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Energiewende selbstgemacht

ANALYSE / BÜRGERENERGIE IN DER LAUSITZ
  1. Juni 2025

Genossenschaften zur Energieversorgung waren in der Lausitz bisher eine Seltenheit. Doch nun machen einige erfolgreiche Bürgerprojekte von sich reden. Können die der Leag Konkurrenz machen?

Von Gereon Wintz

Dank der genossenschaftlichen Dorfheizung profitiert Rietschen von einem der günstigen Fernwärmepreise Sachsens. Foto: Gemeinde Rietschen
Dank der genossenschaftlichen Dorfheizung profitiert Rietschen von einem der günstigen Fernwärmepreise Sachsens. Foto: Gemeinde Rietschen

Helmut Perk ist Mitte 60 und ein lokaler Pionier der Bürgerenergie. Von den 23 Energiegenossenschaften in Sachsen (siehe Karte (Abre numa nova janela)) gehen vier auch auf ihn zurück. Als der Kohlekonzern Leag sich anschickte, ins Geschäft mit den Erneuerbaren einzusteigen, war Perk alarmiert: „Hier wird eine Region gerade zum zweiten Mal über den Tisch gezogen.“ Dagegen wollte der Bauingenieur etwas tun.

Der gebürtige Emsländer ist durch Zufall in der Lausitz gelandet. Nach dem Studium in Hannover verschlug es ihn erst nach Frankfurt/Oder und später nach Rietschen. Die Region und die Menschen haben sein Herz erobert und so ist er geblieben. „Vor etlichen Jahrzehnten wurden den Menschen die Flächen weggenommen, um Löcher zu buddeln und Kohle rauszuholen“, sagt er. „Jetzt schmeißen sie sie zu und bauen wieder was drauf, nur weil sie den Fuß bereits in der Tür haben“.

Gegen die Nutzung der ehemaligen Tagebauflächen zur Energiegewinnung hat Perk nichts einzuwenden, ganz im Gegenteil. Doch er will mehr Bürgerbeteiligung. Und wer sagt denn, dass nur der Platzhirsch Leag das Geschäft mit Wind und Sonne machen kann? Also suchte er sich Mitstreiter für Energiegenossenschaften. Das war gerade noch rechtzeitig, um auf dem neuen Lausitzer Energiemarkt mitzumischen.

Bayern und BaWü sind weiter

Flächen für Windparks und Photovoltaikanlagen sind heiß begehrt und schnell vergeben. Besonders in den Kreisen Elbe-Elster und Spree-Neiße gibt es Konkurrenz und politische Konflikte um jeden verfügbaren Hektar. Oft stehen hinter den Projekten Großinvestoren und Energieunternehmen. Hiervon profitieren die Anrainerkommunen zwar über den Wind- und Solareuro. Individuelle Beteiligungsmöglichkeiten für Anwohnerinnen und Anwohner gab es bislang allerdings kaum. Doch daran scheint sich etwas zu ändern.

Rund um die Tagebaue Nochten und Reichwalde wird Bürgerenergie interessanter. Frei nach dem Motto „was die Energiekonzerne können, können wir auch“ investieren Bürgerinnen und Bürger in Strom aus eigener Herstellung. Lässt sich so die Akzeptanz für die Energiewende steigern?

Rund 1.000 Genossenschaften im Energiebereit hat der Raiffeisenverband deutschlandweit erfasst - und dafür sogar eine eigene Bundesgeschäftsstelle eingerichtet. Einen Höhepunkt gab es 2014, als das Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG) entsprechende Regelungen schuf. Seither ist es etwas ruhiger geworden. Die meisten Genossenschaften gibt es in Bayern und Baden-Württemberg, wo sich zusammen über 500, also mehr als die Hälfte aller Genossenschaften gebildet haben. Für die Lausitz-Länder Sachsen und Brandenburg liegen der Bundesgeschäftsstelle keine separaten Zahlen vor. Der Verein zur Förderung der Erneuerbaren Energien Sachsen (VEE) hat für den Freistaat nur 23 Zusammenschlüsse erfasst, in Brandenburg gibt es laut dem Portal „Energiewende Jetzt“ (Abre numa nova janela) gerade 13.

Schreckt Genosse ab?

Generell gibt es bislang in Ostdeutschland wenig Aktivität auf diesem Gebiet. „Auch unter Berücksichtigung der Bevölkerungszahl lässt sich eine Unterrepräsentation der ostdeutschen Bundesländer bei der Gründung von Energiegenossenschaften beobachten“, erklärt Politikwissenschaftler Jörg Radtke vom RIFS-Institut in Potsdam. (Abre numa nova janela)Die Gründe hierfür sind vielschichtig. Die ungleiche Vermögensverteilung könnte eine Rolle spielen. Ebenso die Tatsache, dass viele geeignete Flächen seit der Wende im Besitz westdeutscher Investoren sind. Auch könnte es daran liegen, dass das Wort Genosse im Osten ungute Erinnerungen weckt, ist zu hören.

