Sturm, Stimmung und Kappa Maki
Über Erwachsenen-Ängste, Sushi für die Stimmung und warum es sich lohnt, doch mal in die Wetter-App zu schauen.
Montagnachmittag. Mein Telefon klingelt. „Ninja, ich glaube es ist keine gute Idee, wenn wir heute trainieren. Es ist einfach zu windig.“ Ich gehe zum Fenster. In dem Moment stürzt etwas Großes von der Dachterrasse gegenüber in den Innenhof. Ups. Mehr Argumente braucht meine Mitspielerin nicht vorzutragen. Wir legen auf und mir fällt Emma ein. Meine Freundin Emma müsste genau um diese Zeit mit dem Kind, auf das sie einmal pro Woche aufpasst auf dem Spielplatz sein. Ich frage sie per Nachricht, ob alles in Ordnung ist und habe sie kurze Zeit später am Telefon.
Emma erzählt von großen herumfliegenden Ästen auf dem Wasserspielplatz, von nackten Füßen verstreuten Schuhen und Socken und einem kleinen Jungen, der mit ihrem Handtuch weggerannt ist. Und sie erzählt von einer Angst, so unbeschreiblich, dass sie sie kaum in Worte fassen kann. Nicht um sich selbst, sondern um das fünf Jahre alte Mädchen, auf das sie aufpasst. „Ich habe noch nie um jemanden solche Angst gehabt“, sagt sie und in meine Erleichterung, dass beiden nichts passiert ist, mischt sich ein Lächeln. Wie spannend, dass Emma durch diese Erfahrung, auf einen kleinen Menschen aufzupassen jetzt, mit 15 Jahren schon einen Eindruck davon bekommt, welche Ängste ihre Eltern fühlen, wenn sie sich um sie oder ihre Schwester Hannah sorgen. Weil die S-Bahn nicht fährt und sie ihr Fahrrad lieber stehenlässt, holen wir Emma mit dem Auto ab und ich sehe an der Ecke Landsberger Allee/Storkower Straße ich einen großen Baum quer auf dem Fußgängerweg liegen.
Ich schaue nicht in die Wetter-App
Man könnte meinen, dass ich durch diesen Vorfall alarmiert wäre und auch in den darauffolgenden Tagen den Wetterbericht verfolge. Tue ich aber nicht. Ich mag es nicht, mir das Wetter anzuschauen. Leute, die das machen nerven mich, denn sie schüren entweder falsche Vorfreude oder verbreiten unnötig schlechte Laune, wenn sie behaupten, in zwei Wochen werde es „megaheiß“ oder „das Wochenende wird leider regnerisch“. Mir hat mal jemand gesagt, dass das Wetter in 50 Prozent der Fälle genauso wird wie am Vortag. Ich schaue auch nicht oft in die Wetter-App, ich stelle mich kurz auf den Balkon auf der Ostseite, halte einmal den Arm auf der Westseite der Wohnung raus, da ich schon oft bemerkt habe, dass auf den gegenüberliegenden Seiten des Hauses unterschiedliche Jahreszeiten herrschen können – und watschele los. So auch am Donnerstag. Ja, ich hätte auch das Auto nehmen können, denn ich wollte abends meine Freundin Hannah abholen, da sie noch einen Beutel Kleidung für die Klassenfahrt von der Mama holen wollte. Ich entschied mich aber dagegen: Erstens, weil ich vorher noch für ein Interview auf dem Beachvolleyballgelände Beachmitte war und dort nicht so gut parken kann und zweitens: Weil ich das nachhaltiger fand und wir nur drei Stationen fahren, was immer schnell geht.
Wir können doch schön Bahn fahren
Als wir in den letzten Zügen des Interviews sind, wird der Himmel dunkel. Wind wirbelt den Sand von den Feldern und klatscht ihn in mein von der Schwüle angefeuchtetes Gesicht. Nicht so angenehm. Als der erste Schwung vorbei ist, fahre ich los und schreibe Hannah kurz, wie lange ich mit der Tram zu ihr brauche. Ich bekomme direkt eine Nachricht zurück: „Ich dachte, du kommst mit dem Auto.“ Ach, wir können schön mal Bahn fahren, denke ich mir. Ist doch kein Problem. Also schultert Hannah brav ihren monströsen Schulrucksack, ich nehme den kleinen Beutel mit der Kleidung für ihre Klassenfahrt und wir laufen zum S-Bahnhof Schönhauser Allee, um festzustellen, dass der gesamte Zugverkehr eingestellt worden ist. Jetzt bloß nichts anmerken lassen. „Ok, das ist nicht optimal“, sage ich. Ich navigiere uns zur U-Bahn in der Hoffnung, dass Hannah das Zeitgefühl eines Hundewelpen hat und nicht bemerkt, dass wir für diesen Weg nun doppelt so lange brauchen werden. Das ist natürlich nicht der Fall, zum Glück ist sie aber so ein höflicher Mensch, dass sie sich nichts anmerken lässt.
Auf einmal sehe ich links neben uns ein Schild: Vietnam Aroma. Sushi. „Hast du schon etwas gegessen?“, frage ich. „Nein“, sagt Hannah. „Sushi?“, frage ich. Ein Lächeln. Hannah liebt Sushi. Schwupps, stehen wir im Laden und ich bestelle: Avacado Maki, Kappa Maki (mit Gurke) und nochmal Avocado Maki zum Mitnehmen für Emma. In freudiger Erwartung zücke ich mein Smartphone, doch die Dame sagte: „Nur Barzahlung.“ Mein Herz sinkt. Ihr gut gemeinter Hinweis, direkt gegenüber sei ein Bankautomat hilft mir nicht, denn ich habe nur mein Handy dabei, auf dem meine Geldkarten gespeichert sind. Ein Blick zu Hannah und mir wird klar: „Das geht nicht. Ich kann nicht ohne Auto kommen, sie zur S-Bahn schleppen, die nicht fährt und schließlich noch falsche Hoffnungen auf Sushi machen, das es dann nicht gibt. Das ist ja schlimmer als ein verkehrter Wetterbericht. Mit zuckersüßer Stimme überrede ich die Dame, mich mit PayPal zahlen zu lassen, was sie mir schließlich grummelnd gewährt. Stimmung und Abendessen gerettet.