NEID ALS BERUFUNG
FILM-KRITIK - [Enthält leichte Spoiler zum Verlauf der Handlung]
Es geht mitten ins Geschehen im neuen SUPERMAN für den nun der Franchise-erfahrene James Gunn (Guardians of the Galaxy) verantwortlich zeichnet. Und, so dürften die Verantwortlichen bei Warner Bros. hoffen, endlich los mit einem erfolgreichen DC Cinematic Universe ähnlich dem Marvel Cinematic Universe. Ein wenig wie Adidas gegen Nike, Herr der Ringe gegen Harry Potter, Joyn gegen RTL+. Ob das mit dem leuchtenden und leichteren Neuanfang, dem zweiten Reboot der SUPERMAN-Filmreihe, das Warner Bros. am Donnerstag in die Kinos bringt, gelingt? Mensch wird sehen, wünschenswert wäre es.
https://steady.page/de/thelittlequeerreview/posts/b183bcbc-c7a4-4a0c-a9d7-10c8ccb2ac98 (Abre numa nova janela)Wir starten mit ein wenig Text auf Schnee und Eis in der Antarktis (gedreht wurde im schönen Spitzbergen, Norwegen): Vor dreihundert Jahren tauchten die ersten Metamenschen, also so etwas wie Wesen mit übermenschlichen Kräften aka Gods and Monsters auf (daraus folgend der Name des DCU Chapter One: Gods and Monsters), vor dreißig Jahren ein Baby namens Kal-El, das als Clark Kent adoptiert und dann Superman werden sollte. Dieser offenbarte sich der Menschheit vor drei Jahren und mischte sich als eine Art Ein-Mann-Armee in den Konflikt zwischen den Staaten Boravia und Jarhanpur ein. Das wiederum führte dazu, dass Mr. Super vor drei Stunden Besuch von einem Metamenschen in glänzender Rüstung namens „Hammer von Boravia“ und von diesem schließlich vor drei Minuten so auf die Fresse bekam, dass er zum ersten Mal einen Kampf verlor...

...und wumms-bumms im Schnee landet. Keuchen, hechelnd, röchelnd. So gibt es im Rahmen unserer ersten Begegnung mit David Corenswets SUPERMAN zu Beginn erst einmal lächelndes Mitleid. Das Hecheln wird schließlich von Krypto ergänzt, auf den Superman derzeit für seine Cousine Supergirl (Milly Alcock in einem Cameo, 2026 kommt „ihr“ Film ins Kino) aufpasst. Der nahezu unktrollierbare Hund schleift den angeschlagenen Superhelden in seine Festung der Einsamkeit, auf dass er dort von seinen Not-Caring-Care-Robots (u. a. gesprochen von Alan Tudyk und Pom Klementieff) aufgepäppelt werden kann.
So weit die Prämisse des gut zweistündigen, äußerst unterhaltsamen Films, der neben viel Unterhaltung und einer soliden, doch nicht überreizten Portion Humor natürlich Action, ein wenig Liebe und eine Halb-Verschwörung bietet. Die Liebe bahnt sich hier, dankenswerterweise, nicht erst an, sondern wir erfahren schnell, dass Clark/Superman und Daily Planet-Kollegin Lois Lane (Rachel Brosnahan, The Marvelous Mrs. Maisel, The Amateur) seit drei Monaten daten. Ebenso wird der vom immer, immer, immer gut aussehenden Nicholas Hoult gespielte Lex Luthor ohne Umschweife eingeführt.

