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Warum der Blick aufs offene Meer immer für Klarheit sorgt und über das komische Gefühl, mehr zu wollen – und zu wissen, dass man es bekommt.

Zwischen diesem und dem letzten Newsletter habe ich ein bisschen mehr Zeit verstreichen lassen, als ich eigentlich wollte. Ich war beschäftigt. Irgendwie habe ich die Situation des Umschwungs massiv unterschätzt – die Folge war ein Gesamtzustand, in dem mit mir einfach nichts Halbes und nichts Ganzes mehr anzufangen war. Dabei gibt es doch so viel für mich zu tun, zu erleben, vorzubereiten, abzuschließen. Da kam mir der Vorschlag meines Papas gerade recht, ihn im Dänemarkurlaub zu besuchen. Die Fahrt in den hohen Norden war eigentlich viel zu lang für das kurze Wochenende, das ich in dem hübschen Ferienhäuschen verbrachte. Dennoch war es genau das, was ich gebraucht habe, um wieder in meine Mitte zu kommen – wieder bei mir selbst anzukommen. Tapetenwechsel, raue Nordseeluft und mit Papa auf der Terrasse sitzen. Selbst die Zugfahrt mit horrender Verspätung war ein Segen und Entschleunigung pur. Weniger statt mehr. Meer statt Großstadt. Nichtstun statt alles auf einmal. Morgens aufstehen, Yoga im Freien und ein gedeckter Frühstückstisch. Nirgendwohin müssen und einfach mal dasitzen und gucken. Mein Papa kann das ganz hervorragend und so ließ ich mich ein Wochenende lang einfach nur treiben. Und das war die beste Entscheidung, die ich in diesem Moment hätte treffen können.

Zurück in Berlin schlafe ich endlich wieder richtig und kann auch meine To-do-Listen einfach mal nur existieren lassen. Du wirst staunen, aber innerhalb der letzten Tage, in denen ich gefühlt nichts gemacht habe, bin ich um Längen weitergekommen als im Schnellschritt der letzten Wochen, der mich gedanklich im Dreieck springen ließ. Ein Spaziergang am Strand, brütende Möwen, rauschende Wellen, Windjacke und Fleecepulli im Juni statt Melatonintabletten, Netflix, Kaffee und Ibuprofen. Die Bauchschmerzen wurden von Butterbrot mit zentimeterdicker Erdbeer-Rhabarber-Marmelade verschluckt. Das Dröhnen im Kopf weggespült, zusammen mit Muscheln und Steinen im feinen Sand abgelegt. Gedanken abends im Bett mit Blick in den Garten niedergeschrieben und zur Schlafenszeit weggelegt. Nebeneinander schlummerten wir friedlich bis zum nächsten Morgen.

Nach diesem Reset erwarteten mich genau die Gespräche, die ich brauchte, um das Urvertrauen in mich selbst zu festigen. Nach einem Jahr in einer Festanstellung, in dem ich um Meter gewachsen bin, steht jetzt mehr an. Mehr Verantwortung, mehr Selbstständigkeit, mehr Möglichkeiten, mehr Raum, um zu wachsen. Und das Wissen: Ich kann dieses Mehr haben. Als Autorin, Journalistin und als Mensch. Das Mehr, das sich immer alle wünschen, inklusive mir, liegt direkt vor mir und wartet geduldig, bis ich es mir nehme. Warum zögern wir nur immer genau in dem Moment, in dem unsere langgehegten Wünsche drohen, in Erfüllung zu gehen? Vermutlich machen sie mir Angst. Ein gutes Zeichen. Ich habe es gewagt, groß zu träumen, und jetzt bin ich in der privilegierten Lage, meine Träume zu erfüllen. Irgendwie war das erst mal zu viel für mich. Aber jetzt, jetzt bin ich bereit dafür. Bereit für den Abschied, den Übergang, den nächsten Schritt.

Während ich darüber nachdenke, schreibe ich in einem anderen Teil meines Kopfes bereits den passenden Roman zu meiner eigenen Geschichte. Als Autorin habe ich eine wichtige Sache verstanden – immer wenn ich denke, ich fühle zu viel, dann entsteht eigentlich gerade eine neue Geschichte. Und die braucht nun mal Emotionen, und zwar die ganze Palette. Woher wir Schriftsteller:innen unsere Ideen nehmen? Das ist mir noch mal ganz neu bewusst geworden. Und wenn du diese Situation kennst, versuch auch mal von außen draufzugucken. Dann siehst du vermutlich gerade eine buchreife Handlung vor dir, die du nur noch aufschreiben musst.

Bis bald!

Alles Liebe

deine Sarah

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