Würdevoller, aktionsreicher Gedenktag, schiefe Presse
Am Montag war der Gedenktag für verstorbene Drogengebrauchende. Die My Brain My Choice Initiative ist neben JES Berlin, BerLUN, der Deutschen Aidshilfe und Einrichtungen der niedrigschwelligen Drogenhilfe Teil des Berliner Organisationsbündnisses für die Kundgebung am Oranienplatz in Kreuzberg.
In Abstimmung mit allen Beteiligten habe ich im letzten Beitrag den neuen großen Aktionsplan vorgestellt, mit den ersten Print-Exemplaren im Gepäck. Nach der Veröffentlichung des digitalen Aktionsplans am Weltdrogentag, dem 26. Juni 2025, habe ich die ersten 50 der 1.000 druckfrischen Exemplare an befreundete Organisationen, Mitstreiter*innen und Gäste der Kundgebung verteilt.
In meinem Redebeitrag habe ich erklärt, warum die Beschäftigung mit der Drogenpolitik für das Heilen von Traumata und den Umgang mit Verlust nicht nur eine Nebensache sein kann, sondern wesentlich ist: Die Beschäftigung mit Politik lässt erkennen, dass man mit vielen Erfahrungen und Beobachtungen nicht allein ist. Sie wirkt der Vereinzelung, die Kriminalisierung und Stigmatisierung erzeugen, entgegen und lenkt von einer destruktiven Schuldsuche zu den größeren Zusammenhängen und politischen Verantwortlichkeiten.
Die Rede war unter anderem inspiriert von Cara Page und Erica Woodland, die in ihrem Buch “Healing Justice Lineages” ausführlich dazu schreiben. Leider gibt es das nicht übersetzt.
Der heutige Artikel erschien zuerst am 24.7.2025 für die zahlenden Mitglieder (Öffnet in neuem Fenster) des Drogenpolitik Briefings. Dies hier ist die kostenlose, zeitlich verzögerte Veröffentlichung. Es ist mir wichtig, die Paywall nach ein paar Tagen aufzuheben und ich freue mich über alle Interessierten. Willkommen an die Neuen!
Um dem Schreiben der Kommentare und Kritiken mehr Zeit einräumen zu können, suche ich weitere Unterstützer*innen. Aktuell hat das Briefing 22 zahlende Förder*innen, die mir mit insgesamt 255 Euro im Monat helfen, diese Aufklärungsarbeit zu leisten, und 73 weitere Leser*innen.

Über Streecks Teilnahme wurde, wie ich finde, genug geschrieben, während vom eigentlichen Geschehen wenig in die Berichterstattung fand. Es gab viele Aktionen von mehreren beitragenden Initiativen, Wohnprojekten und anderen sozialen Einrichtungen und Selbstorganisationen, die mit ihren Aktionen Raum für würdevolles Gedenken geschaffen haben. Es gab mehrere Appelle gegen die Sparpolitik und Kriminalisierung.
Das ist nichts Neues: Wenn es überhaupt Berichterstattung über die Gedenkveranstaltungen gibt, dann gewöhnlich im mitleidigen “die armen Opfer"-Narrativ statt über das gemeinsame Schaffen von Würde, Raum für akzeptierte Trauer, Selbstorganisation und die politischen Forderungen, Frust und Protest zu berichten.
Der Kontrast zwischen dem Fokus auf Streeck und den O-Tönen und Aktionen der eigentlichen Organisator*innen und Teilnehmenden war plakativ.
Marc Seidel von JES Berlin hat es jedoch mit seiner fantastischen, pointierten Rede in eine dpa-Meldung und damit unter anderem in die ZEIT geschafft! Er ist bereits mit seinen Reden aus den Vorjahren Gastautor im My Brain My Choice Blog (Warum Drogentod Staatsversagen ist. (Öffnet in neuem Fenster) und Zur Wohnsituation Drogengebrauchender und Substituierter in Städten (Öffnet in neuem Fenster)). Die diesjährige folgt bald.
https://www.zeit.de/news/2025-07/21/gedenken-an-drogentote-rekordniveau-in-berlin (Öffnet in neuem Fenster)«Das ist ein ganz trauriger Rekord», sagte Marc Seidel vom Netzwerk Jes (Junkies, Ehemalige und Substituierte) Berlin. «Jeder einzelne Tote ist ein Ergebnis von Politikversagen.» Es dürfe keinen Rückschritt in der Drogenpolitik (Öffnet in neuem Fenster) geben und keinen Kuschelkurs mit Populisten.
Die Meldung inklusive ihrem Titelbild ist aber eben ein Beispiel für die schiefe Gewichtung. Ein Drogenbeauftragter bekommt qua seines Amtes ungleich mehr Raum bei der Kommunikation der Botschaften zum Weltdrogentag als diejenigen, die Menschen in ihrem Umfeld verloren haben, die mit den Entscheidungen der Politik leben und die sich am besten mit den funktionierenden und schädlichen Strategien auskennen.
Morgen bringe ich 30 weitere Briefe an Multiplikator*innen, das heißt, gut vernetzte, engagierte Personen aus unserem weiteren Netzwerk, die teils an der Erstellung des Aktionsplans beteiligt waren, teils generelle Freund*innen der Initiative sind, teils bereits ihre Unterstützung bei der Verbreitung der 21 Forderungen verlautet haben. Etwa 30 weitere werden in den nächsten Tagen folgen.
Danach folgen die Zielgruppen für die gedruckten Aktionspläne: Behörden, Institutionen, NGOs, Politiker*innen.

Die 21 Forderungen habe ich letze Woche online gestellt und die Mobilansicht verbessert (war ein längerer offener To Do-Punkt). So sind sie nun auch Einzeln abruf- und teilbar. Wählt sie entweder im Menü oder auf der Übersichts-Seite an und klickt euch durch:
https://mybrainmychoice.de/aktionsplan/ (Öffnet in neuem Fenster)Beste Grüße aus Berlin
Philine