DIESE JUNGEN HÜPFER
SACHBUCH-KRITIK
Normalerweise würden wir mit jungem Gemüse ja irgendeinen sexy Bildband, einen queeren Coming-of-Age-Film (Abre numa nova janela) oder nen Frat-X-Porno verbinden. Doch da wir mal ganz flexibel bleiben wollen, soll es an diesem Tag des jungen Gemüses tatsächlich mal um das sprichwörtliche Gemüse gehen. Jenes zum Essen und nicht nur Knabbern. Dabei stellen wir fest, dass, obwohl heute dieser Tag ist, Gemüse doch jeden einzelnen Tag des Jahres verfügbar UND essbar ist.
So verraten es die ansehnlichen Kochbücher JAHRESZEITENKÜCHE und DAS GEMÜSEKISTEN-KOCHBUCH. Wobei auch das erstgenannte Buch des Kochs und Kochschulleiters Ben Kindler, veröffentlicht bei Südwest und entstanden mit der Literatur- und Musikwissenschaftlerin Antonia Wien, ebenfalls nach Saison sortiert ist. Ergibt bei einem Buch über erntefrische Lebensmittel ja auch irgendwie Sinn. Spaghetti mit Spargel und Cherrytomanten oder Klebreis mit Rhabarber aus dem Ofen und Erdbeersorbet sind im Frühling halt leichter zuzubereiten als Krautfleckerl mit Spitz- und Schwarzkohl sowie Kohlröschen oder ein Wintergemüseeintopf mit Kichererbsen. Blumenkohl vom Blech mit Tahini-Sauce ist im Herbst sicher bekömmlicher als eine sommerliche Burrata mit Pfirsich und Tomaten.

Noch intensiver dröselt die Foodjournalistin, Fotografin und Kochbuchpreis-Gewinnerin Stefanie Hiekmann in ihrem Gemüsekisten-Kochbuch, erschienen bei Dorling Kindersley, das Jahr auf. Da gibt es, neben einem Saisonkalender, die einhundert Rezepte mit 300 Variationen gar nach Monaten sortiert. Den Lauch bekommen wir gut im Januar (und im Buch einen Spültrick) und bringen ihn in einer Carbonara unter, die Gelb Bete schmeckt im März und mit Birne und Ziegenfrischkäse. Im Juni erfreuen wir uns an Bundkarotten und karamellisieren sie und packen sie mit ein paar Kürbiskernen und Sesam neben grünem Bulgur auf den Teller. Zur Abkühlung genießen wir im Juli Gurkensalat mit Wassermelone und Sesam-Hähnchen, bevor wir es im Oktober bunt mit Ofen-Kürbis treiben und im November mit Ofen-Rosenkohl, Cranberrys und Feta wieder wohlig warm werden lassen. Und natürlich darf im Dezember der Grünkohl mit allem drum und dran nicht fehlen.
Beide Titel zeichnen sich durch nachvollziehbare, gut umsetzbare Zubereitungsbeschreibungen und hervorragende Fotografien aus. In der Jahreszeitenküche stammen sie von Joss Andres, der in der Tat „die Vorfreude auf kulinarische Genüsse“ hervorzurufen versteht. Die Rezept-Fotografien steuert Stefanie Hiekmann in ihrem Gemüsekisten-Kochbuch selbst bei; einzelne Abbildungen von… nun ja, Gemüse aus anderen Quellen, geben aber gut den Food-Mood wieder.

Neben diversen Basic-Tipps zu Küchenwerkzeug, den besten Methoden Nudeln und diverse Reissorten zuzubereiten, diese oder jene Vinaigrette herzustellen, Brot zu backen, Bohnen zu kochen oder Toppings zu perfektionieren, gibt es solide No-Waste-Tipps (beispielsweise wie Radieschengrün genutzt oder Sellerieblätter als Kräuterersatz verwendet werden können). Denn so etwas wird im gewohnten Alltags-Koch-Modus gern außen vor gelassen, wir können im Grunde jeden Teil von Gemüse und Co. nutzen. Das hat, so sehen es sowohl Hiekmann wie auch Kindler, etwas mit der Wertschätzung von und für Essen und dem Kreislauf der Natur zu tun.

Dass es dabei nicht groß edel zugehen muss, zeigen beide Kochbücher auf. Natürlich gibt es das eine oder andere etwas elaborierte Rezept, aber dank Tausch- bzw. Ersatzoptionen und manch kreativen Vorschlag ist mensch hier nicht festgelegt. Bei Kindler findet sich im letzten Abschnitt der Jahreszeitenküche noch „Fleisch und Fisch als Upgrade“, da empfehlen wir mal die Maispoulardenbrust sowie die Saiblingsfilets aus der Pfanne.
Highlights aus der Gemüsekiste Stefanie Hiekmanns sind für uns die Pasta mit Pfannenmangold und Salsiccia, das Butter-Chicken mit Schwarzwurzeln oder der Gebratene Rhabarber mit Quinoa, Rucola und Hirtenkäse. Aus der Jahreszeitenküche Ben Kindlers legen wir euch die Tarte von Tomaten und Ziegenkäse ebenso ans Herz wie das sommerliche Ofengemüse mit Kräuterpesto.

Einziges Manko im letztgenannten Buch ist, dass der schreibende Koch an manch einer Stelle seiner persönlichen Einlassungen ein wenig pathetisch daherkommt und auf wie vielen Bildern sollen wir noch sehen, dass er Gemüse hält oder trägt? Andererseits mag dies für manch eine Person genau richtig sein. Siehe Jamie Oliver, von dem es nach unserem Gefühl in seinen Büchern mehr Bilder von ihm als von Speisen gibt.
Zurück zu unseren zwei Titeln: Beide Bücher, die einander gar gut ergänzen und schon allein durch ihre Ästhetik ansprechen, sind eine starke und erschwingliche Empfehlung für die heimische Küche. Eine solide Ernte also.
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Stefanie Hiekmann: Das Gemüsekisten-Kochbuch. Saisonal kochen das ganze Jahr (Abre numa nova janela); März 2024; 224 Seiten, zahlr. Abb.; Hardcover, gebunden; ISBN 978-3-8310-4853-3; Dorling Kindersley; 24,95 €

Ben Kindler: Jahreszeitenküche. Einfach, schnell, günstig (Abre numa nova janela); Mai 2024; 192 Seiten, zahlr. Abb.; Hardcover, gebunden; ISBN 978-3-517-10312-9; Südwest; 28,00 €