KEINE DINOS ZUM SPIELEN
FILM-KRITIK
Hach ja, Nostalgie ist so eine Sache. Auf der einen Seite ist es schön, sich (womöglich etwas beschönigend) zu erinnern. Auf der anderen Seite hat es immer ein wenig den Eindruck, als wäre man da irgendwie festgefahren, hänge zu sehr an der Vergangenheit. Das Gute an Filmen allerdings ist, dass man mit ihnen jederzeit einer gewissen Nostalgie frönen kann, ohne sich rückständig fühlen zu müssen. Da können Gefühle auf- und zusammenkommen, die etwas mit der Zeit, dem Erleben des Films, der Umgebung, usw. usf. zu tun haben.

So etwa bei den Herr der Ringe-Filmen, dem ersten (heimlichen) Horror-Film (Friedhof der Kuscheltiere), meinetwegen dem ersten derben Rummachen im Kino (Sex and the City 2, glücklicherweise weit besser als der Film) oder eben JURASSIC PARK von Steven Spielberg. Den ersten, grohohohoooßartigen, aus gutem Grund oscarprämierten Teil gab es noch aus der Videothek (!) auf VHS (!!), den zweiten (wie ich finde unterhaltsamsten) Film schon in Begleitung im Kino. Teil drei ebenso (Alessandro Nivola war damals so hot-cute) und Nummer vier, mit der vierzehn Jahre später die JURASSIC WORLD-Ära anbrach, ebenso. Die Begeisterung für die Reihe nahm kongruent zur inhaltlichen Qualität ab.
Das gefallene Königreich sah ich im Home Entertainment und erneut fummelnd nur mit einem Auge. Auf Ein neues Zeitalter hatte ich keine Lust – war eh genug Veränderung in der realen Welt am Start. Als sich nun mit der Rückkehr des Original-Drehbuchautoren David Koepp und dem Godzilla- und The Creator-Regisseur Gareth Edwards ein Back-to-the-Roots-Reboot andeutete, war zumindest das (nostalgische) Interesse an JURASSIC WORLD: Die Wiedergeburt geweckt. Und nun, um kurz vorzugreifen, wenn sich in den feinen Score von Alexandre Desplat irgendwann die Ur-Dino-Melodie von John Williams mischt, ist das schon ein toller Moment.

Diese gibt es allerdings nicht nur akustisch, sondern auch visuell. Viel wurde in Thailand, u. a. in der Hauptstadt Bangkok, auf der Insel Ko Kradan im Hat Chao Mai National Park, dem Ao Phang Nga National Park der Provinz Phang Nga, den Städten Trang, Phuket sowie am Wasserfall Huai To im Khao Phanom Bencha National Park gedreht. Andere Teile in Studios in Malta und London (übrigens Orte, die im QUEER TRAVEL GUIDE mit Insidertipps empfohlen werden, mehr dazu in Kürze). Bei den Effekten gibt es kein dümmliches CGI-Gewitter, dafür viel Wetter-und-Rauchnebel-Stimmung.

Insofern alles bestens. Auf der Handlungsebene insofern auch, als dass diese nicht künstlich überladen ist. Die Expertin für spezielle Operationen im Graubereich Zora Bennett (Scarlett Johansson, zuletzt: Der Phönizische Meisterstreich (Si apre in una nuova finestra)) wird vom Pharma-Lobbyisten Martin Krebs (Rupert Friend, zuletzt: ebd. (Si apre in una nuova finestra)) angeheuert, um Blutproben von den drei größten Sauriern zu holen. Jeweils zu Wasser (Mosasaurus), zu Luft (Quetzalcoatlus – sag' das mal ein paar Male schnell hintereinander) und an Land (Titanosaurus). Damit soll ein neues Herzmedikament entwickelt werden, um die Menschheit zu retten... Scherz, um noch reicher zu werden. Sie kennen das.

Mit von der Partie ist, sehr zu seiner Überraschung, der Paläontologe Dr. Henry Loomis (Jonathan Bailey, Wicked, Fellow Travelers, Bridgerton), der ein Minzdrops lang überredet werden muss. Zusätzlich angeheuert werden der mit Zora gut bekannte Schiffskapitän Duncan Kincaid (Mahershala Ali, zuletzt: Leave the World Behind), der Ego-Shooter-Waffenexperten Bobby Atwater (Ed Skrein, zuletzt: Rebel Moon) plus ein paar Menschen zum Sterben. (Wobei, kleiner Spoiler, einer der zuvor genannten Herren bedauerlicherweise recht früh die Ur-Welt verlässt.)

