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"Bürgerenergie bedeutet direkte Gewinne"

INTERVIEW / ENERGIEWIRTSCHAFT IN ELBE-ELSTER

Herzberg will Solarparks in Eigenregie entwickeln. Das soll die Erlöse in der 8.700-Einwohner-Stadt halten und dazu ein Risiko des Erneuerbaren-Booms mindern, sagt Bürgermeister Karsten Eule-Prütz.

"Wir haben hier schon immer vom Grund und Boden gelebt", sagt Karsten Eule-Prütz. Jetzt will Herzbergs Bürgermeister eine Bürgerenergie-Genossenschaft gründen. Auftakt ist am Mittwoch. Foto: privat
"Wir haben hier schon immer vom Grund und Boden gelebt", sagt Karsten Eule-Prütz. Jetzt will Herzbergs Bürgermeister eine Bürgerenergie-Genossenschaft gründen. Auftakt ist am Mittwoch. Foto: privat

Herr Eule-Prütz, Sie wollen in Herzberg eine Bürgerenergie-Gesellschaft gründen. Warum?
Seit etwa einem halben Jahr haben wir vermehrte Anfrage von Solarpark-Entwicklern, die bei uns Parks bauen wollen. Beeindruckt haben mich Unternehmen wie Swisspower (Si apre in una nuova finestra). Das ist ein Zusammenschluss Schweizer Stadtwerke. Da dachten wir: Wenn die so viel verdienen, dass die bei uns investieren können, dann können wir das als Stadt auch versuchen.

Warum gerade jetzt?
Was mich umtreibt, ist die Frage, wie wir die Gewinne aus den Erneuerbaren (Si apre in una nuova finestra) besser in der Stadt nutzen können. Wir haben in Herzberg eine Solaranlage auf 40 Hektar Fläche seit 2009 stehen. Wenn ich anhand der Einspeisevergügung ausrechne, was da an Gewinn entsteht, könnte ich weinen über die 2,5 Milionen Euro, die jährlich wegfließen. Dieses Geld könnten wir hier gut gebrauchen. Der Bürgermeister von Reußenköge (Si apre in una nuova finestra) in Schleswig-Holstein erzählte mir, die haben 83 Windkraftanlagen stehen, die den 340 Einwohnern gehören. Die Anlangen wurden von der Gemeinde geplant und betrieben. Die komplette Wertschöpfungskette bleibt vor Ort.

Trauen sich die oben an der Küste mehr Unternehmertum zu als wir in der Lausitz?
Energiegenossenschaften (Si apre in una nuova finestra) sind im Osten nicht so weit verbreitet. Dabei ist das eine gute Idee. Wir haben mit Unternehmen gesprochen, die sind interessiert. Jetzt fragen wir die Bürger, ob sie mitmachen wollen. Diesen Mittwoch haben wir eine Versammlung. Ich hoffe, die Bereitschaft ist groß, bei einer solchen Sache mitzumachen.

Wenn das Interesse groß ist, wie gehen Sie dann vor?
Wir haben vor, alle Solarprojekte zu stoppen, die keine Beteiligung vor Ort haben. Stattdessen wollen wir selbst Projekte durchziehen. Die Idee ist, einen kleineren Park zu entwickeln, wo die Leute sehen, dass eine neue Branche vor Ort entsteht, die uns etwas einbringt.

Energieproduktion als kommunales Geschäft?
Ja, wieso nicht? Wir haben hier schon immer vom Grund und Boden gelebt. Meist durch Landwirtschaft. Jetzt kommt Strom dazu, das bietet uns Möglichkeiten. Wir sind mit unserer städtischen Wohnungsgesellschaft an einem Projekt der Stadtwerke Leipzig beteiligt. Das bedeutet, wir versorgen mit dem Platz, den wir haben, die Stadt mit dem Strom, den sie nicht selbst herstellen kann. Das ist doch vernünftig.

