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Das lächelnde Gesicht der SPD

PORTRAIT / LANDTAGSWAHL 2024 IN BRANDENBURG

Lars Katzmarek will bei der Landtagswahl Cottbus für Dietmar Woidke zurück holen. Wenn das einer schaffen kann, dann der bekannte Rapper und Revierbotschafter. Doch die Konkurrenz ist stark. 

von Franziska Stölzel

  1. September 2024

Lars Katzmarek im Haustür-Wahlkampf: In der Plattensiedlung Sachsendorf öffnen sich nur wenige Türen.
Lars Katzmarek im Haustür-Wahlkampf: In der Plattensiedlung Sachsendorf öffnen sich nur wenige Türen.

Als Lars Katzmarek sich in den zehnten Stock hochgearbeitet hat, bleiben die meisten Türen zu. Hier in Sachsendorf, der größten Großwohnsiedlung der Lausitz, haben nur wenige Lust auf Politik. Einige aber doch, weiß Katzmarek, der bereits ein erprobter Haustür-Wahlkämpfer ist. „Manchmal bitten mich Leute herein und wir reden in ihren Wohnstuben über das Leben“, sagt der SPD-Mann. Die wenigen, die sich auf ein Gespräch einlassen, haben meist konkrete Probleme, mit denen sie dem Landtagskandidaten kommen. Oft geht es um Schulen und Sorgen um die Zukunft der Kinder. Die Älteren fragen sich, wie lange sie noch die Gesundheitsversorgung bekommen, die sie brauchen. 

Die wenigsten haben mitbekommen, dass in Cottbus im Juli eine Medizin-Universität (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) gegründet wurde. Drei Kilometer von Sachsendorf sollen schon im Wintersemester 2026 die ersten Studierenden anfangen. Dieses Projekt der SPD-geführten Landesregierung hat das Ziel, Ärztenachwuchs in der Lausitz zu halten, und der Stadt Cottbus eine Groß-Einrichtung zu geben, die für den Verlust der Kohleindustrie entschädigt. 

Doch der Strukturwandel wird die Wahlentscheidungen der Menschen in den Wohnblocks von Sachsendorf eher wenig beeinflussen. Was Katzmarek öfter hört, ist der Wunsch nach Frieden, nicht nur in der Ukraine. Er sagt dann, dass Krieg und Frieden nicht im Landtag von Brandenburg entschieden werden. Frieden steht auf den meisten Plakaten, die im Plattenbaugebiet hängen. AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht haben flächendeckend plakatiert. Dagegen eigene Themen zu setzen, ist schwierig genug.

Zwischen Hochhäusern und Eigenheimen

Am Sonntag wählt Brandenburg einen neuen Landtag. Der Wahlkreis 44 - Cottbus II - bringt die Herausforderungen für die SPD in Brandenburg auf den Punkt. Hier sind alle denkbaren Milieus vereint. Noch bis 2019 hielt die SPD das Direktmandat. Seither sitzt der AfD-Mann Lars Schieske fest im Sattel. Der 47-jährige Feuerwehrmann lebt in einem nahe gelegenen Vorort, auch der gehört zum Wahlkreis. Das arme und das reiche Cottbus, Hochhäuser und Eigenheime mit Doppelgaragen, kommen hier zusammen. 

Für die CDU tritt in diesem Wahlkreis die gebürtige Kamerunerin Adeline Abimnwi Awemo an, eine promovierte Umweltingenieurin, die in mehreren Vereinen aktiv ist. Doch bessere Chancen, der AfD das Direktmandat zu entreißen, dürfte Lars Katzmarek haben. Er ist mit seinen 32 Jahren eins der bekanntesten Gesichter der Lausitz. Als Rapper und Influencer ist er häufiger Gast auf Bühnen und Podien. In zahlreichen Medienauftritten wurde er als das freundliche junge Gesicht der Kohleregion in Szene gesetzt. Katzmarek gehört zur engagierten Szene, die den Aufbruch verkörpert. Und das obwohl er beim Kohleunternehmen Leag gelernt hat und bis heute arbeitet. Der Gewerkschaftsbund hat ihn zum Revierbotschafter erkoren. 

Damit kann Katzmarek eine Bandbreite an Zielgruppen ansprechen, die von jung und klimabewusst bis zu den Kraftwerkern reicht. Dabei hilft sein gewinnendes Lächeln - und das Gespräch an der Haustür. In den Tagen vor der Wahl sind es auch wieder zahlreiche Medienauftritte. Bei Frontal 21 ist er mit der Gruppe „Junge Lausitz (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)“ unterwegs. „Unser Rohstoff ist nicht mehr nur materiell“, sagt er. „Forschung und Wissenschaft sind die Zukunft.“ 

Ein Kamera-Team vom ZDF begleitet ihn beim Haustürwahlkampf. Wie die Jugend in der Lausitz so tickt, wird er immer wieder gefragt. Er erwähnt dann nicht die Ergebnisse der U16-Wahl (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), bei der die als rechtsextrem eingestufte AfD knapp 30 Prozent bekam. Stattdessen spricht er eine Jugendumfrage an, laut der in Cottbus die SPD weit vor der AfD zeigt. Zuversicht ist ein Muskel, den Lars Katzmarek eifrig trainiert. „Es heißt immer die jungen Menschen wählen rechts“, sagt er. „In der Umfrage sehen wir, es sind viel mehr junge Demokraten hier als angenommen und das ermutigt mich.“

Eigentlich boomt Cottbus

Cottbus erlebt einen Aufschwung, der noch vor der letzten Landtagswahl so nicht zu erwarten war. Der Kohleausstieg hat der Stadt nicht geschadet, der Strukturwandel indes spült mehrere Milliarden Euro in die Stadt. Als Botschafter des Wandels hat Katzmarek die Leuchttürme parat - das Bahnwerk (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), die Medizinuniversität, den Lausitz Science Park (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Ein Dutzend neuer Institute und Behörden sind über die Stadt verstreut. In allen Enden stellen Kräne neue Wohnhäuser auf. Die sind schicker und geräumiger als die Blöcke in Sachsendorf. Dort zeigt sich bei Wahlen immer wieder, dass der Strukturwandel für viele ein Märchen aus einer fernen Welt geblieben ist. 

Seit der Kommunalwahl am 9. Juni stellt die AfD in Cottbus 14 von 46 Stadtverordneten. Für den SPD-Oberbürgermeister Tobias Schick (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), der sich 2022 gegen den AfD-Herausforderer Schieske durchsetzen konnte, sind das denkbar schwierige Bedingungen, um Zukunftsprojekte voranzutreiben. In der Stadt, die der Motor des Strukturwandels sein will, sind die Bremskräfte stark. 

All dem will Lars Katzmarek mit guter Kommunikation begegnen. Die SPD, sagt er, müsse auch mal offen zu Fehlern aus der Vergangenheit stehen. „So kann man zeigen, dass man sich verbessert und den Anspruch hat gemeinsam zu wachsen.“ Er kam 2019 zur SPD, inspiriert durch eine Woche Praktikum bei Wissenschaftsministerin Manja Schüle. Er ist überzeugt, dass die Lausitz mehr kann als die Stimmung, die sie vermittelt. Einer seiner Songs heißt "Wir gemeinsam (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)". Eine Botschaft, die sich manchmal besser singt als ausspricht. 

Sujet Politik