„Willst du, dass wir sterben?“
Sofija ist 16 Jahre alt. Sie ist trans und lebt auf engstem Raum mit ihrer nationalistischen serbischen Familie, die sie dafür hasst.
Alles begann zu Silvester 2023. Sofija war zu diesem Zeitpunkt 14 Jahre alt und zu Besuch in Serbien. In der kleinen 700-Einwohner-Gemeinde, in der Sofijas Vater aufwuchs, gab es nicht viel Programm zu Neujahr, deswegen ging sie kurz nach Mitternacht ins Bett. Sie wäre lieber in Österreich geblieben und hätte mit ihren Freundinnen gefeiert.
Ihr vier Jahre älterer Bruder Darko* muss irgendwo ihren Handy-Code aufgeschnappt haben, denn als sie am nächsten Tag aufwachte, verhielt sich Darko seltsam, mied Augenkontakt und war sichtbar wütend auf Sofija. Wie sich später herausstellte, durchforstete er ihre Fotos und Nachrichten. In ihrer Camera Roll fand er Sofijas geschminktes Gesicht, Spiegel-Selfies mit Kussmund und Mädchen-Outfits. Noch am selben Tag involvierte er Sofijas Mutter. Sie war außer sich. Die Situation eskalierte, als der Vater davon erfuhr. Er zerstörte ihr Handy vor ihren Augen. Aus Not log Sofija und behauptete, ihre Freundinnen in der Schule hätten sie gezwungen, sich wie ein Mädchen zu geben. Sie musste schwören, dass sie den Kontakt zu diesem Freundinnenkreis abbrechen würde. Zurück in Österreich dürfte sie sie nie wieder treffen, nur so konnte sie das Geschreie ihres Vaters beenden.
Zwei Monate später entschied sich Sofija, die Lüge zu korrigieren und sich vor ihren Eltern als trans zu outen. Seither streiten sie jeden Tag. Das ist zwei Jahre her. Es gibt keinen Moment der Ruhe für Sofija. Ihre Eltern sprechen sie täglich mit ihrem Deadname an. Der Deadname ist der Name, den trans Personen bei der Geburt erhielten und den viele ablehnen. Sie misgendern sie, wenn sie mit ihr und über sie sprechen. Serbisch ist eine binäre Sprache, man muss sich für eine männliche oder weibliche Form entscheiden. Jedes Gespräch mit ihren Eltern ist eine Erinnerung daran, dass sie Sofija ablehnen. In ihrem Weltbild gibt es keine trans Mädchen: Es gibt nur Mann, Frau und Gott.
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