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IM ORBIT

SACHBUCH-KRITIK

Viele spotten über das neue Bundesraumfahrtministerium. In der Tat, CSU-Chef Markus Söder hat uns bereits so manches Ei ins Nest gelegt – meist ohne sein Konterfei –, aber bei der Raumfahrt mag er gar nicht so falsch liegen. Diese ist in Deutschland (und, welch Überraschung, in Bayern) zu einem nicht mehr zu vernachlässigenden Wirtschaftsfaktor geworden und für den Technologiestandort Deutschland durchaus von Bedeutung.

Einer, der also nicht spotten dürfte, ist der Raumfahrtjournalist Chirstoph Seidler, der sich bereits seit Langem schwerpunktmäßig mit der Thematik auseinandersetzt. Nicht nur, dass sein Arbeitsplatz mit dieser ministerialen Aufwertung erst einmal sicher sein dürfte - und auch Table.Media (Opens in a new window) gibt neuerdings ein “Space Briefing” heraus -, sondern auch sein bei Piper erschienenes Buch Armstrongs Erben – Was der neue Kampf der Supermächte um den Mond für uns bedeutet gibt viel Aufschluss über diese Wissenschaft.

Im Kalten Krieg gab es einen Wettlauf zwischen der Sowjetunion und den USA, den letztere bekanntermaßen für sich entschieden - Höhepunkt: Die erste Mondlandung heute vor 56 Jahren. Seit über 50 Jahren war dennoch kein Mensch mehr auf dem Erdtrabanten und die wachsende Rivalität zwischen China und den USA (Opens in a new window) lässt dieses Ziel wieder in die Aufmerksamkeit rücken.

Seidler nimmt uns mit auf eine erzählerische Reise zum Mond. Nachdem er ausführlich und anschaulich die Geschichte der Raumfahrt unter besonderer Würdigung des bereits genannten Wettlaufs erläutert, legt er Kapitel für Kapitel dar, was für eine Reise auf den Mond berücksichtigt werden muss. Wir lernen viel über verschiedene Raketen, deren Bauweise und Herausforderungen, über Landwirtschaft im Weltraum, Probleme und Hindernisse, die eine Besiedlung des Mondes erschweren, aber auch, wie mensch sich auf dem Erdtrabanten fortbewegen könnte und müsste.

Elon Musk und sein Unternehmen Space-X darf hier ebensowenig fehlen, wie etwa die Feststellung, dass die USA dabei sind, unilateral das Weltraumrecht neu zu definieren. Welche Implikationen das und manches mehr für das Leben auf der Erde hat, darauf geht Seidler zum Ende hin noch in aller Ausführlichkeit ein.

https://steady.page/de/thelittlequeerreview/posts/ba8b6f09-1ebe-4a7f-8e8e-ad72c88826d1 (Opens in a new window)

Ich muss zugeben, die technischen Details der Raumfahrt waren für mich bisher von geringem Interesse. Christoph Seidler aber schafft es, diese so eindrücklich und greifbar zu vermitteln, dass meine Aufmerksamkeit für die unendlichen Weiten und der Raumfahrt mit der Lektüre von Armstrong Erben deutlich zugenommen hat. Dazu mag auch beitragen, dass er immer wieder die politischen und gesellschaftlichen Implikationen erwähnt, die all dies für unser Leben hat. Gerade der Wettlauf mit China mag viele wenig interessieren, ist aber wohl ein unterschätztes Risiko.

Hier kommen wir aber auch direkt auf eine der wenigen Schwächen, die dieses sehr informative Buch hat – derer Seidler sich aber auch selbst sehr bewusst ist: Im Großen und Ganzen ist das Buch eine Zusammenstellung der US-Raumfahrt. Die russische bzw. sowjetische ist heute relativ unbedeutend, ähnlich wie – leider – große Teile der europäischen Initiativen (die er aber einbindet, wo das geht).

https://steady.page/de/thelittlequeerreview/posts/8cca632a-c901-4815-a7b3-f9aaf4cb189f (Opens in a new window)

Chinas Raumfahrtprogramm hingegen ist nicht nur der Antagonist, sondern auch die große Unbekannte. Beijing gibt nur wenig über sein Raumfahrtprogramm preis und entsprechend dürftig ist die Quellenlage. Dafür kann Seidler selbstverständlich nichts und er macht noch das Beste daraus. Dennoch wäre es natürlich wünschenswert, wenn es noch mehr Informationen über den Stand der chinesischen Initiativen gäbe – denken vermutlich auch die westlichen Regierungen und Nachrichtendienste.

Und ein letzter Gedanke soll noch dem Erzählstil gewidmet sein: Wenn uns Christoph Seidler rein erzählerisch tatsächlich mit auf die Reise zum Mond nimmt und teils aus der Perspektive von “uns Reisenden” schreibt, mag das etwas gewöhnungsbedürftig sein, aber es ist zumindest eine andere Herangehensweise als die vieler anderer erzählender Sachbücher (Opens in a new window). Was an der Stelle eher verwundert, ist, dass er nicht noch mehr ins Detail geht, was die persönliche Vorbereitung der Raumfahrenden angeht. Training, Vorbereitung der Ernährungsumstellung, psychologische Vorbereitung – all das findet, wenn überhaupt, nur am Rande Platz in Armstrongs Erben.

https://steady.page/de/thelittlequeerreview/posts/5a153f22-30b0-49b6-bdd5-df7226125eb8 (Opens in a new window)

Nichtsdestoweniger ist dieses Buch ein echter Glücksgriff, denn Christoph Seidler bringt uns ein Thema nahe, das für viele buchstäblich von einem anderen Stern erscheint. Armstrongs Erben ist überaus informativ, gut und flüssig lesbar und verbindet dies gekonnt mit politischen Implikationen und einem unterhaltenden Faktor. Definitiv ein Lesetipp!

HMS

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Eine Leseprobe findet ihr hier (Opens in a new window).

Christoph Seidler: Armstrongs Erben – Was der neue Kampf der Supermächte um den Mond für uns bedeutet (Opens in a new window); Februar 2025; 336 Seiten; Hardcover, gebunden mit Schutzumschlag; ISBN: 978-3-492-07326-4; Piper Verlag; 22,00 €

Topic Sachbuch

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