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Suchtpolitik ist Innenpolitik. Gesundheitspolitische Reformen ändern daran nichts.

Nach eineinhalb Jahren Entwerfen, Beteiligen, Überarbeiten, Schreiben, Beteiligen, Schreiben, Gestalten, Schreiben,… war es uns wichtig, den neuen #MyBrainMyChoice-Aktionsplan pünktlich zum Weltdrogentag am 26. Juni zu veröffentlichen. Das hatten wir zwar auf die letzte Sekunde vor dem Online-Event am Abend geschafft, aber stilistisch waren einige Stellen noch ziemlich grob und diese haben wir daher in den letzten 2 Wochen nachbearbeitet. Jetzt sind 1.000 Exemplare im Druck bzw. schon auf dem Weg zu mir und kommen morgen hoffentlich gut an.

Am Montag ist der Gedenktag für verstorbene Drogengebrauchende mit Kundgebungen in vielen Städten (Öffnet in neuem Fenster).

Die #MyBrainMyChoice Initiative ist Teil des Organisations-Bündnisses für Berlin-Kreuzberg (Öffnet in neuem Fenster). Manche Redner*innen werden die unmittelbaren Probleme der Unterfinanzierung wirksamer, niedrigschwelliger Hilfen betonen, andere Beiträge machen die größeren politischen Probleme auf. Es ist außerdem vieles geplant, um dem gemeinsamen Gedenken würdevollen Raum zu geben und um die Verstorbenen keine Nummer sein zu lassen.

Als letzte Rednerin werde ich den Aktionsplan, seinen Beteiligungsprozess und die 21 Forderungen kurz präsentieren und den Teilnehmenden der Kundgebung als Ersten Print-Exemplare mitgeben.

Wer schon vor Beginn der Kundgebung zwischen 12 und 14 Uhr kommt, kann an unserer Fotoaktion in Kooperation mit JES Berlin teilnehmen.

Das Briefing

Der heutige Artikel erschien zuerst am 5.7. für die zahlenden Mitglieder (Öffnet in neuem Fenster) des Drogenpolitik Briefings, in der Regel erscheint es freitags. Dies hier ist die kostenlose, zeitlich verzögerte Veröffentlichung. Es ist mir wichtig, die Paywall nach ein paar Tagen aufzuheben und ich freue mich über alle Interessierten. Willkommen an die Neuen!

Um dem Schreiben der Kommentare und Kritiken mehr Zeit einräumen zu können, suche ich weitere Unterstützer*innen. Aktuell hat das Briefing 22 zahlende Förder*innen, die mir mit insgesamt 255 Euro im Monat helfen, diese Aufklärungsarbeit zu leisten.

21 Forderungen für die Reform der gesamten Drogenpolitik

Der Zeitpunkt für den Aktionsplan und seine 21 Forderungen (Öffnet in neuem Fenster) könnte nicht dringlicher sein. Er ist darauf ausgelegt, die drogenpolitische Debatte am köcheln zu halten und in die richtige Richtung zu schieben. Die Debatte muss richtig geführt werden. Es muss dringend erkannt werden: Drogen- und Suchtpolitik sind nicht nur Gesundheitspolitik, sondern auch, und zwar vor allem, Innenpolitik.

Auch wenn durch den “Frankfurter Weg” oder andere Formen der stellenweise milderen Durchsetzung des Verbots gesundheits- und sozialpolitische Ansätze größeren Raum einnehmen konnten… Die Strafverfolgung war nie weg. Egal ob die Durchsetzung des Betäubungsmittelrechts zu 50, 60, 90 oder 100 Prozent erfolgt… Die Polizei ist seit über 50 Jahren in Deutschland durchwegs die vorherrschende Antwort auf die illegalisierten Substanzen. Dass Konsum oder Handel davon nicht weniger werden, ist bekannt.

Steigende Todesfälle, steigende Gewalt in der illegalen Ökonomie, steigende Korruption, steigende Verelendung im öffentlichem Raum. Die aktuell wieder dominierende politische Antwort darauf lautet: Mehr Polizei, mehr Befugnisse, mehr Strafen.

