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Cool Japan

Von Hasnain Kazim - Hitze / Hündchen / Paradies

Liebe Leserin, lieber Leser,

derzeit bin ich in Japan unterwegs, und hier ist es derzeit ähnlich heiß wie vor ein paar Tagen noch in meiner Heimatstadt Wien. Es war hier, sagen mir einige, auch in den vergangenen Jahren schon heiß, aber man spüre schon, dass es jetzt früher im Jahr heiß werde, länger heiß bleibe und die Temperaturen auch mal außergewöhnlich hoch seien.

Ich glaube, in Deutschland (und Österreich) würde man sich unter diesen Umständen in alljährlichen Weltuntergangsszenarien ergehen, tatsächliche und vermeintliche Sündenböcke ausmachen und die Zeitungen vollschreiben mit irgendwelchem Zeug, das emotionalisiert und polarisiert und am Ende nichts bringt.

In Japan sucht man lieber nach Lösungen. Zunächst einmal für den Alltag. Wie man die Hitze besser aushalten kann. Es gibt Dutzende unterschiedliche mehr oder weniger clevere Produkte, die einem helfen, die Temperaturen zu ertragen: kleine Schirme, die eigens zum Schutz vor der Hitze entwickelt wurden und diese Aufgabe erstaunlich gut erledigen; Kühlsprays, die man sich entweder auf die Haut oder in die Kleidung sprühen kann; tragbare Ventilatoren in den unterschiedlichsten Formen, Ausführungen und Größen, zum Halten in der Hand, zum Umhängen um den Bauch (und entsprechend das Gebläse nach oben) oder, von der Form her ähnlich einem Kopfhörer, zum Umlegen um den Hals - und alle aufladbar via USB; ein Schulfreund, der seit vielen Jahren in Japan lebt, schenke mir halbringförmige Dinger, die man ins Tiefkühlfach und sich anschließend um den Hals legen kann, ich habe inzwischen einige Leute in verschiedenen japanischen Städten damit herumlaufen sehen. Manche Kaufhäuser haben ganze Abteilungen für technische Kühlhilfen aller Art.

Klimaanlagen sind eh Standard in den Häusern, ohne ist es kaum auszuhalten. Mich wundert, dass kaum jemand bei uns die Verbreitung von Klimaanlagen fordert. Die würden gerade denen, die durch die Hitze gesundheitlich gefährdet sind, helfen.

Natürlich fressen Klimageräte eine Menge Strom, aber auch da ist man in Japan pragmatisch. Zwar baut das Land keine völlig neuen Atomkraftwerke, hat aber mehrere Projekte reaktiviert oder modernisiert, die bereits in Planung oder in Bau waren, bevor die Katastrophe von Fukushima 2011 das Land zum Umdenken zwang. Ausgerechnet Japan, wo die Katastrophe stattfand, geht pragmatischer mit dem Thema um als Deutschland.

Derzeitiger Stand: Japan reaktiviert schrittweise abgeschaltete Reaktoren, wenn sie neue Sicherheitsauflagen erfüllen. Es gibt Pläne, bestehende Kraftwerke länger laufen zu lassen, über 60 Jahre hinaus. Und die Regierung hat angekündigt, über neue Reaktortypen, etwa kleinere, modulare Reaktoren, sogenannte SMRs, nachzudenken. Große Neubauten sind nicht geplant, aber eine politische Wende hin zur stärkeren Nutzung von Atomkraft sowohl aus Gründen der Versorgungssicherheit mit Energie als auch aus Klimagründen ist erkennbar.

Ich bin weder Freund noch Gegner von Atomenergie. Ich sehe die Risiken und die Vorteile, und das hat sicherlich auch damit zu tun, dass ich ein paar hundert Meter Luftlinie von einem Atomkraftwerk aufgewachsen bin. Was mir an den Japanern gefällt, ist, soweit ich das mitbekomme, die eher sachlich geführte Klimadebatte - die deutlich weniger von Aktivisten bestimmt ist als bei uns. Das Ziel: Klimaneutralität bis 2050.

Ob das erreicht wird, wird man sehen. Ich sehe hier jedenfalls kaum E-Autos. Tesla ist, anders als bei uns, so gut wie gar nicht sichtbar auf den Straßen - und war es auch nicht, als Elon Musk noch nicht so unbeliebt war. Die japanischen Hersteller mischen auf diesem Markt kaum mit, obwohl gerade Toyota ganz weit vorne war, was die Entwicklung eines Hybrids angeht (Modell: Prius).

Man kann den japanischen Weg nun gut oder schlecht finden. Was ich sagen will: Es gibt eben auch andere Standpunkte, Wege, Arten des Umgangs mit diesem Thema. Ich würde wetten, dass Japan schneller zum Ziel der Klimaneutralität kommen wird als wir. Das ist ja das Gute am Reisen: dass man andere Perspektiven mitbekommt.

Grüße an Frau Dr. Bohne

Natürlich vermisse ich meinen Hund. Frau Dr. Bohne begleitet mich ab und zu auf Reisen innerhalb Österreichs oder nach Deutschland. Wir fahren dann mit dem Zug, Böhnchen liebt (!) Zugfahren. Sie weiß dann, dass es spannend und aufregend wird und wir viel Zeit miteinander verbringen. Frau Dr. Bohne ist eine Profi-Bahnfahrerin.

Ins Flugzeug würde ich sie nie nehmen. Ich kenne jemanden, der für eine Fluggesellschaft arbeitet und sich auskennt: Der hat mir mal interne Zahlen genannt, wie es den Hunden auf Flügen ergeht. Er sagte mir das unter der Bedingung der Verschwiegenheit. Also, ich sag mal so: Wenn es sich irgendwie vermeiden lässt, würde ich keinen Hund in ein Flugzeug geben.

