Newsletter – dein kreativer Journaling Kurs #5

Schreibmotivation I – ein bisschen wie Therapie
Manchmal ist ein Stift die beste Medizin – nicht zum Durchstreichen von To-dos, sondern zum Loslassen und Lernen, zum Verstehen und Verwandeln, zum Wachsen und Heilwerden. Schreiben kann so viel mehr sein als nur ein Nacheinander von Wort an Wort, es kann zu einem imaginären Ort werden werden, an dem sich deine Gedanken ordnen und deine Gefühle aufklaren. Gerade in Zeiten innerer Unruhe und äußerem Trubel kann dein Journaling zu einem echten Anker und Wegweiser werden. Ich möchte dir im heutigen Newsletter zeigen, wie kraftvoll Journaling und kreatives Schreiben wirklich ist. Nicht nur als eine Art gehypte Routine, sondern fundiert durch psychologische Studien. Vielleicht brauchst du noch einen kleinen Anstoß oder in deinem heillosen inneren Durcheinander diesen kleinen Motivator, um (wieder) anzufangen. Dann ist dieser Newsletter für dich.
Dass Schreiben gut tut, ahnen viele Menschen, die sich zu Zettel, Stift und Notizbuch hingezogen fühlen, vermutlich intuitiv. Doch was oft wie ein persönliches Ritual daherkommt, ist lange schon Gegenstand wissenschaftlicher Forschung. In zahlreichen Studien konnte nachgewiesen werden, dass Schreiben heilsam wirkt dadurch, dass es entlastet, stärkt und klärt. In der modernen Psychotherapie wird es darum gerne und gezielt als Tool eingesetzt: Zur Emotionaregulation, zur Selbstreflexion und sogar zur Linderung körperlicher Symptome. Ob in Form eines Tagebuchs, eines inneren Dialogs oder eines Braindumps: Schreiben wirkt nachweislich – und ist dabei so niederschwellig, dass fast jede*r sofort damit beginnen kann.

Vielleicht fragst du dich: Aber wie genau funktioniert das jetzt – dieses „heilsame“ Schreiben – und ist das methodisch überhaupt etwas für mich? Die gute Nachricht Nr. 1 ist: es braucht weder literarisches Talent, noch Vorbildung noch ein Tagebuch in eleganter Leinenbindung. Die gute Nachricht Nr. 2 ist: Du kannst dich methodisch einfach ausprobieren und ich rate tatsächlich auch dazu, vieles einfach mal zu probieren, denn nur so werdet ihr am Ende wissen, was euch liegt, was euch leicht von der Hand geht und was (vielleicht sogar ungeahnt) den größten Effekt auf euer Seelenleben hat. Das einzige, was für den Anfang zählt, ist der Mut, ehrlich hinzuschauen und das Schreiben als Werkzeug und nicht als Talent-Ding anzusehen. Es gilt an dieser Stelle einzig darum, Erlebtes zu verarbeiten, Klarheit zu finden oder innerlich aufzuräumen.
In der Psychologie haben sich dafür verschiedene therapeutische Schreibmethoden etabliert, die ich euch im Folgenden vorstellen möchte. Sie sind einfach durchzuführen und wissenschaftlich gut untersucht. Den Anfang macht ein echter Klassiker:
1. Das expressive Schreiben nach James Pannebaker
Der US-amerikanische Psychologe James Pannebaker war einer der Ersten, der sich systematisch mit der Frage beschäftigt hat, ob Schreiben tatsächlich heilen kann. Seine Antwort war bahnbrechend: Ja! Und zwar messbar. Pannebakers Methode ist einfach: Du schreibst an drei bis fünf aufeinanderfolgenden Tagen für jeweils 15-20 Minuten frei über ein emotional belastendes Erlebnis. Wenn es sich um tiefgreifende und stark belastende, traumatische Erlebnisse handelt, gehe diesen Prozess gerne professionell begleitet an – er kann starke Emotionen auf den Plan rufen. Achte dabei nicht auf Grammatik oder eine bestimmte Struktur, sondern lass Gedanken und Worte einfach fließen. Wichtig ist nur: es muss ehrlich sein. Pannebaker fand in seinen Studien heraus, dass Teilnehmende, die über belastende Erlebnisse schrieben, im Vergleich zur Kontrollgruppe seltener krank wurden, weniger Arztbesuche hatten, * besser schliefen und eine gesteigerte psychische Verarbeitung zeigten. In einer Meta Analyse von Frattaroli aus dem Jahr 2006, die 146 Studien zu dieser Methode auswertete, zeigte sich: Expressives Schreiben hat kleine bis mittlere positive Auswirkungen auf die allgemeine Gesundheit, psychisches Wohlbefinden und Stressverarbeitung. Und das mit einem Aufwand von insgesamt nur circa 2 Stunden. Damit eignet sich diese Methode besonders dann, wenn du spürst, dass etwas Unverarbeitetes in dir arbeitet – aber keine Worte im Alltag dafür da sind. Hier dürfen sie kommen und Raum haben – ungeschönt, ehrlich, gerade heraus. Gerade dadurch ist diese Methode so hoch wirksam.
Viele fragen sich verständlicherweise, was nach einer Session des expressiven Schreibens mit dem entstandenen Text passiert: Sollte man ihn aufbewahren oder besser wegwerfen? Mit jemandem teilen. Die Antwort lautet: Das kommt immer drauf an, was du im Nachgang an deine Schreibeinheit brauchst. „Die Texte müssen nicht aufbewahrt werden. Der heilsame Effekt entsteht nicht dadurch, dass das Geschriebene später nochmal gelesen oder analysiert wird, sondern durch den Akt des ehrlichen und ungefilterten Schreibens an sich. Daher ist es vollkommen legitim (und vielleicht auch entlastend – fühle in dich hinein), den Text danach zu zerreißen, zu verbrennen oder (digital) zu löschen. Das kann durchaus ein befreiendes Ritual sein. Aber gerade wenn du spürst, dass du in den Kontakt mit wichtigen inneren Themen gekommen bist – alte Wunden, alte Überzeugungen, alte Sehnsüchte oder Schuld – kann es sehr hilfreich sein, das Geschriebene nicht gleich loszulassen, sondern mit etwas Abstand nochmal hineinzulesen. Vielleicht unterstreichst du Sätze, die dich berühren, vielleicht formt sich daraus eine Frage, ein Bedürfnis oder der Wunsch nach Begleitung. Es lohnt sich dann, das Geschriebene mit einer professionellen Begleitung oder einer Therapeutin zu teilen, wenn du das Gefühl hast, festzustecken und mit jemandem von außen liebevoll sortieren willst, wenn du spürst „Da ist etwas, was ich selbst nicht ganz zu greifen bekomme“ oder wenn du bereit bist, dich tiefer mit einem Thema zu zeigen und gemeinsam weiterzugehen.
Wenn ich dir auf deinem Heilungsweg helfen kann, schau dir gerne mein Angebot der psychologischen Email Beratung auf Startseite für Coaching & Beratung (Öffnet in neuem Fenster) an (auf meiner Website werden alle Fragen dazu hoffentlich beantwortet) oder buche direkt einen Termin unter Datum & Uhrzeit wählen - Calendly (Öffnet in neuem Fenster)