Die Forderungen nach einer drogenpolitischen Reform dürfen nicht nur gesundheitspolitisch sein. Drogenpolitik ist auch, und zwar vor allem, Innenpolitik.

Im Aktionsplan (Öffnet in neuem Fenster) haben wir dem UN-Hochkommissar für Menschenrechte mit dem Eingangszitat auf Seite 2 einen prominenten Platz gegeben. So verdeutlichen wir: Nicht unsere ist die extreme Position. Wir bewegen uns auf einer Linie mit den Erkenntnissen der Menschenrechtsexpert*innen. Seit seinem Bericht von 2023 (Öffnet in neuem Fenster) spricht UN-Hochkommissar Volker Türk wiederholt auf verschiedenen Konferenzen und gegenüber den Regierungen der Welt Klartext: Die Drogenprohibition ist das Problem. Die Politik muss dringend (!) geändert werden. Das heißt: Die Menschen entkriminalisieren, die Märkte legal regulieren.

CDU und SPD in Hessen und Berlin bremsen

Der hessische Vorstoß von CDU und SPD, Menschen mit psychischen Krankheits-Diagnosen inklusive Sucht der Polizei zu melden, erfährt einiges an Wiederstand.

Leider greift die Kritik in Bezug auf Sucht aber oft eher kurz. Die Debatte muss über die Frage “Süchtige kriminalisieren oder helfen” hinausgehen. Denn die entscheidende Antwort ist: Weder noch! Man muss aufhören, eine Debatte zu führen und an einer Perspektive festzuhalten, die die gemeinten Menschen als “öffentliches Problem” behandelt. Diese Art der Herangehensweise ist bereits das Problem, das nur noch begrenzte Antworten zulässt. Dieser Blick von außen bzw. von innen auf die gesellschaftlichen Ränder sorgt dafür, dass bei allem Fürsorge-Willen weder die Strafen noch der Wunsch nach einem System der Zwangs”therapie” vom Tisch sind, wenn gesundheits- und sozialpolitische Verbesserungen erkämpft werden.

Der nötige Perspektivwechsel, der die marginalisierten Menschen zum Ausgangspunkt der Überlegungen macht, baut auf diesen beiden Erkenntnissen auf:

  1. Es geht um die Bereitstellung und Umsetzung von Gesundheitsrechten. Keine Fürsorgen, kein Wohlwollen, keine öffentliche Diskussion der “Belastbarkeit von Nachbarschaften” nötig. Es geht um einen menschenrechtlichen Grundsatz, der unter der stigmatisierenden und kriminalisierenden Drogen- und Suchtpolitik leidet.

  2. Die Kriminalisierung muss weg. Wie weit will man mit einer akzeptierenden Haltung im Gesundheitssystem kommen, wenn die Polizei immer mit im Spiel bleibt? Wie weit sollen uns gesundheitspolitische Verbesserungen bringen, wenn die folgenschwere, kontraproduktive Strafverfolgung gegen Konsumierende und Handel mit öffentlichen Geldern beworfen wird – während wiederum gesundheits- und sozialpolitische Programme weggespart werden? Die politisch verletzliche Situation der Suchthilfe lässt sich erst beenden, wenn die Innenpolitik (die CDU und offenbar auch SPD mit einer Ausweitung von Polizei gleichsetzen) vom Thema abgezogen wurde.

Was lässt sich kurzfristig tun? Unterschreibt bitte die Petition und nutzt eure Möglichkeiten, um den hessischen Gesetzentwurf aufzuhalten:

https://innn.it/keinregister#info (Öffnet in neuem Fenster)

Auch in Berlin verstehen sich CDU und SPD gut darauf, einen sicherheitspolitischen Albtraum in die Wege zu leiten. Wenn ihr Einfluss darauf habt, Abgeordnete umzustimmen, bitte nutzt sie!

Der Berliner Innenpolitiker Niklas Schrader (Linke) erklärt die geplante Ausweitung der polizeilichen Befugnissen hier im Interview:

https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192351.interview-mit-niklas-schrader-linke-asog-novelle-simulation-von-sicherheit.html (Öffnet in neuem Fenster)

Mehr zum Thema, von mir und anderen:

Kategorie Diskursanalyse

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