Gastbeitrag Ehrenamt bei U25 - Einblicke in die ehrenamtliche Arbeit als Peer-Beraterin bei U25
Das Projekt U25 hat sich hier (Si apre in una nuova finestra) schon mal vorgestellt. Eine Peer-Beraterin hat sich die Mühe gemacht und gibt Einblicke in ihre ehrenamtliche Arbeit. CN: Suizidalität, Suizidprävention
Ich bin seit mehreren Jahren Peer-Beraterin bei [U25] Berlin. Angefangen habe ich damit in der Oberstufe. Ich wollte mich ehrenamtlich engagieren, in einem Bereich, der zu mir passt. Da ich schon immer gerne zugehört habe und es ist mir wichtig ist, für andere da zu sein, wenn es ihnen nicht gut geht, hat [U25] gut zu mir gepasst.
Was dieses Ehrenamt für mich so besonders macht, ist, dass die die Beziehungsebene eine ganz zentrale Rolle spielt. Unsere Rolle als Peerberater*innen besteht unter anderem daraus, einen Raum zu schaffen, in dem alles geteilt werden darf, auch ganz schwere Gedanken. Damit unsere Ratsuchenden die Erfahrung machen können: „Ich bin nicht zu viel, sondern darf mich mit meiner Verzweiflung mitteilen. Und diese muss ich nicht alleine tragen“. Genau diese positiven Beziehungserfahrungen können einen Unterschied machen. Oft erleben wir, dass sich Ratsuchende zum allerersten Mal jemandem anvertrauen, sei es mit ihrer Suizidalität oder anderen belastenden Themen, über die sie bisher nie gesprochen haben. Mich beeindruckt immer wieder der Mut, den es dafür braucht und das Vertrauen, das uns entgegengebracht wird. Ich denke, dass auch das anonyme Mailformat dabei hilft, da so ein geschützter Rahmen entsteht und die Schwelle, sich Unterstützung zu holen, nicht so hoch ist.
Ein Großteil unseres Ehrenamtes besteht aus Dasein, Zuhören und Begleiten. Manchmal kann es auch hilfreich sein, eigene Erfahrungen zu teilen. Natürlich nur, wenn es dazu dient, für die Ratsuchenden eine Entlastung zu schaffen. Genau das kann nämlich eine Verbindung schaffen, indem es zeigt: „du bist nicht alleine mit deiner Herausforderung. Ich habe ähnliches erlebt aber habe mit der Zeit Wege gefunden, damit umzugehen.“ Das kann Hoffnung geben und Mut machen.
In meinem Ehrenamt habe ich gelernt, dass Suizidalität im Kern oft eine Lösungsstrategie ist. Zwar eine sehr destruktive, aber auch ein Ausdruck von dem Gefühl, dass es so einfach nicht mehr weitergeht. Gleichzeitig gibt es in vielen Fällen eine Ambivalenz. Ich habe es so erlebt, dass auch Menschen, die sehr stark suizidal sind, eine Seite haben, die am Leben bleiben möchte. Wir versuchen, diese Seite zu stärken. Das machen wir, indem wir ressourcenorientiert arbeiten. Das heißt, dass wir mit den Ratsuchenden gemeinsam schauen, was es in ihrem Leben gibt, das ihnen gut tut und für das es sich zu leben lohnt. Das kann vieles sein: nahestehende Menschen, Lebensziele oder Hobbies. Gleichzeitig möchte ich auch die Seite der Person Ernst nehmen, die aufgeben will. Denn wenn diese Seite nicht beachtet oder verdrängt wird, kann sie aus meiner Erfahrung noch größer und bedrängender werden. Das ist oft ein Balanceakt in der Beratung: einerseits der Verzweiflung Raum zu geben und andererseits gemeinsam nach vorne zu blicken.
Wir Peerberater*innen haben auch gelernt, einzuschätzen, wie akut suizidal jemand ist und wie man diese Person dann am besten begleiten kann. Zum Beispiel können wir mit den Ratsuchenden zusammen einen Notfallplan für Krisenzeiten erstellen. Dieser kann Notfallkontakte enthalten oder Strategien, um mit herausfordernden Situationen umzugehen.
Das Ehrenamt kann emotional sehr intensiv werden. Vor ein paar Jahren habe ich erlebt, wie eine Ratsuchende mehrere Suizidversuche innerhalb weniger Wochen hatte. Das hat mich sehr beschäftigt und auch mitgenommen. Deswegen ist Selbstfürsorge und die Fähigkeit, eigene Grenzen wahrzunehmen, auch ein Teil unserer ehrenamtlichen Arbeit. Wir können nur gut für andere da sein, wenn wir auch auf uns selbst achten. Es ist normal, dass uns manche Beratungsthemen nahe gehen und dann ist es sinnvoll, sich Unterstützung zu holen. Zum Glück können wir uns jederzeit bei den Hauptamtlichen bei [U25] melden und haben regelmäßig Supervisionstreffen (sogenannte Peerteams), in denen wir uns zu den Beratungen austauschen.
Suizidalität ist ein Thema, das die meisten Menschen irgendwann im Leben betrifft, sei es direkt oder im Umfeld. Trotzdem wird noch viel zu wenig darüber gesprochen. Ich würde mir wünschen, dass dieses Tabu weiter aufgebrochen wird, im Privaten, aber auch auf gesellschaftlicher Ebene.
“Es kann Leben retten, wenn über Suizidalität gesprochen werden kann. Wenn Menschen aus dem Umfeld wissen, welche Warnsignale es gibt und weniger Berührungsängste haben, nachzufragen. Und wenn Betroffene weniger Angst vor Stigmatisierung haben müssen, sondern sich frühzeitig Unterstützung holen können.”
Bedeutend finde ich auch den Austausch mit der Politik. Suizidprävention braucht eine langfristige und damit verlässliche Finanzierung. Wir als Peerberater*innen haben zum Beispiel immer wieder im Rahmen parlamentarischer Frühstücke die Möglichkeit, uns mit Politiker*innen auszutauschen und aus unserer Perspektive zu berichten, wieso es niederschwellige Unterstützungsangebote wie [U25] braucht. Solche Begegnungen haben mir gezeigt, dass das Thema parteiübergreifend als relevant angesehen wird.
“Am wichtigsten ist, dass weiter über Suizidalität gesprochen wird. Erst, wenn wirklich hingeschaut und zugehört wird, entsteht ein Raum, in dem echte Unterstützung möglich wird.”
Vielen Dank an U25 und alle Ehrenamtliche für diesen wichtigen Job!