Saltar para o conteúdo principal

#11: Dritte Orte brauchen, öffnen, halten

Dritte Orte sind Räume, in denen wir sein können. Einfach sein, ohne dass wir dort einer Erwerbsarbeit nachgehen. Entspannt sein, ohne dass dieser Ort unser privates Zuhause ist. Weil ein Dritter Ort einen offenen Raum bieten soll, um anderen Menschen zu begegnen - uns schon bekannten oder noch unbekannten Menschen. 

Ein Beispiel für einen guten, alten Dritten Ort ist das “Jugendzentrum” oder “Jugendheim”, wie es früher dort hieß, wo ich herkomme. Damit waren keine Wohneinrichtungen gemeint, in denen Kinder und Jugendliche sich permanent aufhielten oder in Obhut genommen wurden. Sondern Orte, an die sie nach der Schule, in den Ferien oder am Wochenende gehen konnten, um andere Menschen zu treffen, gleichaltrig oder nicht, und um ihre Freizeit gemeinsam zu gestalten. 

Wir haben damals gelernt, dass man nicht unbedingt “etwas mitbringen” muss, um in Dritte Orte aufgenommen zu werden. Nur die eigene Bereitschaft zur Begegnung und das Interesse an der Verbindung mit anderen. 

An Dritten Orten kann man produktiv werden und etwas lernen oder das eigene Wissen an andere Leute weitergeben. Man kann Ressourcen sammeln und sich für gute Zwecke einsetzen. Man kann rumgammeln und sich mit sich selbst beschäftigen, aber eben in der Gesellschaft von anderen. Man kann versuchen, der Einsamkeit zu entkommen. Man kann dort Freundschaft und Liebe genauso finden wie Konkurrenz und Hierarchien.

Kurzum, man lernt Gemeinschaft. Und wie man mit anderen Leuten in Kontakt kommt. Ohne Dritte Orte fehlt uns diese Praxis. Die meisten von uns merken das, wenn sie außerhalb von Familie und/oder Job keine neuen Menschen mehr treffen und keine neuen Eindrücken mehr bekommen, weil sich die meisten Dritten Orte heute nur an Kinder und Jugendliche richten. Und selbst die werden stetig weniger.

Aufruf

Writers Unite. Denn wir müssen über Geld reden.

Du bekommst regelmäßig Geld dafür, dass du für Zeitungen, online Magazine oder Buchverlage schreibst? Dann suchen wir dich! Wir sind Mia Gatow und Cleo Libro, Autorinnen und freie Schreibende, die mehr Transparenz in Schreib-Business bringen wollen.

Dafür eröffnen wir im Juli 2025 einen Newsletter, über den wir einmal im Quartal anonym die aktuellen Honorare und Vorschüsse schreibender Freelancer abfragen, auswerten und zurück in die Gruppe kommunizieren. Zusätzlich mit den neuesten Tipps und allem, was die Gruppe gerne miteinander über Marketing, Pitches oder Geld teilen will.

Melde dich per Mail bei mir, wenn du mitmachen möchtest: cleo.libro@gmail.com (Abre numa nova janela)

Ich halte es nicht für übertrieben, davon auszugehen, dass die Corona-Zeit einen Trend intensiviert hat, der sich schon vorher ankündigte: Den Trend der “verdeckten Vereinzelung” nämlich. 

Verdeckt, weil wir durch unseren ständigen digitalen Sozialkontakt nicht den Eindruck haben, einsam zu sein. Im Gegenteil erscheint mir meine eigene Erschöpfung darüber, wessen beef mit wem und wessen Trennung oder collab mit- und voneinander ich alles am selben Tag auf Social Media beobachten kann, enorm groß zu sein.

Was zur Folge hat, dass ich nicht kapiere, wie stark ich mich vereinzelt habe. Abgekapselt von Orten der persönlichen Begegnung, mit “zu leeren social batteries”, wenn es dann darum geht, am Abend oder am Wochenende doch noch rauszugehen und (neue) Leute zu treffen. Also doch lieber Absagen hageln lassen im Namen von Me Time und Self Care. Aber gibt es überhaupt etwas Erholsameres für soziale Säugetiere wie uns als die gemeinsam verbrachte Zeit mit anderen Menschen, mit denen wir uns wohl fühlen?

Ein großer Teil meines Soziallebens fühlt sich so an, als würde ich mich von Lebensmittelattrappen anstatt von echtem Essen ernähren, weil es ausschließlich am Bildschirm stattfindet. Eine Fülle und Sättigung, die mich aber nicht mit Nährstoffen versorgt, also meine Bedürfnisse nicht nachhaltig stillt. Weshalb ich dann wieder mehr konsumiere und mich am Ende übersättigt fühle, ohne jedoch neue Energie zu haben.