Neben dem expressiven Schreiben nach Pannebaker gibt es noch andere, ebenso wirksame Wege, wie du das Schreiben für deine seelische Gesundheit nutzen kannst – je nach Thema, Lebenslage oder emotionalem Bedürfnis. Weitere bewährte Ansätze sind:
2. Das Selbstmitgefühls-Schreiben (nach Kristin Neff)
In ihrem sehr lesenswerten Buch „Selbstmitgefühl“ lädt Neff dazu ein, einen Brief an dich selbst – aus der Perspektive eines wohlwollenden, mitfühlenden Gegenübers – zu schreiben. Denn oft ist es so, dass unsere innere Stimme, unser Dialog mit uns selbst, viel härter und gnadenloser ist als wenn wir mit einem guten Freund sprechen. Stell dir also vor, eine warmherzige Person (das kann auch jemand sein, den du kennst oder ein imaginäres, zukünftiges Ich) spricht mit dir über eine schwierige Situation, in der du dich gerade befindest. Der Ton sollte verständnisvoll. Sanft und unterstützend sein – niemals wertend. Alles, was du deiner besten Freundin nicht zumuten würdest, mute dir an Schärfe auch selbst nicht zu. Unsere harte innere Stimme auf „liebevoll“ zu programmieren ist nämlich in rein gedanklicher Form des inneren Monologs gar nicht so einfach. Zu automatisiert, zu verinnertlicht, zu prompt tritt stets unser innerer Kritiker auf den Plan oder unsere innere Antreiberin . Schreiben ist gelenktes Denken und hilft nebenbei noch, neue synaptische Verknüpfungen in unserem Gehirn zu verankern. Diese Übung stärkt nachweislich die Fähigkeit zu Selbstmitgefühl, reduziert Selbstkritik, verbessert die emotionale Resilienz und führt langfristig zu mehr innerer Ruhe und Akzeptanz. Auch hier: Kristin Neff konnte in mehreren Studien zeigen, dass schon eine einzige 20-minütige Schreibübung spürbaren Effekt auf das emotionale Befinden haben kann. Menschen, die sehr regelmäßig solche Texte verfassten, hatte weniger depressive Symptome und fühlten sich stressresistenter. Wenn du viel inneren Druck, Scham und eine große Auswahl innerer Stimmen in dir trägst, könnte das deine Methode sein.
3. Die „Best possible Self“ Übung aus der positiven Psychologie
Stell dir dein bestmögliches Leben in der Zukunft vor – ein Leben, in dem sich deine Werte, Wünsche und Potentiale erfüllt haben. Schreibe 15-20 Minuten (mehr darf es immer sein) lang im Präsens (der Gegenwartsform) über dieses Szenario: „Ich lebe in einer Umgebung, die mir gut tut...ich bin verbunden mit...ich fühle mich stark und verändert in...Hinsicht...“ usw. Wichtig: es geht nicht um das perfekte Glück, sondern um authentisches Wachstum und Entwicklung, eben dein bestmögliches Selbst.
Diese Übung erhöht das subjektive Wohlbefinden, fördert eine positive, innere Grundhaltung und kann helfen, Ziele klarer zu formulieren und Wege dahin sichtbar zu machen. Studien zeigen, dass schon eine einmalige Durchführung die Stimmung für mehrere Tage hebt – regelmäßiges Wiederholen verstärkt den Effekt. Diese Methode ist perfekt, wenn du dich gerade in einer Phase der Neuorientierung befindest oder das Gefühl hast, dich in Defizitgedanken zu verlieren.