Im Zusammentrommeln von Leuten für eine gemeinsame Sache hat Helmut Perk Erfahrung. Vor 15 Jahren verschaffte er dem Rietschner Ortsteil Daubitz eine Dorfheizung - die erste genossenschaftlich betriebene in Sachsen. Er überzeugte einen befreundeten Landwirt, die Abwärme seiner Biogasanlage zu nutzen, um damit ein Fernwärmenetz zu betreiben.

Die Gewinnung von Mitgliedern gestaltete sich zunächst schwierig. „Da muss man Menschen erstmal von überzeugen, ihre Öl- oder Gasheizung rauszuschmeißen und ihre Wärme stattdessen über zwei fingerdicke Rohre ins Haus zu bekommen“, erinnert sich Perk. Die, die mitgezogen haben, dürften es nicht bereuen: Während der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine die Gaspreise hochtrieb, blieb der Wärmepreis im Genossenschaftsnetz stabil. Mit fünf Cent pro Kilowattstunde zählt er heute wohl zu den günstigsten im Freistaat. Immerhin 50 Abnehmer hat das Netz, inklusive einer Grundschule, der Feuerwehr und dem Gemeindehaus. Ein kleines Stück Autarkie im weiten Sachsen.

122 Mitglieder am ersten Abend

Zehn Jahre später kam dann die Idee auf, eine große Genossenschaft zwischen Hoyerswerda, Görlitz und Weißwasser zu etablieren. Diese soll es den Anwohnern ermöglichen, sich an den geplanten Investitionen in Wind- und Sonnenstrom zu beteiligen. Doch der Plan vom großen zivilgesellschaftlichen Player im Braunkohlerevier zersprang am Kirchturmdenken in den einzelnen Orten, sagt Perk. Statt einer einzelnen wurden es schließlich mehrere kleinere Genossenschaften: In Kodersdorf und Weißkeißel sind sie bereits gegründet. In Rietschen und Boxberg befindet man sich im Gründungsverfahren.

Besonders erfolgreich war die Gründung der NeueEnergien Weißkeißel eG. Bei der Gründungsveranstaltung im März 2023 reichten die 150 Stühle nicht aus für all die Interessierten. Nach dem Event konnte sich die Genossenschaft über 122 Gründungsmitglieder freuen. Eine stolze Zahl für eine Gemeinde von kaum 1.200 Einwohnern. In der Folge wurden zunächst gemeinschaftlich Balkonkraftwerke angeschafft, aber dabei soll es nicht bleiben.

Auch größere Projekte waren schnell in Planung. Dabei setzt die NeueEnergie Weißkeißel auch auf Beteiligung an geplanten Investorenprojekten. Kein Investor, der im sächsischen Bergbaurevier in Erneuerbare investieren will, kommt mehr an den Genossenschaften vorbei. „Wir werden es nicht zulassen, dass große Anlagen so einfach auf unsere Gemeindeflächen draufgeknallt werden. Die Bürger werden ab jetzt immer beteiligt. Dafür setze ich mich ein“, stellt Perk klar.

Deutungshoheit im Energiediskurs

Beispielhaft für dieses Vorgehen ist der geplante Hybridpark Weißkeißel, eine Kombination aus mehreren Hektar Freiflächen-Photovoltaik und einer Windkraftanlage, die unweit des Dorfes entstehen sollen. Der Park wird vom Investor nun in Kooperation mit der Genossenschaft realisiert.

Das Interesse der Bürgerschaft an Projekten zur Erzeugung von Energie und Wärme aus erneuerbaren Energiequellen wächst“, konstatiert ein Sprecher der Gemeindeverwaltung Kodersdorf, die selbst Mitglied in der örtlichen Energiegenossenschaft Kodersdorf ist. Diese hat im vergangenen Jahr eine Photovoltaik-Dachanlage auf die Oberschule geschraubt.

Solche kleinen Erfolge helfen den Machern, die Deutungshoheit im Energiediskurs zurückzugewinnen. Wind und Solar haben viele Gegner in den Gemeinden - und in manchen Gemeinderäten sogar die Mehrheit. Helmut Perk sieht es locker: „In den Dörfern, in denen die Genossenschaften entstehen, sind die vermeintlichen AfD-Experten aus dem Bereich auf einmal verschwunden.“ 


Tópico Energie und Klima