ADHS und Depressionen bei Jugendlichen

"ADHS + Depression: Warum die Kombination so riskant ist – und was du konkret tun kannst"
Stell dir vor, du kämpfst mit einer Depression – und dein Gehirn springt gleichzeitig ständig von einem Gedanken zum nächsten. Impulsivität, Selbstzweifel und schlechte Schulleistungen verstärken die depressive Spirale. Genau das erleben viele Jugendliche mit ADHS und Depression. Eine neue große Studie aus Texas liefert jetzt klare Antworten: ADHS verstärkt Depression, Suizidgedanken und schulische Probleme – aber es gibt Wege, gegenzusteuern.
Die wichtigsten Ergebnisse der Studie
Die Texas Youth Depression and Suicide Research Network (TX-YDSRN) untersuchte 797 Jugendliche mit Depression (8–20 Jahre). Fast 40 % hatten zusätzlich ADHS – und diese Gruppe schnitt in mehreren Punkten schlechter ab:
✅ Mehr depressive Symptome: Jugendliche mit ADHS + Depression fühlten sich deutlich belasteter (kleiner, aber signifikanter Unterschied).
✅ Höhere Suizidalität und Impulsivität: Impulsives Handeln kann riskante Entscheidungen fördern – ein entscheidender Faktor für Suizidgedanken.
✅ Mehr Reizbarkeit: ADHS kann depressive Stimmung durch innere Unruhe und Konflikte verschärfen.
✅ Schlechtere Schulleistungen: Konzentrationsprobleme, fehlende Struktur und Selbstzweifel wirken sich spürbar auf den schulischen Erfolg aus.
✅ Etwas geringere Resilienz: Wer doppelt belastet ist, braucht mehr Energie, um sich von Rückschlägen zu erholen.
❗ Aber: Überraschenderweise unterschieden sich die Jugendlichen mit und ohne ADHS kaum bei den sozialen Kontakten. Möglicherweise, weil Depression allein schon stark auf Peer-Beziehungen wirkt – oder weil Jugendliche mit ADHS ihre Beziehungen optimistischer einschätzen, als sie wirklich sind (sog. „positive illusory bias“).

Wann Eltern bei depressiven Symptomen auch an ADHS denken sollten
Viele Eltern vermuten hinter einer depressiven Phase ihres Kindes zunächst typische Ursachen wie Stress in der Schule, Liebeskummer oder soziale Probleme. Doch bei manchen Jugendlichen steckt ADHS als „Brandbeschleuniger“ hinter der Depression. Achte besonders auf folgende Warnzeichen:
Starke Reizbarkeit statt nur Traurigkeit
Jugendliche mit ADHS zeigen bei Depression oft weniger „klassische“ Traurigkeit, sondern sind schnell gereizt, frustriert und wirken ungeduldig.
Frühe schulische oder organisatorische Probleme
War dein Kind schon vor der Depression oft unkonzentriert, vergesslich oder chaotisch?
Starke Impulsivität trotz depressiver Stimmung
Depressive Jugendliche ohne ADHS ziehen sich meist zurück, während Jugendliche mit ADHS weiterhin unüberlegte Entscheidungen treffen.
Früher Beginn und „schwankende“ depressive Phasen
Eine depressive Verstimmung, die schon in der Kindheit oder frühen Jugend auftritt und in Wellen kommt, ist oft ein Hinweis auf ADHS.
Familienanamnese
ADHS ist häufig genetisch bedingt. Wenn Eltern oder Geschwister ADHS haben, sollte man bei depressiven Symptomen besonders aufmerksam sein.
Die „stillen“ ADHS-Formen: Warum Mädchen oft erst in der Pubertät zusammenbrechen
Besonders Mädchen mit ADHS werden oft übersehen – und das, obwohl sie stark betroffen sind. Ihr ADHS ist meist eine „stille“ internalisierende Form:
Sie wollen „funktionieren“, sich anpassen und nicht auffallen.
Oft sind sie extrem fleißig, perfektionistisch und setzen sich selbst massiv unter Druck, um nicht als „chaotisch“ aufzufallen.
Dieses scheinbare „gute Funktionieren“ hält jedoch nur so lange, wie die Anforderungen noch überschaubar sind.
In der Pubertät kippt dieses fragile Gleichgewicht häufig: Die Anforderungen in Schule und Freundschaften steigen, die hormonellen Schwankungen verstärken emotionale Dysregulation, und das jahrelange Masking kostet immer mehr Kraft. Das Ergebnis: Erschöpfung, Rückzug, depressive Verstimmungen oder sogar ein kompletter Zusammenbruch.
Eltern und Fachkräfte sollten deshalb gerade bei Mädchen mit „braven“ und unauffälligen Verhaltensmustern hellhörig werden, wenn sie plötzlich:
immer müder und gereizter werden,
ihre Leistungen abrupt abfallen,
sich zurückziehen oder überfordert wirken – ohne „sichtbare“ äußere Gründe.
Oft steckt kein „neuer“ Auslöser dahinter, sondern ein ADHS, das bisher hinter Perfektionismus und Anpassungsdruck verborgen war.
Was bedeutet das für dich, wenn du ADHS hast?
1. Frühzeitig handeln – je eher, desto besser
Warte nicht, bis depressive Symptome dich komplett ausbremsen. Depressionen bei ADHS beginnen oft früher und dauern länger, wenn sie unbehandelt bleiben.
2. Impulsivität gezielt regulieren
Kurze Achtsamkeitsübungen, Timeboxing und Apps zur Impulskontrolle helfen, nicht sofort auf jeden Impuls zu reagieren.
Nutze bilaterale Stimulation (z.B. Klopfen oder Augenbewegungen wie bei Emoflex), um Stresswellen im Körper zu beruhigen.
3. Strukturen für Schule und Arbeit aufbauen
Feste Lernzeiten und kurze 25- bis 50-Minuten-Blöcke (Pomodoro oder Timeboxing) sind effektiver als stundenlanges Lernen.
4. Reizbarkeit ernst nehmen
Beobachte deinen „Trigger-Kreislauf“ – wann wirst du gereizt, was passiert vorher, und was hilft dir in diesen Momenten?
5. Resilienz trainieren
Kleine, regelmäßige „Erfolgsroutinen“ stärken dein Gefühl, etwas bewirken zu können.
Fazit – warum diese Studie wichtig ist
Die Studie zeigt klar: ADHS ist kein „nur“ – es beeinflusst Depression massiv. Besonders gefährlich sind Impulsivität und schulische Misserfolge, die depressive Gedanken anheizen. Die gute Nachricht: Mit gezielten Strategien kann man diesen Teufelskreis durchbrechen.
🔗 Quelle: Upshaw et al. (2025). ADHD in Youth With Major Depressive Disorder in the Texas Youth Depression and Suicide Research Network (TX-YDSRN): Clinical Correlates and Moderators. [DOI:10.1177/10870547251353392]