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Die neue politische Klasse der Lausitz

ANALYSE / BUNDESTAGSWAHL 2025 IN DER LAUSITZ
  1. Februar 2025

Die AfD hat im Osten Polit-Karrieren ermöglicht, die vorher so nicht möglich waren. In manchen Wahlkreisen schon zum zweiten oder dritten Mal. Doch was wird aus Regionen mit Abgeordneten, die nichts leisten müssen?

von Christine Keilholz

Tino Chrupalla (AfD) gewann 2017 Michael Kretschmers Wahlkreis und verteidigte ihn am Sonntag mit 48,9 Prozent. Foto: Deutscher Bundestag / Christian Köhler
Tino Chrupalla (AfD) gewann 2017 Michael Kretschmers Wahlkreis und verteidigte ihn am Sonntag mit 48,9 Prozent. Foto: Deutscher Bundestag / Christian Köhler

Die Bundestagswahl ist für viele ein Rückschlag: Anhänger des Kohleausstiegs, Optimisten des Strukturwandels und Traditionalisten der Westbindung. Zu all dem haben gut 40 Prozent der Lausitzer Wählerinnen und Wähler Nein gesagt. Sie sagten stattdessen Ja zur AfD, die für den umgedrehten Kurs steht. Die in Teilen rechtsextreme Partei will die Energiewende rückgängig machen, Migranten aus dem Land werfen und sich wieder Russland zuwenden, das sein Nachbarland vor drei Jahren brutal überfallen hat.

Wer das nun einer zufälligen kollektiven Laune zuschreibt, liegt daneben. Schon zum dritten Mal seit Frühsommer 2024 gibt die Lausitz dieses klares Votum ab. Die Landtagswahlen im September und zuvor die Kommunal- und Europawahlen hinterließen die gleiche Botschaft. Die Parteien, die für die Transformation von Wirtschaft und Energieversorgung stehen, werden von Wahl zu Wahl härter abgestraft.

Ebenso ihre Abgeordneten: In Brandenburg hat die regierende SPD alle Wahlkreise verloren, bis auf einen. Nur Olaf Scholz, der glücklose Kanzler der unbeliebten Ampel-Regierung, konnte sein Revier in Potsdam mit 21,7 Prozent verteidigen. In Brandenburg wurde die AfD durchgehend fast doppelt so stark wie die SPD, in Sachsen doppelt so stark wie die CDU. Die langjährigen Regierungsparteien, die noch im September ihre Vormacht knapp verteidigen konnten, sind nun weit abgeschlagen. Mit dieser Wahl verändert sich die politische Landschaft im Osten dramatisch. Wie genau?

Traditionelle Eliten ziehen den Kürzeren

Das politische Personal, das die Lausitz auf der bundesdeutschen Bühne vertritt, befindet sich im Wandel. Bis vorige Woche hatte die in Brandenburg regierende SPD mit drei Bundestagsabgeordneten wichtige Fürsprecher im Bundestag. Alle drei haben ihre Wahlkreise verloren. Die Fußball-Trainerin Maja Wallstein und der KfZ-Meister Hannes Walter fanden nicht genug Zuspruch. Walter scheidet aus dem Bundestag aus. Die neuen Abgeordneten von der AfD sind die Finanzbuchhalterin Birgit Bessin, der Feuerwehrmann Lars Schieske und der Ingenieur Steffen Kotré.

Offenbar wendet sich die Bevölkerung vom politischen Establishment ab. Die traditionellen Eliten in den Dörfern und kleinen Städten haben es schwerer, für politische Konzepte einzustehen. Multiplikatoren finden nicht mehr automatisch Gehör.

So konnte Kathrin Michel, die Sozialdemokratin mit Gewerkschafts-Hintergrund, das Ergebnis der SPD kaum verbessern. In Ostsachsen hatte der CDU-Verwaltungsjurist Florian Oest keine Chance gegen Tino Chrupalla. Der Malermeister aus Krauschwitz gewann bereits 2017 Michael Kretschmers Wahlkreis und verteidigte ihn am Sonntag mit 48,9 Prozent.

Neue Polit-Karrieren

Das hat Folgen für das innere Gefüge der Parteien. Längst sehen Neueinsteiger bei der AfD bessere Chancen für ihr Fortkommen. Das treibt der Rechtsaußen-Partei nicht gerade den besten Nachwuchs zu, aber den ambitioniertesten.

Die AfD hat Karrieren ermöglicht, die vorher undenkbar waren. Der ehemalige Streifenpolizist Karsten Hilse gibt nicht viel über seine Arbeitsbiografie bekannt, bevor er 2021 in den Bundestag kam. Vier Jahre später überzeugte er 48,3 Prozent im Wahlkreis Bautzen I. Für Hilse wie für andere ist die AfD eine wirksame Job-Maschine geworden.

Eine Zeitlang sah es aus, als könnte das auch dem BSW gelingen. Sahra Wagenknechts Gründung bot eine frische, dynamische Alternative für jene Linken, die nicht in der Dauer-Opposition versauern wollten. Doch nach einem Jahr Durchmarsch ist Ernüchterung eingetreten: Wagenknechts handverlesene Kaderpartei holte zwar in Brandenburg und Sachsen 10,7 und 8,7 Prozent der Zweitstimmen, ist aber an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert.

Neues Leistungsprofil für Abgeordnete

Solche Dynamiken verändern das Anforderungsprofil der Politikerinnen und Politiker. Nach alter Sitte war es die Pflicht der Abgeordneten, Bundes-Ressourcen in vollen Rucksäcken in ihre Wahlkreise zu schleppen. Ob Förderprogramme, Personal-Zusagen oder gleich ganze Behörden - alles galt als Nachweis einer wirksamen politischen Vertretung. Wer wiedergewählt werden wollte, musste als Geld- und Ansiedlungsbringer wirksam in Erscheinung treten.

Diese Regel gilt nun nicht mehr. Am Sonntag wurden Abgeordnete der AfD wiedergewählt, die nichts dergleichen vorweisen können. Das liegt an der Mechanik solcher Prozesse. Ein Fraunhofer-Institut, ein PtX Lab oder ein Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle kommt nur dorthin, wo die Ebenen von Partei, Ministerien und Kommunen gut verzahnt sind.

Die AfD stellt keine Minister und ist nur mit sich selbst verzahnt. Ihre Abgeordneten scheinen keinen Wert auf solche Meriten zu legen, die wiederum auch niemand von der AfD zu erwarten scheint. Die Frage ist nur, was aus Regionen wird, die dauerhaft auf diese Weise politisch vertreten werden.

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