Einkaufsparadiese in der Transformation
HINTERGRUND / EINZELHANDEL IN DER LAUSITZ
Die Shopping Mall auf der grünen Wiese war das Must-Have für Städte der Nachwende-Ära. Doch nun müssen sie sich neu erfinden. Nicht allen gelingt das.
von Christine Keilholz
April 2025
Im Süden von Cottbus kann wieder groß eingekauft werden. Der Lausitz Park eröffnet dieser Tage nach längerer Bauzeit neu. Für das 50.000 Quadratmeter große Einkaufsparadies ist es der erste Schritt in eine umfassende Runderneuerung. Rund 100 Millionen Euro kostet der Gesamtumbau, der erst 2027 abgeschlossen sein wird.
Damit tritt die größte Shopping Mall der Lausitz 30 Jahre nach Eröffnung in eine neue Lebensphase ein. Das ist nicht selbstverständlich in Zeiten, da der Online-Handel boomt und die Sorgen um die Innenstädte wachsen. Für den Betreiber des Lausitz Parks, die Edeka Minden Hannover, ist der Bau im Cottbuser Vorort Groß Gaglow „die größte Einzelinvestition in den Einzelhandel und ein klares Bekenntnis zum Standort“. Und zu einer Zukunft, die heute so nicht mehr beginnen würde.
Einkaufszentren dieser Art entstehen nicht mehr neu, da sind sich Experten einig „Große Einkaufszentren werden so nicht mehr neu gebaut, weil Städte darauf bedacht sind, ihre Innenstadt zu stärken“, sagt Annett Schmidt, Referentin für Stadtentwicklung bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Cottbus. „Die noch da sind, haben ihre Daseinsberechtigung.“ Vor allem bei der Versorgung mit Lebensmitteln. Andernfalls wäre dort weniger los.
Lebensmittel unverzichtbar
Shopping Malls auf der grünen Wiese waren Sehnsuchtsorte der frühen Nachwendejahre. Jeder wollte dort einkaufen. Städte, die etwas auf sich hielten,mussten einen solchen Leuchtturm des Konsums haben, der weithin ausstrahlt. Doch längst ist die Kehrseite dieses Konsumverhaltens sichtbar geworden. Seit der Jahrtausendwende leeren sich die Innenstädte. Das Angebot in den Einkaufsstraßen wird löchrig. Städte kämpfen mit Ladenleerstand. Die These, dass die Innenstädte sterben, bestätigt die Forschung. Viele Analysen laufen darauf hinaus, dass der stationäre Handel, der nur verkauft, verschwinden könnte. Leichter haben es Händler, die auf Service und Beratung setzen. Nicht nur in den Stadtzentren, auch in den Shopping Malls.
Die Industrie- und Handelskammern haben das jüngst untersuchen lassen. Die Studie „Der deutsche Einzelhandel 2024“ kommt zu dem Ergebnis: Das stationäre Ladengeschäft ist nach wie vor die Nummer Eins beim Einkaufen. Annett Schmidt: „So lange der große Lebensmittel-Händler drin ist, wird es Shopping Malls geben.“ Im Lausitz Park ist der Marktkauf mit mehr als 7.000 Quadratmetern Verkaufsfläche ein unverzichtbarer Magnet. Ohne ihn hätte Edeka Minden-Hannover die Neuaufstellung in Groß Gaglow wohl nicht gewagt.
Zumal sich die gängigen Ankermieter Zurückziehen. Die großen Ketten dünnen ihre Netze aus. Rossmann, Douglas oder H&M, die lange das Bild deutscher Innenstädte prägten, schließen Niederlassungen. Für viele Städte bedeutet das, sie müssen ihre Warenhäuser umnutzen. Was baulich in den meisten Fälle möglich ist, ergab jüngst eine Untersuchung des Bundesamts für Bau-, Stadt- und Raumforschung. In der Cottbuser Innenstadt wird das Galeria-Kaufhaus zu einem Standort für Behörden, Büros und ein Möbelhaus. In Groß Gaglow führt diese Transformation des Handels dazu, dass etwa der C&A-Kleidermarkt im neuen Lausitz Park nicht mehr zu finden ist.
Multikanal-Handel im Kommen
Die Ketten reagieren mit ihrem Rückzug auf den wachsenden Online-Handel. Der ist längst nicht mehr Sache einzelner großer Online-Versandhäuser. „Fast alle Händler sind in irgendeiner Form auch online unterwegs zu finden“, sagt Nadin Kilian, die sich bei der IHK Cottbus mit Handel beschäftigt, „weil sich das Kaufverhalten dahingehend entwickelt hat.“
Der Handel setzt immer stärker auf Multikanal-Vertrieb, auch das geht aus der Einzelhandels-Studie der IHK hervor. Die Grenzen zwischen dem stationären Handel, der aus Ladengeschäften operiert, und dem Online-Handel verschwimmen damit. Das bedeutet: Die Digitalisierung, die während Corona-Pandemie zur Standard-Forderung an den Handel wurde, setzt sich in der Breite durch. Allerdings bleibt ein weiteres drängendes Problem, das die Existenz von Ladengeschäften bedroht: Es fehlen Nachfolger. „Wir verlieren viele Läden nicht aufgrund ihrer wirtschaftlichen Lage, sondern aufgrund einer ungeklärten Nachfolge“, sagt Kilian.
Abgesehen davon hat der Handel weiterhin Potenzial - sofern er sein Gesicht auffrischt. Denn für die Kunden wird der Erlebnischarakter des Einkaufens immer wichtiger. Auch eine Shopping Mall muss heute ein Ort sein, an dem man gute Zeit verbringen kann. Der Lausitz Park hat die Einkaufsflächen reduziert und bietet stattdessen mehr Raum zum Verweilen an. Auf mehr Freifläche können Besucher verweilen, ohne Geld auszugeben. Es gibt mehr Platz in den Gängen und mehr Gastronomie.