Können Sie sich auch einen Windpark (Si apre in una nuova finestra) vorstellen?
Das wäre schon ein größerer Brocken. Da bräuchten wir mindestens zehn Millionen Euro, wenn es sich lohnen soll. Wir müssen erstmal Vertrauen in ein solches Konstrukt bekommen. Hinzu kommt: Wir können als Kommune Solarparks selber machen, denn da haben wir Planungshoheit. Bei Wind ist es anders.

Wie offen ist Herzberg für Windkraft?
Offen gesagt: Da gibt es eine extreme Ablehnung. Vor allem mit dem Argument: Davon haben wir nichts. Teilhabe ist ein großes Thema geworden - da sind die Möglichkeiten bei Windkraftanlagen beschränkt. Wir haben in Herzberg ein Windrad, das hat schon genug Ärger gebracht.

Dabei will das neue Erneuerbare Energien Gesetz (Si apre in una nuova finestra) (EEG) genau das verbessern.
Da gibt es ein gewaltiges Problem: Das EEG bietet zwar Teilhabe an neuen Projekten. Aber bei bestehenden Anlagen ist die Beteiligung für den Eigentümer freiwillig. Ich kenne keinen, der freiwillig was vom Gewinn abgibt. Zumal das nicht immer leicht ist, den Eigentümer einer 10, 20 Jahre alten Windkraftanlage ausfindig zu machen. Die Akzeptanz ist eine Frage des Verständnisses und der Teilhabe bei solchen Vorhaben. Ich persönlich bin eher ein Freund der Windkraft, weil das weniger Fläche verbraucht.

Und es bringt mehr ein.
Ja, pro Windrad zahlt der Betreiber in Brandenburg eine Sonderabgabe von 10.000 Euro jährlich (Si apre in una nuova finestra) an die Kommune. Wenn ich noch Flächeneigentümer bin, kommen nochmal 50.000 Euro jährlich dazu. Da bleibt viel Geld hängen. Das kommt in den normalen kommunalen Haushalt, das freut uns. Aber die Leute sehen das nicht. Bürgerenergie bedeutet dagegen direkte Gewinne.

Sie glauben, dass Sie mit Ihrem Bürgerenergiekonzept mehr Akzeptanz bekommen?
Ja, bei Solar ganz bestimmt. Wenn man dafür keinen Wald abholzt und nicht nur 1.000 Meter Abstand hat. Trotzdem müssen wir aufpassen, dass es nicht überhand nimmt. Wir haben gerade eine Situation, wo viele Investoren (Si apre in una nuova finestra) anklopfen, die sich Flächen für Energieprojekte sichern wollen. Das spricht sich herum und da sehe ich auch eine Gefahr. Wenn die Leute das Gefühl haben, dass Solarparks unkontrolliert wuchern, dann schwindet die Akzeptanz täglich. Außerdem entstehen Risiken für die Wirtschaft.

Wo genau?
Wir haben intensive Gespräche mit unseren Agrargenossenschaften geführt. Die sind in Sorge wegen der Landnahme. Oft haben sie ihre Flächen gepachtet. Wenn der Eigentümer kündigt, weil er mit Energieproduktion mehr verdienen kann, dann entsteht bei den Landwirten Mangel. Wir müssen bedenken, dass an Landwirtschaft noch andere Gewerke hängen, wie der Landmaschinenhandel. Wenn man an dieser Stelle nicht aufpasst, gerät eine ganze ländliche Wirtschaft aus dem Lot.
 

Karsten Eule-Prütz, 54, ist seit 2018 Bürgermeister von Herzberg/Elster, wo er auch geboren ist. Er hat Elektromonteur gelernt und Verwaltungswirt studiert. 1997 ging er in den Dienst der Polizei Brandenburg, wo er zuletzt den Stab 2 Direktion Süd in Cottbus leitete.
Mit Karsten Eule-Prütz sprach Christine Keilholz.

Argomento Energie und Klima