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Tapetenwechsel.

Fast ein Monat lang Urlaub? Gedanken zur Selbstständigkeit: Über das passende Maß an Struktur und kreativem Chaos und die Frage, ob das noch Arbeit ist.

Heute fliegt der Newsletter wirklich ganz frisch getippt in dein Postfach. Ein bisschen mag ich diese Live-Version ja, auch wenn ich es ganz gut finde, wenn Dinge rechtzeitig erledigt sind. Ich übe im Moment, mich von meinen festen Strukturen zu lösen und habe dir schon letzte Woche davon erzählt, wie sehr ich die Nächte zu schätzen weiß. Heute bin ich dagegen ungewohnt früh in meinen Sonntag gestartet und wurde mit einem fantastischen Lichtspiel in meiner Wohnung belohnt, das mich sanft aus dem Bett getragen hat. In diesen Momenten verliebe ich mich immer wieder neu in mein Zuhause und obwohl ich mich sehr auf meine anstehenden Reisen freue, bin ich glücklich darüber, immer wieder hierher zurückkommen zu können.

Später an diesem Sonntag werde ich meinen Koffer packen, mit genug Büchern, um eine Weile an Ost- und Nordsee zu verbringen. Der September sollte mein Urlaubsmonat werden und ich fiebere meinen Destinationen schon seit einer ganzen Weile entgegen. Diesmal verreise ich nicht allein – das ist eigentlich der Normalzustand für mich, doch es sind einfach Menschen in meinem Leben, dir mir das gemeinsame Reisen schmackhaft machen. Je näher das Reisedatum in den letzten Wochen rückte, desto mehr wurde mir klar: Das wird kein reiner Faulenzerinnen-Urlaub. Eigentlich war das von Anfang an klar. Nicht, weil ich nicht abschalten kann oder möchte, sondern schlichtweg, weil ich gerade so unfassbar viel Spaß an allem habe, was ich tue. Ok fast. Ich gebe zu: Das Schreiben meines Businessplans gestaltet sich ein wenig zäh und ich finde ich regelmäßig eine Reihe an Dingen, die ich lieber mache und dann auch stattdessen tue. Ich erhoffe mir also zwischen fremden Tapeten ein wenig mehr Disziplin in dieser Sache. Andererseits sagte eine ehemalige Kollegin aus dem Immobilien-Marketing einmal sehr weise zu mir: „Zeitdruck ist die Mutter der Kreativität.“ Auf das eine oder das andere vertraue ich nun einfach mal. Die Meeresluft setzt obendrein immer wieder Energie in mir frei, von der ich keine Ahnung hatte, dass sie existiert, wobei die frische Brise mir gleichzeitig immer wieder Bodenhaftung schenkt. Und die braucht es in der kreativen Selbstständigkeit unbedingt.

So langsam komme ich in meiner neuen Rolle an und gestalte meine Tage (und Nächte) abseits der Einschränkungen, die ich mir selbst aus Gewohnheit auferlegte. Die hart erarbeitete Freiheit will genutzt werden und meldet sich mit immer neuen Ideen und glücklicherweise auch der passenden Einstellung dazu. Einfach mal machen und gucken, was passiert. Oder auch nicht gucken, hauptsache machen und auch mal wieder an etwas scheitern. Neues lernen, Dinge falsch machen und daran wachsen. Ich fühle mich in bester Gesellschaft, nächste Schritte zu gehen. Freundinnen und Kolleginnen oder auch mir völlig fremde Frauen gehen irgendwie die ganze Zeit vor mir, neben mir, hinter mir, sind einfach da. Alle gehen ihren eigenen Weg und sind dadurch füreinander da. Womanhood. Ich bin so dankbar, dass ich mich in einem Umfeld bewege, in dem man sich die Hand reicht, statt die Ellenbogen auszufahren. Wir haben so viel gelernt und werden noch viel, viel mehr lernen.

Und so saß ich letzten Mittwoch in einem fancy Café im Wedding beim Co-working mit meiner lieben Freundin und dachte mir so: „Krass, das ist meine Arbeit.“ Ist das noch Arbeit, was wir hier machen? Austausch, schreiben, planen, lächeln, veröffentlichen, Buchungen annehmen, Geld mit dem verdienen, das wir lieben. Wie gerne würde ich das Gesicht meines ehemaligen Klassenlehrers jetzt sehen, der bei meinem Anblick irgendwann einfach nur noch seufzend die Augebrauen hochzog. Ob er damals schon wusste, dass ich es einmal schaffen werde und einfach nur traurig war, dass er sich nie die großen Träume erlaubte? Auch wenn es von Zeit zu Zeit mit verzweifelten Stirnrunzlern, Zweifeln in Clownsschuhgröße und mittleren mental Breakdowns verknüpft ist: Um keinen Preis würde ich meine aktuelle Lage mit irgendetwas tauschen wollen. Zum Schriftstellerinnen-Retreat an die Ostsee, Businessplan schreiben in den Dünen und Workshop-Planung in Istanbul – hätte mir das jemand vor zwei oder drei Jahren erzählt, wäre mein Blick doch noch sehr ungläubig ausgefallen. Die aktuelle Gesamtsituation ist also gleichzeitig absolut wild und völlig klar, ausgeglichen, ruhig. Was der Tapetenwechsel wohl bewirkt? Ich gehe jetzt meinen Koffer packen und melde mich aus Dänemark bei dir!

Bis nächste Woche!

Alles Liebe

deine Sarah

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