Betriebsprüfungen – Warum der Trend zu weniger Steuerprüfungen für Auswanderer relevant ist
Wenn du mit dem Gedanken spielst, Deutschland zu verlassen, schaust du wahrscheinlich zuerst auf Themen wie Einkommenssteuer, Wegzugsbesteuerung oder die steuerliche Behandlung deines Vermögens im Ausland. Doch es gibt noch einen weiteren Aspekt, der unterschätzt wird – und zwar die Art und Häufigkeit, mit der deutsche Finanzämter Unternehmen prüfen.
Ein aktueller Bericht der Süddeutschen Zeitung zeigt einen klaren Trend: Die Zahl der Betriebsprüfungen in Unternehmen ist in den letzten zehn Jahren um fast 60 % zurückgegangen. Im Jahr 2024 wurden deutschlandweit nur noch rund 140.000 Betriebe geprüft. Zum Vergleich: 2015 waren es noch weit mehr.
Für dich als Unternehmer oder Selbstständiger, der über eine Auswanderung nachdenkt, hat diese Entwicklung gleich mehrere Implikationen – sowohl kurzfristig für die Planung deines Abschieds aus Deutschland als auch langfristig für die Einschätzung des deutschen Steuersystems insgesamt.
1. Was steckt hinter dem Rückgang?
Laut den Recherchen gibt es mehrere Gründe für den deutlichen Einbruch bei den Prüfungen:
Fachkräftemangel in den Finanzämtern: 2024 waren nur noch 12.359 Betriebsprüfer im Einsatz – fast zehn Prozent weniger als 2015.
Komplexere Prüfungen: Steuerfälle sind durch neue Gesetze, internationale Verflechtungen und Digitalisierung komplizierter geworden.
Umlenkung von Personal: Prüfer wurden in anderen Projekten eingesetzt, etwa bei der Reform der Grundsteuer.
Das Ergebnis: Eine sinkende Prüfquote. 2023 wurden nur 1,7 % aller Betriebe geprüft, bei Großunternehmen immerhin 17,8 %, doch der Rest fiel weitgehend durchs Raster.
2. Bedeutet das, dass man als Unternehmer „sicherer“ ist?
Hier ist Vorsicht geboten. Ein geringeres Prüfungsrisiko bedeutet nicht, dass Verstöße oder Fehler unentdeckt bleiben. Finanzämter setzen heute stärker auf digitale Datenabgleiche und automatisierte Risikoeinschätzungen.
Praktisch heißt das:
Weniger Routineprüfungen,
Mehr gezielte Prüfungen bei Auffälligkeiten,
Schnellere Abstimmung mit anderen Behörden (z. B. Zoll, Sozialversicherung, Ausland).
Für dich als Auswanderer in spe ist das entscheidend: Selbst wenn die Chance einer Prüfung sinkt, kann ein Fehler in deiner Steuererklärung oder bei internationalen Transaktionen immer noch schnell auffallen – gerade, wenn du Einkünfte oder Vermögen im Ausland hast.
3. Warum die Entwicklung für Auswanderer doppelt interessant ist
Du fragst dich vielleicht: Was hat ein Mangel an Betriebsprüfungen in Deutschland mit meiner Auswanderung zu tun?
Es gibt drei direkte Berührungspunkte:
a) Steuerliche Exit-Planung
Wenn du dein Unternehmen verlegst oder Anteile ins Ausland verschiebst, kann die Finanzverwaltung eine Wegzugsbesteuerung prüfen. Sinkt die Prüfungsdichte, mag das kurzfristig den Eindruck erwecken, dass die Wahrscheinlichkeit einer intensiven Nachschau geringer ist. Aber: Die Wegzugsbesteuerung gehört zu den Bereichen, in denen Finanzämter weiterhin sehr genau hinschauen.
b) Steuerrisiko während der Übergangszeit
Viele Auswanderer behalten noch deutsche Einkünfte (z. B. Vermietung, Beteiligungen). Wenn Betriebsprüfungen insgesamt zurückgehen, heißt das nicht, dass deine laufenden Steuerfälle in Ruhe gelassen werden. Im Gegenteil: Je weniger Prüfer es gibt, desto stärker konzentrieren sie sich auf „lohnende“ Fälle.
c) Veränderung im Steuerklima
Weniger Prüfungen führen mittelfristig zu Einnahmeverlusten für den Staat. Das kann politischen Druck erzeugen, neue Einnahmequellen zu erschließen – oft in Form von höheren Steuern oder verschärften Gesetzen. Wer jetzt auswandert, entzieht sich dieser Dynamik.