Als sei die hochgradig verbotene Mission auf einer am Äquator gelegenen Insel nicht schon komplex genug, stößt plötzlich noch eine dank des Mosasaurus schiffbrüchige Familie zur Truppe. Der geschiedene Papa Reuben Delgado (Manuel Garcia-Rulfo, zuletzt: Pedro Páramo) wollten mit seinen beiden Töchtern Teresa (Luna Blaise) und Isabella (Audrina Miranda) einen friedvollen Segeltörn genießen. Dabei störte schon Teresas fauler Shirtless-Boyfriend Xavier (David Iacono, zuletzt: Fear Street: Prom Queen) – und dann eben der Schwimmsaurier. Jetzt hocken sie bei den Semi-Söldnern und stellen Fragen von Verantwortung und Moral, die den Film – leider – ohnehin allzu oft von wirklich interessanten Gesprächen und einer soliden Geschwindigkeit abhalten.

Denn so wunderbar die Schauwerte, Naturaufnahmen und die Faszination sind, wenn etwa Zora und Henry im hohen Gras einer Gruppe Titanosauruse beim Schmusen zuschauen. So spannend die Begegnungen mit dem immer beliebten T. Rex sowie einem genmanipulierten D-Rex (der, mit Verlaub, irgendwie aussieht, als entsamme er dem Hirn eines der Rick & Morty-Kreativen) sind. So simpel aufreibend Verfolgungsjagden an Felswänden, in Mini-Märkten und Schächten respektive Tunneln sind, so viel Leerlauf hat sich bei vielen redundanten Debatten eingeschlichen. Mit Blick auf David Koepps früheres Schaffen wundert dies, mit Blick auf seine letzten Filme hingegen weniger.

Immerhin ist dank Johansson, Ali, Bailey (und seinen „slutty little glasses (Si apre in una nuova finestra)"), Friend, Skrein und Iacono für (beinahe) jeden Geschmack und an fast jeder drögen Stelle doch was zum Anschauen dabei. Die meiste Zeit über weiß der blutarme (FSK 12, wie immer), Physik und Logik gern ignorierende (Si apre in una nuova finestra) JURASSIC WORLD: Die Wiedergeburt gut zu unterhalten und vor allem jene zu erfreuen, die die Filme nicht erst oder nur durch die bombastisch-öden Chris Pratt-Vehikel kennenlernten/mochten.
https://www.youtube.com/watch?v=jQ8OlnyLZJM (Si apre in una nuova finestra)Insofern ein weiterer perfekter Hot-Summer-Blockbuster zum Abkühlen von Gemüt und Hirn.
AS
PS: Die Namensgebung von Dinosauriern ist übrigens höchst sexistisch. Warum? Das lest ihr in QUEER – Sex und Geschlecht in der Welt der Tiere und Pflanzen, das wir hier rezensiert haben (Si apre in una nuova finestra).

PPS: Übrigens gedeihen „im warmen Wasser rund um den Äquator, zwischen dem Wendekreis des Steinbocks und dem des Krebses, [...] auf Tausenden von Quadratkilometern Korallenriffe und mit ihnen das Leben.“ Mehr dazu bald in unserer Besprechung von David Attenboroughs und Colin Butfields OZEANE – Die letzte Wildnis unserer Erde (erschienen bei dtv).
IN EIGENER SACHE: Da unser reguläres Online-Magazin noch immer nicht wieder am Start ist, veröffentlichen wir vorerst hier. Mehr dazu lest ihr in unserem Instagram-Post (Si apre in una nuova finestra) oder auf Facebook (Si apre in una nuova finestra). Außerdem freuen wir uns immer, wenn ihr uns einen Kaffee spendieren wollt (Si apre in una nuova finestra).
JURASSIC WORLD: Die Wiedergeburt ist seit dem 3. Juli 2025 im Kino zu sehen.
Jurassic World: Die Wiedergeburt; USA 2025; Regie: Gareth Edwards; Drehbuch: David Koepp, basierend auf Charakteren von Michael Crichton; Bildgestaltung: John Mathieson; Musik: Alexandre Desplat; Darsteller*innen: Scarlett Johansson, Mahershala Ali, Jonathan Bailey, Rupert Friend, Manuel Garcia-Rulfo, Luna Blaise, David Iacono, Audrina Miranda, Philippine Velge, Bechir Sylvain, Ed Skrein, u. a.; Laufzeit ca. 133 Minuten; FSK: 12