Der charismatische, größenwahnsinnige Herr Luthor steckt, wie wir uns denken können, hinter den meisten Dingen, die unserem Helden SUPERMAN begegnen. Unterstützt wird er unter anderem von einem soliden Tech-Team seiner Luthor Corp. sowie einem mysteriösen Metamenschen und Angela Spica aka The Engineer (María Gabriela de Faría), die ihr Menschsein aufgegeben hat und durch Nanopartikel „optimiert“ ist, um gemeinsam mit Lex Superman zu erledigen. Haben sie in diesem Metamenschen, in dem Alien, in dem Ding, das Superman für sie darstellt, doch einen Erzfeind gefunden. Lex bezeichnet seine Nemesis an einer Stelle als „cocky“ (zu dt. großspurig, arrogant, dreist) und sein Kostüm als lächerlich. Da beides stimmt – Superman war schon immer sehr... von seinem Gut-Sein eingenommen, dezent selbstgerecht und das Kostüm sah seit jeher unfreiwillig komisch aus (ein Grüner also?! hrhrhr) – scheint es nur sinnvoll, dass Gunn und Co. sich gegen eine allzu düstere und vor allem sich selber so bitterernst nehmende Studie des Närrischen à la Zach Snyder entschieden haben (sorry, Henry Cavill).
Doch es ist nicht alles Spaß und Spiele im circa 225 Millionen US-Dollar teuren Heldenepos. (Mit Marketingkosten werden insgesamt um die 400 Millionen US-Dollar kolportiert, bedeutet der Film muss mindestens 500 Millionen US-Dollar einnehmen, um Gewinn zu erzielen und dürfte so ab 700 bis 800 Millionen US- Dollar als Erfolg gelten. Prognostiziert wird die Möglichkeit, dass er allein in den USA am Startwochenende an die 150 Millionen US-Dollar und insgesamt über eine Milliarde einspielen könnte.)

So werden vor allem im ersten Drittel viele Fragen gestellt, ob direkt oder indirekt, die wir direkt von Metropolis auf New York oder Washington, D. C., Berlin oder Paris, Moskau oder Peking münzen könnten (und werden). Zunächst jene danach, ob die Einmischung Supermans in den Boravia-Jarhanpur-Konflikt gerechtfertigt, moralisch vertretbar und vor allem rechtens ist. Es scheint deutlich, dass der Präsident Boravias Vasil Ghurkos (Zlatko Buric, Dimitry in Triangle of Sadness), eine Art Parodie auf die Lukaschenkos dieser Welt, nichts Gutes im Schilde führt. In einem Interview mit Lois verteidigt Clark/Superman sein Handeln immer wieder damit, dass Menschen gestorben wären, hätte er nicht verhindert, dass Boravia in Jarhanpur einfällt. Angeblich, um dort Frieden zu stiften... Sie kennen das ja von der Krim, nicht wahr?!

Das mag alles sein. Doch rechtfertigt nicht jede gute Absicht, nicht jedes Bemühen potenzielles Leid abzuwenden und kaum ein moralisches Argument, eine nicht erlaubte Einmischung. Erst recht nicht die eines einzelnen Indivduums, das somit politische wie militärische Entscheidungen in die eigene – außerirdische – Hand nimmt. Um mal ganz real zu werden, kann Kal-El alias Superman als „Illegal Alien“ im Trump'schen Sinne, oder weniger derb als „undokumentierter Einwanderer“ gesehen werden. Und dieser setzt noch Folter ein, um den Präsidenten unter Druck zu setzen. (Jemanden an einen Kaktus zu drücken mag eine tolle Outdoor-SM-Idee sein. Doch alles, was SM ist, ist ohne Zustimmung eben Folter.) Spannendes Thema also, das SUPERMAN zwar nicht zu einem Politthriller oder Debatten-Film werden lässt, ihm aber einen hintergründigen Mantel umlegt.
Darüber hinaus kann der sich anbahnende kriegerische Konflikt, der letztlich natürlich von Wirtschaftsinteressen diverser Seiten getrieben ist, perfekt in die reale Welt übertragen werden. Genauso eine arg harte Festnahme, nachdem ein Protagonist sich freiwillig ausgeliefert hat oder auch eine Off-Site-Haftstation, der gegenüber Guantánamo in der Tat wie ein Urlaubsresort wirken dürfte. Ein Tech-Milliardär, dessen Machtstreben und Geltungssucht keine Grenzen kennt, affige Fake-News und der Einfluss von Social Media auf Meinungsbildung, etc. pp. - das alles könnte aktuellen Nachrichten entnommen sein. Fein auch, dass mit dem Auftauchen der eigenwilligen Held*innen der Justice Gang, bestehend aus Green Lantern (Nathan Fillion, mit Haarschnitt, der in der Tat verboten gehört), Hawkgirl (Isabela Merced) und Mr. Terrific (Edi Gathegi) sowie Rex „Metamorpho“ Mason (Anthony Carrigan, Death of a Unicorn (Abre numa nova janela)) klargemacht wird, dass auch ein Superman nicht überall zugleich sein kann. (Zudem werden wir einigen Figuren u. a. in der zweiten Peacemaker-Staffel et al. begegnen, DCU Chapter One halt.)

