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„Und du wohnst echt noch bei deinen Eltern?“

Wer in seinen Zwanzigern noch zuhause lebt, wird oft belächelt: Unselbstständig, Nesthocker, Hotel-Mama. Dabei hat das weniger mit Selbstständigkeit als mit Geld zu tun hat.

von Manuel Bouzek

Mit 21 gilt man gemeinhin als erwachsen. Doch das Erwachsenwerden sieht nicht überall gleich aus. Für manche bedeutet es die erste eigene Wohnung in einer Universitätsstadt, finanziert durch Eltern, Ersparnisse oder ein Stipendium. Für andere heißt es: Man bleibt noch zuhause, pendelt, teilt sich Küche und Wohnzimmer mit der eigenen Familie.

Wer in diesem zweiten Modell lebt, trägt schnell ein unsichtbares Etikett, sobald man im Hörsaal mit ein paar Kommiliton*innen plaudert. Sie fragen, halb interessiert, halb amüsiert: „Du wohnst echt noch bei deinen Eltern?“ In diesem Tonfall steckt oftmals eine subtile Abwertung, als sei das Festhalten am Elternhaus ein Zeichen von Unselbstständigkeit. Sie berichten im Gegenzug von ihren WGs in den hippen Wiener Bezirken, von Partys in verrauchten Altbauwohnungen, von Wochenenden, die klingen wie die klischeehafte studentische Freiheit.

Der unausgesprochene Vergleich schwingt mit: Sie gelten als die Selbstständigen, die Mutigen, die schon mit 18 den Schlüssel zur eigenen Tür in der Hand hielten. Wer zuhause bleibt, wirkt im Kontrast wie der, der noch nicht abgeschlossen hat mit dem Kind sein, der noch nicht wirklich „auf eigenen Beinen“ stehen kann. Begriffe wie “Hotel Mama” unterstreichen das. Doch dieser Vergleich blendet aus, wie ungleich die Startbedingungen für viele Studierende sind.

Nicht jede Familie kann und schafft es mehrere Kinder in eine neue Stadt ziehen zu lassen. Nicht alle Studierenden bekommen eine monatliche Unterstützung, die Miete, Essen und alltägliche Aktivitäten decken. Viele pendeln, um Geld zu sparen, um Schulden zu vermeiden, um ihre Eltern nicht zusätzlich finanziell zu belasten oder als undankbar abgestempelt zu werden. Für manche ist es nicht die einfache Bequemlichkeit, sondern eine Notwendigkeit, zuhause zu wohnen.

Sie urteilen, ohne zu wissen, dass das eigene „Erwachsensein“ weniger mit Mut als mit Geld zu tun hat. Dass ihr WG-Leben nicht das universelle Modell von Freiheit ist, sondern das Privileg einer bestimmten sozialen Schicht. Vor allem unter Kindern mit Migrationsgeschichte ist der Auszug aus dem Elternhaus mit dem Beginn der Volljährigkeit eher ungewöhnlich. Bei vielen jungen Menschen läuft die Finanzierung auch in die andere Richtung, viele Eltern sind auch angewiesen auf eine finanzielle Unterstützung der Kinder, vor allem wenn diese auch aus Arbeiter*innen Familien stammen. In Österreich lebt etwa ein Drittel der 25-Jährigen noch bei den Eltern.

So steht man da, mit 21, im Spannungsfeld zwischen Anpassung und Rechtfertigung. Man erklärt sich, schiebt halbironische Sprüche nach: „Mamas Küche ist halt unschlagbar“, versucht, die Schamgefühle zu überspielen. Doch innerlich bleibt ein Stechen: Warum wird etwas so Alltägliches wie das Zuhause wohnen zum Fehler?

Die Wahrheit ist: Nicht das Wohnen bei den Eltern ist peinlich, sondern das schnelle Urteil derer, die nie mussten, sondern immer durften. Wer privilegiert ist, kann sich leicht über vermeintliche Rückständigkeit erheben. Wer nicht privilegiert ist, kennt den wahren Preis von Freiheit und weiß, dass es ein Unterschied ist, ob man sich emanzipiert, weil man will, oder weil man kann.

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