Natürlich ist Böhnchen nun nicht bei mir in Japan. Daher, wie gesagt, vermisse ich sie. In Tokio spielt der Hund Hachiko eine Rolle, Sie kennen vielleicht den einen oder anderen Spielfilm. Hachiko war ein Hund der Rasse Akita und lebte in den 1920er Jahren in Tokio. Sein Besitzer, Professor Hidesaburo Ueno, arbeitete an der kaiserlichen Universität Tokio und nahm auf dem Weg zur Arbeit stets Hachiko mit zum Bahnhof im Stadtteil Shibuya, wo der Hund auf ihn wartete. Eines Tages erlitt der Professor jedoch eine Hirnblutung und starb - Hachiko jedoch wartete weiterhin jeden Tag am Bahnhof auf ihn, bis zu seinem eigenen Tod etwa zehn Jahre später.

Die Hachiko-Statue am Bahnhof Shibuya wurde 1934, noch zu Lebzeiten des Hundes, errichtet. Sie ist heute beliebter Treffpunkt für Einheimische wie Touristen, Wahrzeichen der Stadt Tokio und ein Fotospot.

Die ursprüngliche Statue wurde im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen, aber 1948 wurde eine neue Version aufgestellt. Die Geschichte von Hachiko hat ihn in Japan zu einem Symbol von Treue und Loyalität gemacht. Ich finde sie rührend, aber ich weiß natürlich auch, dass Böhnchen, ein Jagdterrier-Dackel-Mischling, mindestens genauso treu und loyal ist, auch wenn sie das nicht unbedingt täglich zeigt.

Ich werde ständig an sie erinnert, weil hier viele Hunde unterwegs sind. Bemerkenswerterweise werden viele in Wägelchen durch die Stadt geschoben. So weit wollen wir es dann doch nicht kommen lassen, obwohl mir kürzlich auffiel, wie heiß der Fußweg in Wien werden kann. Ich habe Böhnchen dann getragen… Ich bin mir nicht sicher, ob ihr so ein Wagen gefallen würde.

Gruselig finde ich die vielen Cafés, die “Dog Café” heißen und wo in den Räumen Hunde herumlaufen und gestreichelt werden können. Ebenso gruselig die Tierläden, in denen man für viel Geld Hundewelpen und Katzenbabys kaufen kann und die in Glaskästen ihr Dasein fristen. Von Tierschutz mag man da gar nicht reden.

Für Frau Dr. Bohne habe ich ein Mitbringsel entdeckt: einen Kimono. Wahrscheinlich wird jetzt jemand schimpfen, das sei “kulturelle Aneignung”, Frau Dr. Bohne sei schließlich Wienerin, keine Japanerin, aber das ist uns beiden herzlich egal.

Im Paradies

Man begehrt, was man nicht hat. Japaner, so sagte man mir, schätzen zum Beispiel deutsche Messer aus Solingen. Wenn sie nach Deutschland reisen, ist ein Messer von dort ein beliebtes Mitbringsel. Umgekehrt kaufen Touristen in Japan gerne japanische Messer. Die besten, sagte mir ein Händler, kommen aus Sakai bei Osaka, Seki in der Gifu-Präfektur und Takefu in der Fukui-Präfektur.

Für Messer interessiere ich mich nicht, sehr aber für Schreibwaren und insbesondere für Füllhalter. Hier verhält es sich ähnlich: Japaner lieben deutsche Schreibgeräte von Lamy (das Heidelberger Unternehmen gehört seit einem Jahr einem japanischen Schreibwarenkonzern), Pelikan, Graf Faber Castell, Montblanc. Ich hingegen mag japanische Stifte, von den drei großen Herstellern Pilot, Platinum und Sailor, aber natürlich auch von kleineren Herstellern und von den hochprofessionellen Füllfedermachern, nur dass ich mir deren Stifte leider nicht leisten kann.

In Japan gibt es eine Schreibwarenkette, sie heißt Itoya, und in Tokio befindet sich deren Haupthaus: Schreibwaren auf zwölf (!) Stockwerken. Ich liebe, also: l i e b e, diesen Laden! Ich liebe natürlich auch meinen Wiener Mastnak und meinen Wiener Miller, ich bin gerne in Hamburg bei Otto F. K. Koch, und Ortloff in Köln oder Fritz Schimpf in Tübingen oder Seel in Heilbronn - ach, wie wunderbar, möge es diese Geschäfte noch lange geben!

Aber Itoya? Das absolute Paradies!

Da war ich nun und werde ich sein und Füller, Tinte und Papier kaufen. Nichts übertrieben Exklusives, es gibt natürlich auch umgerechnet viele Tausend Euro teure Schreibgeräte, versehen mit Malereien oder Gravuren von berühmten Künstern, oder limitierte Editionen, aber ich interessiere mich dafür, womit japanische Schulkinder schreiben oder was hier die durchaus edlen Füller sind, mit denen die Menschen schreiben.

Überhaupt sind in Japan Stifte und Papier viel stärker verbreitet als bei uns. Die Leute kaufen nicht nur diese Produkte, sondern sie nutzen sie auch. Wie schön! Man pflegt die Handschrift! Ich l i e b e es!

Ich wünsche Ihnen eine schöne Woche und sende herzliche Grüße heute aus Osaka! Wenn Ihnen die “Erbaulichen Unterredungen” gefallen, abonnieren Sie sie oder empfehlen Sie ein Abo weiter. Das ist alles kostenfrei. Und wenn Sie mich beim Verfassen unterstützen oder ein Glas Tinte spendieren wollen, werden Sie gerne Mitglied!

Ihr Hasnain Kazim

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