Dass dieser SUPERMAN nie überladen wirkt oder trotz der nicht wenigen auftauchenden (Neben-)Figuren sowie Themen, die zum Ausbau einladen, nicht zerfasert, ist James Gunn als Headautor hoch anzurechnen. Die größtenteils tollen Bilder Henry Brahams und ein solides CGI lassen das Spiel von Licht und Dunkel stark aussehen und die Musik von John Murphy und David Fleming unterstreicht den Grundton des Films solide. Einzig der Einsatz von Popmusik, den Gunn mit den Guardians erst perfektioniert und dann übertrieben hat, wirkt in diesem Superhelden-Film ein wenig deplatziert.
https://www.youtube.com/watch?v=2woCZg5QdVE (Abre numa nova janela)Eines der größten Probleme des Films allerdings ist, dass die Figur Clark Kent/Superman „nur“ über innere und moralische sowie physische Konflikte erzählt wird, die teils sehr simpel abgehandelt und/oder allzu deutlich erklärt werden. Das lässt die Figur stellenweise eindimensional und ein wenig dröge erscheinen. Andererseits ist Superman grundsätzlich keine wirklich interessante Figur, eher angelegt als glänzender Held ohne Ecken und Kanten. Gunn bewegt sich da schon solide im Rahmen der begrenzten Möglichkeiten der Figur und Corenswet spielt Kent wie Superman durchaus mit Charme und Charisma wenig . Gleichwohl wollen wir mehr über Lex Luthor erfahren. Der erklärt sich, beziehungsweise seine Motivation auch, allerdings besser platziert. Bleibt zu hoffen, dass beide Figuren in möglichen und wünschenswerten Nachfolgern ausgebaut werden und die Macher*innen die Eigenwilligkeit von Lois Lane nicht einer flachen Retter-Love-Story opfern.
Erst einmal aber darf mensch bester Dinge sein, scheint dieser SUPERMAN doch in die richtige Richtung zu fliegen und nicht in einem Schwarzen Loch zu versacken.
AS
PS: Da seht ihr es – der Selfie-Wahn kann Leben retten.

PPS: Mir ist bewusst, dass es auch ganz andere Stimmen gibt, die sich eine düstere oder früher ansetzende Variante gewünscht hätten. Diese queer review gibt selbstverständlich nur meine Meinung wieder. Die ist eben, dass der von James Gunn und den DC Studios verantwortete Film es richtig macht, keinen The Dark Knight-Abklatsch zu versuchen und ernste, sehr heutige Themen mit einem Augenzwinkern zu mixen. Zumal die Welt derzeit ohnehin dunkel genug ist (Abre numa nova janela).
PPPS: Es gibt eine Mid-Credit- sowie eine Post-Credit-Scene.
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SUPERMAN ist ab dem 10. Juli 2025 im Kino zu sehen.
SUPERMAN; USA 2025; Regie und Drehbuch: James Gunn; Bildgestaltung: Henry Braham; Musik: John Murphy, David Fleming; Darsteller*innen: David Corenswet, Rachel Brosnahan, Nicholas Hoult, Edi Gathegi, Anthony Carrigan, Nathan Fillion, Isabela Merced, María Gabriela de Faría, Skyler Gisondo, Sara Sampaio, Pruitt Taylor Vince, Neva Howell, Wendell Pierce, Mikaela Hoover, Frank Grillo, Sean Gunn, Bradley Cooper, Angela Sarafyan, u. v. a.; Laufzeit ca. 129 Minuten; FSK: 12