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Den Attentat auf Charlie Kirk…

…sah ich unfreiwillig auf Instagram. Ich meine eine Videoaufnahme davon. Ich wollte es nicht sehen. Ich nahm bloß das Handy in die Hand, ging auf Insta, wie man es halt so macht, und das war das erste Video, das mir angezeigt wurde. Ich muss endlich ausschalten, dass Videos automatisch abgespielt werden.

Es ist sehr verstörend, den Moment zu sehen, wie ein Mensch stirbt. Und dann gibt es die andere Seite: Wäre er damit einverstanden? Er ist tot, deshalb kann man das nicht nachvollziehen.

Oder vielleicht doch? Vielleicht kann man einfach darüber nachdenken, was für ein Mensch Charlie Kirk war, was er so sagte und schrieb, und dann gelingt man an eine glaubhafte Antwort. Ich denke wenn Kirk wüsste, dass sein Todesvideo für seine ideologischen Zwecke nützlich wären, wäre er sehr wohl damit einverstanden, diese Aufnahmen im Netz zu verbreiten. Ich fordere allen heraus, die mich diesbezüglich herausfordern wollen.

Ich denke sogar, dass man das fast über alle Menschen sagen könnte. Auch über mich. Wenn mein Todesvideo Menschen mobilisiert, eine globale Revolution in die Wege leitet, Kapitalismus, Rassismus, Sexismus, Diskriminierung, Gewalt und Krieg abschafft, dann macht Billboards dazu. Spielt es in Loop ab. Zeigt es kostenlos in Kinos.

Aber ich denke es gibt einen Unterschied dazwischen, ob man die Welt brennen sehen, oder das Feuer löschen will. Was wir ständig machen ist, den Brandstifter dem Feuerlöscher gleichzusetzen. Charlie Kirk war ein Brandstifter.

Charlie Kirk wurde mit einer Schusswaffe getötet, wortwörtlich während er den freien Besitz von Schusswaffen verteidigte und Waffengewalt bagatellisierte. Er hatte gerade noch einen Satz zu Ende gesprochen, als eine Kugel sein Hals traf.

„Wissen Sie, wie viele trans Amerikaner in den letzten zehn Jahren Amokschützen waren?“, fragte ein Zuhörer.
„Zu viele“, antwortete Kirk, woraufhin die Menge applaudierte.
Der Fragesteller informierte ihn, dass die Gesamtzahl fünf betrage, und fuhr fort: „Wissen Sie, wie viele Amokschützen es in Amerika in den letzten zehn Jahren gegeben hat?“
„Zählen wir Bandenkriminalität oder nicht?“, erwiderte Kirk, bevor er nur Sekunden später von einer Kugel getroffen wurde und vom Stuhl fiel – was die panische Menge in Angst und Schrecken auseinanderstieben ließ.

Aus: “Last words of Charlie Kirk before he was shot dead on stage” in: independent.co.uk (Abre numa nova janela)

Charlie Kirk starb für das, was er für richtig hielt: Dass alle eine Waffe besitzen und um sich schießen und nach Lust und Laune Menschen töten dürfen und das als freie Meinungsäußerung durch die US-amerikanische Verfassung geschützt wird. Es war sein Pech, dass diese freie Meinungsäußerung an dem Tag ihn traf. Aber ich denke alle, und ich schließe hier Nazis mit ein, sind zurechnungsfähig genug und wissen auf der einen oder anderen Weise, dass Gewalt zu normalisieren Gewalt zu normalisieren bedeutet und in einer Atmosphäre, in der Gewalt normalisiert wird, Gewalt normalisiert ist. Es ist die Natur dieser Art Brandstiftung, dass man selbst im Feuer sterben kann. Auf Türkisch nennt man diese Art von Selbstsabotage bindiği dalı kesmek.

Entschuldigt die Wasserzeichen. Das war das beste Bild, das ich finden konnte, und ich musste es nehmen, denn ich kann nicht zeichnen.

Politische Gewalt

Wenn man die Reaktionen liest und hört, denkt man kurz, es handele sich um einen ganz normalen Menschen, der einfach nur ein bisschen konservative Gedanken pflegte. Dabei kann es doch nichts gutes heißen, wenn der verurteilte Sexualstraftäter Donald Trump jemanden für einen Märtyrer erklärt.