4. Der „Innere Dialog“, das Schreiben mit deinen Inneren Anteilen
Setz dich mit deinen inneren Anteilen schriftlich an einen Tisch. Klingt weird, aber Angst, Druck, Zweifel, Erschöpfung und Mut, Neugier, Optimismus und Freude mal an einen Tisch zu setzen, hilft sich klar zu machen, dass keine dieser inneren Stimmen „DU“ bist, sondern dass es sich lediglich um Anteile handelt. Dieser Ansatz ist inspiriert von der Arbeit mit Persönlichkeitsanteilen (z.B. aus der Schementherapie) und hilft, innere Konflikte sichtbar zu machen und verstehen zu lernen. Was uns schnell im Alltag wie unklare „Zerrissenheit“ erscheint, sind einfach nur verschiedene emotionale Anteile, die dir alle nur helfen wollen. Ein solcher Dialog kann so aussehen:
Ich: Warum bist du eigentlich gerade so laut Zweifel?
Zweifel: Weil ich Angst habe, dass du wieder enttäuscht wirst.
Ich: Angst, warum geht dein Alarmsystem ständig an, an welche Situationen erinnerst du mich?
Angst: Du hast sowas ähnliches vor einem Jahr erlebt, als deine Freundin dich sehr enttäuscht hat. Das tut immer noch weh. Davor möchte ich nur warnen.
Ich: Okay, und war bräuchtet ihr von mir, um leiser und entspannter zu werden?
Usw.
Scheinbar „blockierte“ Gefühle, die einfach nicht gehen oder zur Ruhe gebracht werden können, werden dir bewusst und verständlich. Oft ist es schon das „Sehen“ an sich, dass Gefühle leiser oder sanfter werden lässt. Der innere Dialog all deiner Anteile wirkt sich harmonisierend aus und zeigt Anteile, die da sind, aber vielleicht gerade nun unglaublich leise. Mut zum Beispiel: Was hat Mut zu sagen, wenn Angst ihn mal zu Wort kommen lässt? Auf diese Weise wirst du nicht länger von deinen Gefühlen einfach nur kontrolliert und überrollt, sondern lässt sie das sein, was sie sind: Helfer. Du bist mit ihnen im Gespräch und kannst nach ihrem Nutzen für deine gegenwärtige Situation forschen. Die dialogische Arbeit mit inneren Anteilen wird in verschiedenen Therapieformen erfolgreich eingesetzt. Studien zeigen, dass der Zugang zu emotionalen Konflikten durch Schreiben erleichtert wird – besonders, wenn die Methode in beratender oder therapeutischer Begleitung vertieft wird. Diese Methode ist damit ideal für Menschen, die viel innerlich aushandeln und mit ambivalenten Gefühlen zu kämpfen haben.

Vielleicht sitzt du nun da mit einem leeren Blatt oder mit einem Herzen, dass sich leise zu Wort meldet und schon ahnt, was es an dieser Stelle braucht. Dann nimm dir einen Moment, es braucht im Prinzip nicht viel: nur deinen Stift, etwas Mut und die Erlaubnis, dir selbst zuzuhören. Schreiben kann auf diese Weise zu einem inneren Ort werden, an dem du dir selbst in Liebe begegnest. Tu-Wort-Liebe mit dem Stift quasi. Ohne Masken, ohne Anspruch, ohne Druck. Ich wünsche dir dabei viele gute und heilsame Moment mit dir selbst. P.S. Du darfst diesen Newsletter auch gerne an Menschen weiterleiten, denen ein bisschen Selbstmitgefühl und Schreibmut gut tun würde.
Falls du dich erst jetzt zum Newsletter angemeldet haben solltest: Alle bisher erschienenen Einheiten findest du unter feelslike_sina (Öffnet in neuem Fenster) auf meiner Steady Page. Der Journaling Kurs hat keine Paywall und kann von jedem gelesen werden.
Und nun viel Spaß beim Schreiben und bis nächste Woche!
Eure Sina