4. Die Kehrseite: Entgeht dem Staat wirklich Geld?
Laut dem Bericht gehen nicht nur die Prüfungen zurück, sondern auch die Summe der Steuernachzahlungen, die im Zuge von Betriebsprüfungen eingetrieben werden.
Das ist aus Sicht des Staates problematisch, denn Betriebsprüfer erwirtschaften normalerweise ein Vielfaches ihrer Personalkosten. Mehr Prüfer würden also unterm Strich mehr Geld in die Kasse spülen.
Für dich als Unternehmer bedeutet das: Das System hat derzeit Schwachstellen – und wenn der politische Wille sich ändert, könnte es einen massiven Aufholprozess geben, bei dem plötzlich mehr kontrolliert wird.
5. Warum gerade Selbstständige und Mittelständler hinschauen sollten
Großunternehmen werden weiterhin regelmäßig geprüft, weil hier große Summen im Spiel sind. Kleine Betriebe und Selbstständige dagegen rutschen häufiger durch. Das führt zu einer Schieflage:
Wer korrekt arbeitet, sieht möglicherweise Wettbewerber davonkommen, die weniger korrekt agieren.
Wer auswandern möchte, könnte theoretisch weniger Kontrollen im Abschiedsjahr erleben – aber im Fall einer späteren Außenprüfung kann der Fiskus rückwirkend bis zu 10 Jahre in die Vergangenheit schauen.
6. Auswanderungsvorbereitung: Steuerliche Checkliste
Unabhängig von der Prüfungsquote solltest du folgende Punkte vor deinem Wegzug beachten:
Abschließende Steuererklärungen vollständig und sauber einreichen
Jahresabschluss
Einnahmen-Überschuss-Rechnung
Anlagenverzeichnisse
Belege und Dokumentation sichern
Mindestens 10 Jahre aufbewahren
Auch im Ausland leicht zugänglich halten
Offene Punkte mit dem Finanzamt klären
Offene Bescheide, Einsprüche oder Vorbehalte erledigen
Internationale Meldepflichten beachten
CRS (Common Reporting Standard)
Meldungen nach Doppelbesteuerungsabkommen
Timing beim Wegzug strategisch planen
Teiljahresveranlagung
Gewinnrealisierung vor oder nach dem Umzug
7. Langfristige Trends: Was Auswanderer erwarten können
Der Fachkräftemangel in der Verwaltung wird nicht über Nacht verschwinden. Es ist wahrscheinlich, dass die Zahl der Betriebsprüfungen in den nächsten Jahren weiter niedrig bleibt – es sei denn, der Bund greift ein, wie von Experten gefordert.
Gleichzeitig steigt der Automatisierungsgrad in der Steuerprüfung. Schon heute setzen viele Finanzämter auf Datenanalyse-Software, um Risikofälle zu identifizieren. Das bedeutet für dich: Weniger persönliche Prüfer heißt nicht weniger Kontrolle.
8. Fazit: Der Trend ist kein Freifahrtschein
Für Auswanderer kann der Rückgang der Betriebsprüfungen kurzfristig ein kleiner Vorteil sein – vor allem, wenn der Wegzug sauber und gut dokumentiert erfolgt. Aber es wäre ein Fehler, sich darauf zu verlassen, dass niedrige Prüfungsquoten dauerhaft Bestand haben.
Die Kernbotschaft lautet: Steuerliche Sauberkeit ist die beste Versicherung, egal ob du noch in Deutschland bist oder schon im Ausland lebst. Ein gut vorbereiteter Wegzug nimmt dem Finanzamt den Wind aus den Segeln, selbst wenn irgendwann Jahre später noch einmal Fragen kommen.
Bleib strategisch & bleib steuerfrei,
Dein Roland