungsgeschick der Amerikaner zustimmendes Interesse an einem Diktatfrieden (Öffnet in neuem Fenster) zwischen Russland und der Ukraine. Von seinen versprochenen Taurus-Raketen hört man indes weniger. Auch woanders wird er plötzlich schmallippig. Eine der zentralen Forderungen seines mit AfD und FDP symbolisch verabschiedeten Fünfpunkteplans lässt er nun wieder fallen (Öffnet in neuem Fenster) – 40.000 Ausreisepflichtige lassen sich dann doch nicht so mir nichts, dir nichts verhaften.
Dann war da noch seine letzte Rede auf dem Wahlkampfabschluss der Union (Öffnet in neuem Fenster) im – wie passend – Münchner Bierkeller. ~Links ist vorbei~ sagt Merz da, fragt wo alle, die in den letzten Wochen gegen Rechts auf die Straße gegangen sind, nach der Ermordung seines Parteikollegen Walter Lübckes waren (Spoiler: auf der Straße (Öffnet in neuem Fenster), was Merz als Mensch, der sich erst 18 Tage später äußerte, das Statement mit einem Angriff auf Angela Merkel verband und seine Partei letztlich die Aufarbeitung des Mordes im Untersuchungsausschuss torpedierte) und bezeichnete die Millionen als linke Spinner, die nicht alle Tassen im Schrank haben. Immerhin erklärte er die in verächtlichen Tonfall mitgenannte Antifa (noch) nicht zur Terrororganisation.
Der Axel Springer Verlag und seine Resterampe bei Nius versuchen es derweil weiterhin, das Narrativ eines ~Deep States~ von staatsfinanzierten NGOs zu säen, allen voran die berüchtigten Omas gegen Rechts. Durchaus mit Erfolg: Markus Söder nimmt das krude, verschwörungsideologische Raunen in einem Interview auf (Öffnet in neuem Fenster), selbst bis in sonst schwer erreichbaren Synapsen eines Friedrich Merz dringt es vor.
Die Linke indes bricht sämtliche Rekorde und muss ständig ihre Mitgliederzahlen nach oben korrigieren (Öffnet in neuem Fenster), Umfragen prognostizieren plötzlich bis zu 9% bei der BTW. Andere finden das doof – nicht nur grüne Parteisoldaten, sondern auch Jobert Habeck und ACAB verbreiten plötzlich die Erzählung, die Linke wolle nicht regieren (Öffnet in neuem Fenster) (stimmt nicht) und nur eine Stimme bei den Grünen könne den Laden etz noch retten. In der SPD wiederum träumen manche von absoluter Mehrheit und erstellen Grafiken, die linke und grüne Wähler*innen zur Wahl des nur noch blassen Originals aufrufen. Passenderweise sieht Horst Faeser in der Migrationspolitik große Gemeinsamkeiten mit der Union (Öffnet in neuem Fenster), die ihrerseits die AfD kopiert. So weit, so sozialdemokratisch.

Der ehemalige Verfassungsrichter Peter Müller findet, der Wahl-O-Mat sei politisch gesteuert. Weil er zu gleichen Prozentpunkten CDU und AfD vorgeschlagen bekommt (Öffnet in neuem Fenster). Dabei hat er nach bestem Gewissen die Fragen beantwortet. Komisch.

Und dann war plötzlich Wahl. (Öffnet in neuem Fenster) Und ja nun.
Die CDU bekam ihr zweitschlechtestes Ergebnis und wurde stärkste Kraft. Die SPD ihr schlechtestes. Die Grünen ihr zweitbestes, das dennoch einer Niederlage gleicht. Christian Lindner kehrt der Politik den Rücken (Öffnet in neuem Fenster) und hinterlässt die FDP so, wie er sie übernommen hat: In der außerparlamentarischen Opposition. Sahra Wagenknecht schaffts auch nicht in den Bundestag und wittert Betrug und Verschwörung. Die Linke indes erreicht fast 9%. Und die Faschos mehr als 20. In den neuen Bundesländern teils fast 40%, bis zu 20% mehr als die CDU. Und während Friedrich Merz RAMBO ZAMBO ankündigt, sinniert Markus Söder über Koalitionen – Kenia sei keine Option, der Name Kenia allein würde kein Vertrauen wecken (Öffnet in neuem Fenster). Joa.

Ferner liefen:
Nachdem der ~Plagiatsjäger~ zuletzt zusammen mit Julian Reichelts Bumsbude die Vize-Chefredakteurin der SZ an den Rand des Suizids getrieben hatte, versucht er sein Glück mit Robert Habeck. Der geht in die Offensive, die Uni sagt es gibt nichts zu beanstanden (Öffnet in neuem Fenster), die Sache verpufft. Die Entscheidung über die Abschaffung von Paragraf 218 verpufft ebenfalls (Öffnet in neuem Fenster), Freiheit endet für die FDP beim Selbstbestimmungsrecht der Frau. Nicht nur Fernsehsender wollen Polittalks hosten, auch McDonald’s. Max Uthoff macht Wahlwerbung für die Linke und darf deshalb nicht als ~bildschirmprägender Charakter~ in der Anstalt auftreten (Öffnet in neuem Fenster). Uschi Glas, Heiner Lauterbach und andere Schauspieler werben für die CDU. Sie prägen Bildschirme anscheinend weniger und dürfen auftreten. Ein Nazi schändet eine Holocaust-Gedenkstätte, bei der Hausdurchsuchung findet die Polizei eine Maschinenpistole (Öffnet in neuem Fenster). Ein politischer Hintergrund seiner Sammelleidenschaft ist nicht ausgeschlossen. Eine Studie findet raus: Migration hat nichts mit Kriminalität zu tun (Öffnet in neuem Fenster), Migras können sich halt leider oft nur kriminalitätsbelastete Orte zum wohnen leisten. Sitzen wir etwa einer Kampagne auf? Noch mehr Kriminalität – es gab zahlreiche Messerangriffe (Öffnet in neuem Fenster), die medial allerdings untergingen, die Vornamen der Täter sind zu marcellig. Die Justiz ist allerdings auf Zack: Weil vor einer AfD-Tagung mit wasserlöslicher Kreide Anti-AfD-Schriftzüge auf den Boden gesprüht worden, veranlasste der zuständige Richter einen DNA-Test. (Öffnet in neuem Fenster)

Das wars.
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