Die digitale Verbindung, in die ich tagtäglich zu Leuten trete, ist alles andere als the real deal. Anders kann ich mir diese Gleichzeitigkeit von Müdigkeit und Überreizung nicht erklären, die neben dem ungestillten Verlangen nach zwischenmenschlicher Verbindung existiert.

Es ist schon schwierig genug, sich bewusst zu werden, woran diese unterschwellige Unausgeglichenheit liegt. Aber richtig kompliziert scheint es für die meisten Menschen dann zu werden, wenn sie einen Versuch starten sollen, diesen Teufelskreis aus sozialer Erschöpfung und simultaner sozialer Verkümmerung zu verlassen. 

Ich denke, das könnte daran liegen, dass den Erwachsenen die Jugendzentren fehlen, die Dritten Orte.

“Wir müssen wieder mehr offline leben!”, heißt es dann (genau wie in diesem Newsletter). Aber wie machen wir das, wenn jegliche Kommunikation über Treffen und Veranstaltungen online abläuft?

Ganz einfach: Wir müssen ja auch nicht wieder zurück in die Briefpost-Steinzeit. Wir können unsere digital-sozialen Vernetzungen nutzen, um uns gegenseitig einzuladen. Und zwar in die Dritten offline Orte, die wir füreinander eröffnen können. Dazu, wie das gehen kann, habe ich (besonders im Austausch mit schlauen anderen Menschen) ein paar Tipps gesammelt:

  • Wenn du kannst, öffne deinen Raum für Andere: veranstalte Salons, einen Tag der offenen Tür, lade zur Nutzung deines Raums ein für Co-Working, Kunst schaffen, Handarbeit, reading parties oder Schreibgruppen. Was auch immer das Herz begehrt und in deine vier Wände passt

  • Make Stammtisch Great Again: plane ein Treffen an einem gut erreichbaren, öffentlichen Ort, wo man gemütlich zusammenkommen kann und bereite ein paar Gesprächsthemen zum Einstieg und Kennenlernen vor - vernetze die Leute, in deinem sozialen Kreis persönlich miteinander

  • Wenn du einen öffentlichen Raum wie ein Ladenlokal, Café, Büro oder Atelier leitest, stelle ihn mal kostenlos für Kulturveranstaltungen zur Verfügung (macht sogar Werbung für dein Business 😉)

  • Spende Geld oder helfe ehrenamtlich an einem bereits bestehenden Dritten Ort wie einem Jugendzentrum oder einer kulturellen Begegnungsstätte in deiner Umgebung aus

  • Leite Aktionen an, die helfen, Hürden für Leute abzubauen, die sich nicht so recht trauen, alleine an Events teilzunehmen: 

    • Pre-Party” mit Kennenlern-Begleitung (Danke, Nadine Köster (Abre numa nova janela), für die Idee): Lade Leute dazu ein, sich in einer Gruppe vor einem Event zu treffen, das ihr gemeinsam besuchen wollt. Vielleicht in der Kommentarspalte unter einem Post zur Veranstaltung. Mach deutlich, dass die Interessierten willkommen sind und freudig erwartet werden, um Ängste zu minimieren. Und hilf deinen Gästen vor Ort am besten über kleine Impulse in die Unterhaltung hinein (Inspo dazu findest du online!)

    • Gruppenaktivitäten mit geringem Aufwand initiieren: plane und initiiere Gruppen für Spaziergänge oder Wanderungen, Tanzen im Park, Radtouren oder gemeinsame Ausflüge in die Boulderhalle, an den Badesee oder ins Museum

Support

Du möchtest meine Arbeit unterstützen, aber nicht das 1000. Abo irgendwo abschließen, nur um es aus den Augen zu verlieren und umständlich kündigen zu müssen? Feel you.

Wenn du diesen Newsletter heute besonders magst, kannst du mir auch einfach einmalig dafür einen Kaffee spendieren:

https://ko-fi.com/cleolibro (Abre numa nova janela)

Herzlichen Dank!

Das nur mal als kleine Sammlung hauptsächlich niederschwelliger Ideen, die meistens nur einmal von jemandem losgetreten werden müssen, damit sie fast von allein ins weitere Rollen kommen.