Charlie Kirk wäre nicht überrascht. Wer sich politisch dafür einsetzt, dass Gewalt an der Tagesordnung steht, würde sich gar nicht wundern, wenn ebenjene Gewalt plötzlich mit all ihrer Nacktheit und mit ihrer ganzen Unerträglichkeit vor ihm steht. Bestellung angekommen. Ziel erreicht. Ich denke wenn Kirk die Möglichkeit hätte, sich zu seiner eigenen Ermordung zu äußern, würde er zwar einiges sagen, aber er würde nicht fragen “what the fuck?”. Ich schätze sogar er würde ähnlich reagieren wie Recep Tayyip Erdoğan nach dem gescheiterten Putschversuch 2016: Indem er anerkennt, dass das ein Geschenk Gottes war. Jetzt haben die US-amerikanischen Nazis nämlich einen handfesten Grund, mit einer unvorstellbaren Härte gegen linke Menschen und demokratische zivilgesellschaftliche Strukturen vorzugehen. Ein Geschenk Gottes für Nazis.

Jemandem das Leben zu nehmen ist eins der größten Verbrechen, allerdings beginnt die Gewalt schon viel früher als eine Kugel eine Waffe verlässt. Wenn wir über politische Gewalt sprechen, dann können wir diese nicht darauf begrenzen, wenn junge rechtsradikale weiße Männer erschossen werden. Ja, auch das ist Gewalt, das stelle ich nicht infrage. Politische Gewalt ist aber viel mehr. Es war politische Gewalt, die dazu geführt hat, dass Charlie Kirk ums Leben gebracht wurde – um das sagen zu können, muss man nicht unbedingt auf die Ergebnisse der Ermittlungen warten oder darauf, dass ein Täter gefasst wird. Jetzt gehen viele zwar davon aus, dass ein Linker es getan haben muss, weil das Opfer ein Nazis ist. Aber vielleicht wird niemals ein Täter gefasst. Vielleicht wird sich herausstellen, dass der Täter bloß “psychisch krank” sei. Vielleicht ist es ein False Flag und dahinter stecken die Republikaner selbst – wir wissen noch nichts! Aber eins kann ich jetzt schon mit Sicherheit sagen: Dass sich Menschen bewaffnen können, dass Menschen bewaffnet an eine Unigelände gelangen und um sich schießen können, ist politisch gemacht. Und es war auch genau das, wofür sich Kirk eingesetzt hat. Dieser Fall ist kaum an Ironie zu überbieten.

Darüber hinaus finde ich es unerträglich, dass jetzt alle über politische Gewalt sprechen und die Erschießung meinen, aber die restlichen 49 Shades der politischen Gewalt tagein tagaus verschweigen. Ist es keine politische Gewalt, dass Tausende Menschen rechtswidrig abgeschoben werden? Ist es keine politische Gewalt, Familien aus rassistischen Gründen voneinander zu trennen? Ist es keine politische Gewalt, kleine Kinder vor Gericht zu stellen, wo sie nicht einmal die Fragen, die ihnen gestellt werden, verstehen können, um sie im Anschluss abzuschieben? Ist es keine politische Gewalt, Menschen ohne juristische Verfahren ins Gefängnis zu stecken? Ist es keine politische Gewalt, Millionen von Menschen den Zugang zu medizinischer Versorgung zu verwehren, sodass sie an heilbaren Erkrankungen sterben müssen? Ist es keine politische Gewalt, Schwangerschaftsabbrüche zu verbieten und zu kriminalisieren und Schwangere an Selbstversuchen sterben zu lassen? Und jene, die abbrechen wollen, und das medizinische Personal, die abbrechen, ins Gefängnis zu stecken? Ist es keine politische Gewalt, dass Menschen in den USA keine Miete zahlen können, obwohl sie gleichzeitig mehreren Lohnjobs nachgehen, und auf der Straße landen und in ihren Autos schlafen? Ist es keine politische Gewalt, Menschen hungern zu lassen? Ist es keine politische Gewalt, mit dem Geld der Steuerzahler*innen Kinder in Gaza zu bombardieren und verhungern zu lassen? Ist Racial Profiling keine politische Gewalt? Ist es keine politische Gewalt, dass Schwarze Menschen Polizeikontrollen oft nicht überleben? Ist all nicht politisch? Ist all das keine Gewalt?

Es ist wichtig, dass demokratische Akteur*innen alles in ihrer Kraft stehende tun, um diesen Moment richtig zu lenken: Um gegen persönliche Bewaffnung zu mobilisieren, Zusammenhalt, Menschenrechte und Demokratie zu stärken. Ob es ihnen gelingt? Wir werden es sehen.

Termine

16.10.2025, München
18:30 Uhr, Podiumsdiskussion
frau-kunst-politik e.V.
Bellevue di Monaco, EG-Saal
Leitung und Moderation: Naciye Özsu
Musik: Inan Ercik

18.10.2025, Wiesbaden
14:00 Uhr, Vortrag: Wege zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und autoritären Bewegungen in den europäischen Mitgliedstaaten
Bundesfachseminar Deutscher Frauenring e.V.
Intercity Hotel Wiesbaden und online

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Bis demnächst liebe Grüße
Sibel Schick

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