Holen wir uns die Heimat zurück
KOLUMNE LEBEN
Mai 2025
Heimat ist ein politisches Schlagwort, mit dem viel Unfug getrieben wird. Umso wichtiger ist es, den Begriff nicht populistischen Stimmen zu überlassen, sondern ihn gemeinsam neu zu denken.
von Claudia Arndt

Wenn wir heute über Heimat sprechen, dann ist das kein harmloses Thema. Der Begriff ist aufgeladen - politisch, emotional, biografisch. Wo von Heimat die Rede ist, sollen Menschen verbunden werden. Und andere ausgegrenzt. In der Lausitz, einer Region im Wandel, wird Heimat zur Projektionsfläche für Ängste, Hoffnungen und Erinnerungen. Das Wort Heimat - und wie es benutzt wird - offenbart Widersprüche. Heimat kann Halt geben, aber auch Enge bedeuten. Sie kann Zugehörigkeit erzeugen oder Ausschluss.
Das macht die Heimat anfällig für Missbrauch. Wo Heimat als Schlagwort dient, ist nicht selten Rechtsextremismus im Spiel. Der Cottbuser Verein „Zukunft Heimat“ wird vom Verfassungsschutz beobachtet. AfD-Politiker warnen vor dem „Verlust der Heimat (Si apre in una nuova finestra)“ durch Zuwanderung. Die Rechtsaußen-Partei NPD hat sich 2023 in „Die Heimat“ umbenannt. Der Begriff wurde okkupiert vom rechten Rand und zum Kampfbegriff gemacht, der Fremdenfeindlichkeit und völkische Ideologien mehrheitsfähig machen soll. Das dürfen wir Demokratinnen und Demokraten nicht zulassen.
Heimat ist kein Besitz. Sie ist kein Ort, der sich abschließen lässt. Und sie ist auch keine Antwort von gestern, sondern ein Gespräch von heute - und eine Aufgabe für morgen. Wo alte Industrien verschwinden, neue Zukünfte verhandelt werden und tiefgreifende Umbrüche den Alltag prägen, muss über Heimat gesprochen werden. Es ist wichtig, Heimat nicht einfach zu behaupten, sondern kollektiv zu befragen.
Freunde, Rituale, Omas Garten
Weil die Heimat entsprechend ideologisch missbraucht wurde, haben Andere den Begriff weiträumig umfahren. Im linken und liberalen politischen Spektrum wurde die Heimat durch andere Konzepte ersetzt, etwa durch Zusammenhalt. Die Wissenschaft ließ zuweilen lieber die Finger vom Thema Heimat.
Das ist nicht hilfreich, denn Heimat kann Brücken schlagen zwischen Generationen, Milieus und Bildungsgraden. Jede Person kann dazu einen persönlichen Bezug herstellen. Ob Omas Garten oder die Schulfreunde von damals. Heimat ist kein sentimentaler Begriff, sondern ein sozialer Prozess, der gestaltet werden will durch Dialog, Teilhabe und geteilte Verantwortung.
Heimat ermöglicht Formen von Zugehörigkeit, die sich in der modernen Alltagswelt sonst nicht leicht herstellen lassen. Lebensgeschichten können Verbindungen zwischen den Generationen stiften. Heimat verortet Menschen in Stadt und Land, prägt Rituale und offenbart Parallelen unterschiedlicher Kulturen. Heimat verstärkt das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und inspiriert Engagement. Heimat nicht anzusprechen aus Angst vor falschen politischen Konnotationen bedeutet, eine machtvolle soziale Ressource preiszugeben.
Migration, Familie, Ost-Prägung
Heimat entsteht, wenn Menschen mit verschiedenen Erfahrungen sich gegenseitig zuhören, voneinander lernen und bereit sind, auch Differenzen auszuhalten. Das passiert nicht nur in der Hochschule, sondern in Stadtteilen, Kulturhäusern, Pflegeeinrichtungen, Schulen. Heimat lässt sich nicht verordnen. Aber sie lässt sich aushandeln. Letztlich geht es immer um die Frage, wer dazugehört zu dieser Lausitz. Und wer Teil ihrer Geschichte sein soll.
Zur Geschichte dieser Heimat namens Łužica, Łužyca oder Lausitz gehören auch ostdeutsche Prägungen, Vertreibung, Migrationserfahrungen und familiäre Narrative. Heimat wird nicht durch Grenzen stark, sondern durch geteilte Erfahrungen. Es wird Zeit, den Begriff Heimat aus der dunklen Ecke zu holen und wieder nutzbar zu machen.
Claudia Arndt, 36, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Praxisforschungsstelle im Forschungsprojekt „Alterperimentale“ der BTU Cottbus-Senftenberg. Die Veranstaltungsreihe „Zuversicht: Heimat? (Si apre in una nuova finestra)!“ läuft bis zum 8. Juli an verschiedenen Orten in und um Cottbus, wo alle Menschen eingeladen sind, sich über Heimat auszutauschen. Los geht es am heutigen Dienstag, 17 Uhr, in der Galerie Brandenburg, Güterzufuhrstraße 7.