Achja, und was ich an dieser Stelle gar nicht hilfreich finde, sind Stimmen, die darüber ätzen, wie unselbstständig und ängstlich und socially awkward doch unsere Gesellschaft geworden sei. Danke für Nichts. Menschen dafür zu beschämen, dass sie nicht mehr so richtig wissen, wie sie aus sich herauskommen sollen, wird ihnen ganz bestimmt dabei helfen, aus sich rauszukommen. Ironie aus, so funktioniert Scham nicht.

Ich wäre dafür, dass wir die Situation jetzt einmal so annehmen, wie sie ist, ohne Wertung. Und die sieht nunmal so aus, dass viele von uns (besonders die Jüngeren, die noch gar nicht so viel Übung im Begegnen außerhalb der digitalen Welt bekommen konnten (danke nochmals für diesen wertvollen Hinweis an Nadine Köster!)) ganz schön eingerostet sind, wenn es darum geht, sich miteinander zu verbinden. 

Also geht mein Aufruf raus an diejenigen, denen es vielleicht ein bisschen leichter fällt, ihre Räume (zeitweise) zu Dritten Orten zu machen: nutzt die Tipps oder eure eigenen Ideen und setzt etwas in Bewegung!

Zum Beispiel so wie die großartigen Unternehmerinnen Josie Marwehe vom Periodenladen La Blutique (Abre numa nova janela) und Coco Meurer vom Buchladen Literaturensohn (Abre numa nova janela) in Berlin, die beide innerhalb der letzten Woche die Türen ihrer Shops für wundervolle Abende des Austauschs geöffnet haben, an denen ich teilhaben durfte. Vielen herzlichen Dank!

Oder nehmt euch ein Beispiel an meinem nächsten Gast in der Interview-Reihe “Was dir nie jemand sagt… über Sex ab 50”, Laura Méritt, die seit Jahrzehnten queerfeministische Salons und Workshops in ihrem privaten Wohnzimmer stattfinden lässt. 

Manchmal braucht es nur einen Ort. Die Energie, die Freude, den Austausch und all das Gute bringen die Menschen selbst mit, die man dorthin einlädt.

TERMINÄNDERUNG

Oh no, Sommerloch!

Meine Lesung aus “Gleichstellung” im Liosalon in Kreuzberg wird vom 22. Juli auf den 21. September verschoben! Das ist ein Sonntag und wir werden uns gemütlich zum Brunch und Q&A über weibliche Sexualität treffen. Kommt vorbei!

Anmeldung über @liofemtalk (Abre numa nova janela) oder per Mail an mich.

Blog

Was dir nie jemand sagt…

über Sex ab 50

In dieser Reihe stelle ich Menschen, die 50 Jahre oder älter sind, fünf Fragen dazu, wie sich ihr Sexleben entwickelt hat.

Im vierten Interview stellt Laura Méritt, 65, ihre Erfahrungen vor. Sie ist Kommunikationswissenschaftlerin, queerfeministische Aktivistin und Herausgeberin des Buchs “Frauenkörper neu gesehen” (Abre numa nova janela). Außerdem betreibt sie den traditionsreichen Sexshop Sexclusivitäten (Abre numa nova janela) und veranstaltet die berühmten Freudenfluss-Workshops (Abre numa nova janela) zu weiblicher Ejakulation in Berlin!

Wenn du auch einmal dabei sein möchtest oder jemanden kennst, der*die interessiert ist, melde dich gerne bei mir!

Welche Stichworte beschreiben Sex ab 50 für dich am besten?

Laura: “Vielfältig, feinfühlig, großzügig, liebevoll, leidenschaftlich, polygastisch! So nenne ich die Vielfalt und wunderbare Unterschiedlichkeit der Orgasmen.”

Was fühlt sich bei Sex ab 50 anders an als mit 30?

Laura: “In den ersten Jahrzehnten des Lebens ist es eher Gymnastik (lacht). Also eher körperliches Sexperimentieren. Natürlich auch mit Gefühlen, aber es differenziert sich über die Jahre doch stark aus.

Du spürst andere Ebenen, der Sex wird feinporiger und feinfühliger. Du weißt besser, was du willst und gleichzeitig geht es in eine größere Offenheit hinein, weiter auf Entdeckungsreisen: Was ergibt sich in einer Begegnung mit genau dieser Person? Sex ist ja immer wieder anders, auch mit derselben Person.

Ich gehe auch weniger nach dem Äußeren oder bestimmten Charakterzügen, die mich früher vielleicht mehr angezogen hätten.”

Worauf willst du heute beim Sex nicht mehr verzichten?

Laura: “Ich will Sex in jeder Situation neu aushandeln und mich neu ausrichten können. Auf dumme, sexistische Anmache und sexuelle Gewalt will ich unbedingt verzichten!”

Ist dir Sex heute wichtiger oder unwichtiger als mit 30?

Laura: “Früher habe ich Sex anders definiert als heute. Die enge Definition von Sex war mir damals wichtig, also das Körperliche und auch die genitalorientierte Berührung.

Jetzt ist Sex viel, viel mehr: ein toller Flirt, ein tiefer Kuss, ein Naturerlebenis, Dirty oder Silly Talk, Gruppe, Verhandeln uvm. Daran erfreue ich mich. Insofern ist Sex für mich heute raumgreifender. Den Wind auf der Haut spüren in einem Moment, in dem du glücklich bist? Was ist das anderes als Sex, vielleicht Ökosex? Ganz im Moment sein und genießen. Du kannst im spirituellen Sinne oder emotional oder intellektuell orgasmieren.

Das sind alles andere Ebenen von dem primär physischen Sex, die ich mit 30 echt noch nicht drauf hatte (lacht). Aber es ist auch schön, dass sich das mit der Zeit verändert. Heutzutage ist dieses Wissen innerhalb einer sexpositiven Kultur viel zugänglicher, das ist toll und ein großer Verdienst der Frauenbewegung!”

Was hat dir nie jemand über Sex ab 50 gesagt?

Laura: “Ich beschäftige mich ja schon lange mit Sex und habe viele ältere Freundinnen, mit denen ich keinen „Alterssex“ praktiziert habe, wie es gern heißt. Den gibt es nicht.

Die Arbeit von Feministinnen und sexpositiven Aktivistinnen wie z.B. Annie Sprinkle (Abre numa nova janela) in den 90ern hat dabei geholfen, merkwürdige Mythen abzubauen. In dem Film “Masturbation Memoirs (Abre numa nova janela)” von der Regisseurin und Aktivistin Dorrie Lane (Abre numa nova janela), die auch die Vulva Puppets und Vuva Academy erfunden hat, sieht man neben Annie in ihren 50ern noch andere berühmte und weniger berühmte „ältere“ Frauen, aber auch junge Dykes & Teens, die uns ihre Selbstliebe zeigen. Das habe ich mit 30 gesehen und mir gedacht “Super, genauso!” (lacht).

Solche vielfältigen Darstellungen von weiblichen Sexualitäten haben dafür gesorgt, dass auch Sex ab 50 für mich spannend war. Und als wir dann den lesbischen Escort „Club Rosa” in den 90ern gegründet haben, den gibt es übrigens noch, waren die ersten Kundinnen über 50. Ich fand sie sehr mutig, cool und selbstbestimmt.

Aktuelle Statistiken, bspw. der AIDS-Hilfe zeigen übrigens, dass gerade heterosexuelle Frauen ab 50 wieder sexuell abgehen. Wenn Kinder und Mann aus dem Haus sind, sagen sie klar: “Jetzt bin ich wieder dran!” Das erlebe ich auch in meinen Workshops ganz oft und finde es toll!”

Ein riesiges Dankeschön an dich, liebe Laura, für deine ganze sexpositive Arbeit seit Jahrzehnten und dass du die Leser*innen an deinen spannenden Erkenntnissen über Sexualität teilhaben lässt, die über diese ganze Zeit gewachsen sind!

Ankündigung

Ich betreibe diesen Newsletter jetzt seit über zwei Monaten und es macht mir unheimlich Spaß! Um ihn weiterhin kostenlos anbieten zu können, werde ich ihn in nächster Zeit allerdings nicht mehr jede, sondern nur noch alle zwei Wochen versenden. Ganz einfach, damit ich mehr Zeit und Kreativität für bezahlte Aufträge einräumen kann.

Ich hoffe auf dein Verständnis… oder auf dein Abo, das dir Zugriff auf meinen Podcast gibt und dazu ganz solidarisch kostenfreie Veröffentlichungen für alle unterstützt ;-)

Kontakt

Du möchtest mit mir über etwas, das du bei mir gelesen oder gehört hast, sprechen? Dann kannst du mich über meine Website (Abre numa nova janela) erreichen oder mir bei Instagram eine DM (Abre numa nova janela) schreiben. Ich freue mich auf deine Gedanken!

Danke für’s Lesen und liebe Grüße von

Cleo

Dank

Merci an die subscriber des Newsletters für euren Support! Und merci beaucoup an die Abo-Mitglieder, die mit ihrem Beitrag meine Arbeit unterstützen und auch kostenlosen Content möglich machen <3

Tópico Cleographie

0 comentários

Gostaria de ser o primeiro a escrever um comentário?
Torne-se membro de Cleophonie e comece a conversa.
Torne-se membro